The Project Gutenberg EBook of Kurzgefaßte Deutsche Stilistik, by Otto Lyon

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Title: Kurzgefaßte Deutsche Stilistik

Author: Otto Lyon

Release Date: September 15, 2019 [EBook #60306]

Language: German

Character set encoding: UTF-8

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZGEFAßTE DEUTSCHE STILISTIK ***




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Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1907 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Passagen wurden nicht korrigiert. Fußnoten wurden vom Bearbeiter an das Ende des jeweiligen Abschnitts verschoben.

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Handbuch der deutschen Sprache für höhere Schulen.

Zweiter Teil: Für obere Klassen. Ausgabe B, in drei Abteilungen.

Kurzgefaßte Deutsche Stilistik.

Von

Professor Dr. Otto Lyon.

Siebente vermehrte und verbesserte Auflage.

Verlagssignet

1907

Leipzig und Berlin,

Druck und Verlag von B. G. Teubner.

Die Ausgabe A enthält die 3 Abteilungen in einem Bande.

Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten.

Vorwort zur ersten Auflage.

Eine kurze Darstellung der Stilistik, die das Notwendige und Wesentliche enthält, dürfte sich für den Gebrauch in der Schule nicht als nutzlos erweisen. Wenn der Schüler die stilistischen Regeln nur bei der Lektüre oder bei der Rückgabe der Aufsätze, also vereinzelt und zerstreut, gleichsam nur nebenbei kennen lernt, so vergißt er sie nur allzuleicht und verfällt fast regelmäßig wieder in dieselben Fehler; der Lehrer kämpft vergeblich dagegen an. Durch Einsicht in den wissenschaftlichen Zusammenhang der stilistischen Regeln dagegen wird jede einzelne Regel in dem Bewußtsein des Schülers weit mehr befestigt werden, als wenn sie vereinzelt, bloß gedächtnismäßig ergriffen worden ist. An die Stilistik schließt sich eine kurze Darstellung der Rektionslehre an, die zur Behandlung in Untersekunda bestimmt ist. Auch hier ist überall der Sprachgebrauch an der Hand der Sprachgeschichte geprüft und bei Feststellung der Regeln so objektiv als möglich verfahren worden.

Vorwort zur siebenten Auflage.

Bei der Durchsicht der siebenten Auflage sind die Verbesserungen und Berichtigungen, die sich nötig machten, überall eingefügt worden. Allen, die mich hierbei durch freundliche Mitteilung ihrer Wünsche und Vorschläge unterstützten, sage ich meinen verbindlichsten Dank.

Dresden, 1. März 1907.

Otto Lyon.

Inhaltsverzeichnis.

Seite
 
1.
Begriff des Stiles
2.
Begriff der Stilistik
3.
Einteilung der Stilistik
4.
Schriftsprache und gesprochene Rede
 
5.
Der oberste Grundsatz des guten Stiles
6.
Deutlichkeit
7.
Sprachrichtigkeit
8.
Sprachreinheit
9.
Bestimmtheit und Kürze des Ausdrucks
10.
Angemessenheit
11.
Wohllaut und Neuheit des Ausdrucks
12.
Anschaulichkeit und Lebendigkeit
13.
Natürlichkeit
14.
Der Gebrauch bildlicher Ausdrücke
15.
Die Bilder oder Tropen
16.
Die Figuren
17.
Bedeutung der Tropen und Figuren für den Stil
18.
Wortbildung
19.
Das Substantivum
20.
Das Verbum
21.
Die Partizipien
22.
Das Adjektivum
23.
Das Pronomen
24.
Das Adverbium
25.
Präpositionale Ausdrücke
26.
Als und wie
27.
Wortstellung
28.
Der Bau der Sätze im allgemeinen
29.
Form der Sätze
30.
Art der Verknüpfung
31.
Stellung der Sätze
32.
Rhythmus des Satzes
 
33.
Prosaischer und poetischer Stil
34.
Der Stil des Verstandes
35.
Der Stil des Gemütes
36.
Das Studium guter Muster
37.
Der Aufsatz
38.
Das Thema und die Arten der Aufsätze
39.
Das Sammeln des Stoffes
40.
Die Disposition
41.
Dispositionsregeln
42.
Die Chrie
43.
Die Ausarbeitung
65
44.
Über die Kunst, seine Gedanken gut auszusprechen
I.
Übungsbeispiele zur Wiederholung der Syntax.
69
II.
Rektionslehre.
 
1.
Verben, die den Akkusativ regieren
2.
Verben, die den Dativ regieren
3.
Verben, die den Genitiv regieren
4.
Verben mit schwankender Rektion
B. Rektion der Verbalsubstantive.
1.
Adjektive, die den Dativ regieren
2.
Adjektive, die den Genitiv regieren
D. Rektion der Präpositionen.

[S. 1]

Erste Abteilung.
Deutsche Stilistik.

I. Einleitung.

1. Begriff des Stiles.

Das Wort Stil wird in seiner weiteren Bedeutung auf alle Künste angewendet und bezeichnet überhaupt die Art und Weise der Darstellung. Man spricht daher z. B. von einem gotischen Stile in der Baukunst, von dem Stile der Niederländer in der Malerei, von dem Stile Mozarts in der Musik, von dem Stile Goethes in der Kunst der Sprache. Im engeren Sinne versteht man jedoch unter Stil nur die Art und Weise der sprachlichen Darstellung. Diese wird durch zweierlei bestimmt: 1. durch den Inhalt und Zweck des darzustellenden Gegenstandes; 2. durch die Persönlichkeit und geistige Eigenart des Darstellenden. Sofern der Stil auf den Inhalt und Zweck des darzustellenden Gegenstandes Rücksicht nimmt, nennt man ihn objektiv, sofern in ihm die Eigenart des Darstellenden zum Ausdrucke kommt, subjektiv. So wird z. B. der Stil in Schillers akademischer Antrittsrede: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ objektiv bestimmt zunächst durch das Thema, dann durch die Reihe von Gedanken, die sich unter dieses Thema ordnen lassen, ferner durch den Zweck, die Zuhörer, und zwar solche, die akademischen Kreisen angehören, für diese Gedanken zu gewinnen. Objektiv wird also für die ganze Darstellung der Stil einer akademischen Rede über Begriff und Zweck des Studiums der Universalgeschichte erfordert. Das Subjektive an dieser Rede aber ist das, was diese Rede von allen anderen ähnlicher Art unterscheidet und sie zu einer Rede macht, wie sie nur gerade Schiller seiner geistigen Eigenart und Bildung, sowie der Bildung seiner Zeit gemäß halten konnte. Zahlreiche Lieblingsideen und Lieblingswendungen Schillers, die wir darin finden, der stolze Schwung der Rede, der noch heute jeden Leser unwiderstehlich mit sich fortreißt, die Anlehnung an die Gedanken Kants u. ähnl. geben der Darstellung ihr subjektives Gepräge.

Die objektive und subjektive Seite des Stiles sind selbstverständlich in der Wirklichkeit immer innig verbunden; es wird aber je nach dem Inhalte des darzustellenden Gegenstandes bald die eine, bald die andere Seite in den Vordergrund treten. Eine[S. 2] wissenschaftliche Darstellung z. B. ist streng objektiv zu halten, eine Rede, welche die Hörer anregen und begeistern soll, erfordert reiche subjektive Färbung; ein episches Gedicht verlangt große Objektivität, bei einem lyrischen Gedichte ist starke Subjektivität unbedingtes Erfordernis. Im allgemeinen muß namentlich der poetische Stil sein eigenartiges Gepräge durch die Persönlichkeit des Dichters erhalten, während dem prosaischen Stile mehr objektive Ruhe günstig ist.

Das rechte Verhältnis zwischen Subjektivität und Objektivität zu treffen, ist eine der schwierigsten Aufgaben des Stiles. Schließt sich der Stil nur objektiv an fremde Muster an, so mangelt ihm das eigenartige Gepräge, und dieser Mangel kann uns oft ganze Werke ungenießbar machen; überwiegt aber die Subjektivität in der Weise, daß Dinge in die Darstellung hineingetragen werden, die in dem darzustellenden Gegenstande nicht begründet sind oder gar mit demselben in Widerspruch stehen, so wird der Stil zur Manier. Gegenüber dem wahrhaften Stile Goethes und Schillers zeigt z. B. der Stil Jean Pauls und unter den neueren Erzählern der Wilhelm Raabes stellenweise Manier.

Anmerkung 1. Das Wort Stil ist aus dem Lateinischen (aus lat. stilus, d. i. Griffel) zu uns gekommen. Das lateinische stilus geht wieder auf griech. στῦλος zurück, was gleichfalls den metallenen Griffel bezeichnete, mit dem der Grieche durch Einritzen in eine Wachstafel schrieb. Einige Sprachforscher leiten auch unser Wort „Stiel“ von lat. stilus ab, was den Lautgesetzen nicht widerspricht. Doch ist hier wohl eher Urverwandtschaft anzunehmen.

Anmerkung 2. Über den Einfluß der Persönlichkeit und Gesinnung des Dichters auf seine Werke sagt Goethe: „Eigentlich kommt alles auf die Gesinnungen an; wo diese sind, treten auch die Gedanken hervor, und nach dem sie sind, sind auch die Gedanken.“ Sprüche in Prosa 542. Hempelsche Ausgabe. — Von Werken, die nur objektiven Stil haben, sagt derselbe Dichter: „Es werden jetzt Produktionen möglich, die Null sind, ohne schlecht zu sein: Null, weil sie keinen Gehalt haben; nicht schlecht, weil eine allgemeine Form guter Muster den Verfassern vorschwebt.“ Spr. i. Pr. 119.

2. Begriff der Stilistik.

Stilistik ist die Wissenschaft des Stiles. Sie sucht die Gesetze und Regeln der sprachlichen Darstellung auf und stellt sie im Zusammenhange dar. Man darf die Stilistik nicht verwechseln mit der Poetik und Rhetorik. Die Poetik erörtert die Gesetze und Formen der Dichtung, die Rhetorik behandelt die Kunst der Beredsamkeit und der prosaischen Darstellung des Redners. Die Stilistik aber hat es mit der äußeren sprachlichen Form der Darstellung überhaupt zu tun, sie umfaßt die Gesetze über Deutlichkeit, Richtigkeit und Schönheit des Ausdruckes, über Belebung durch bildliche Wendungen, über die Wahl der Worte, den Bau der Sätze usw. Da die Sprache das Ausdrucksmittel sowohl des Redners, als auch des Dichters ist, so gelten die allgemeinen Sprachregeln der Stilistik für die Prosa wie[S. 3] für die Poesie. Der Umstand, daß die Alten in ihre Darstellungen der Rhetorik auch gewöhnlich die Regeln der Stilistik mit einschlossen (weil der Redner auch die stilistischen Regeln kennen und anwenden muß), hat dazu geführt, daß bis in die neueste Zeit Rhetorik und Stilistik vielfach vermengt und in verworrener Weise durcheinandergemischt werden.[1]

Mit den Stoffen und Ideen, die dargestellt werden, hat es die Stilistik nur insoweit zu tun, als diese Einfluß auf die innere oder äußere sprachliche Form üben. Die Stilistik stellt ferner nur die Regeln des objektiven Stiles dar; denn es ist nicht ihre Aufgabe, von dem Stil eines bestimmten Schriftstellers oder eines Zeitalters oder eines Volkes zu reden, sondern sie behandelt die allgemeinen Gesetze des Stiles, die für die Schriftsteller aller Zeiten und Völker Geltung haben. Die deutsche Stilistik berücksichtigt dabei zugleich die Eigenart der deutschen Sprache und des deutschen Volkes.

Anmerkung. Eine klare Bestimmung der Begriffe Rhetorik und Stilistik gab zuerst Wilhelm Wackernagel in seinen Vorlesungen über Poetik, Rhetorik und Stilistik, herausgeg. v. Ludw. Sieber, Halle 1873; eine selbständige, streng wissenschaftliche Behandlung der deutschen Stilistik, losgelöst von der Rhetorik der Alten, hat zuerst Karl Ferdinand Becker in seinem Buche: Der deutsche Stil (neu bearb. v. O. Lyon, Prag und Leipzig 1883) angebahnt. Sehr anregend ist die „Deutsche Stilistik“ von Richard M. Meyer, München 1906.

3. Einteilung der Stilistik.

Die Stilistik zerfällt in die allgemeine und in die besondere. Die allgemeine Stilistik handelt von den Eigenschaften des guten Stiles überhaupt, von den Mitteln zur lebendigeren Gestaltung der Rede, von dem stilgerechten Bau und der wohllautenden Gliederung des einfachen und zusammengesetzten Satzes. In der besonderen Stilistik dagegen kommen die Arten des Stiles und die Mittel zur Ausbildung desselben zur Darstellung.

4. Schriftsprache und gesprochene Rede.

Man bezieht das Wort Stil gewöhnlich nur auf die Darstellung der Gedanken in der Schriftsprache. Diese Auffassung ist aber einseitig und irrtümlich. Dieselben Gesetze vielmehr, die für die Schriftsprache gelten, liegen auch der mündlichen Rede zugrunde. Zwar fordert die Schriftsprache, weil sie die Gedanken nicht bloß für den Augenblick und für einzelne Personen darstellt, und weil sie nicht durch die Betonung und das lebendige Gebärdenspiel des Sprechenden unterstützt wird, in der Regel eine größere Sorgfalt, namentlich in[S. 4] bezug auf die Wahl der Worte und die Wortstellung, aber es kann nicht dringend genug darauf hingewiesen werden, daß der mündlichen Rede dieselbe Sorgfalt zuzuwenden ist wie der geschriebenen. Vor allem aber darf die Schriftsprache nicht in der Schärfe von der mündlichen Rede getrennt werden, wie es jetzt leider gewöhnlich geschieht. Gerade die Zeiten der höchsten Blüte unserer Sprache und gerade unsere größten Dichter sahen in der Sprache in erster Linie etwas, das gesprochen wird, und gaben der mündlichen Rede den Vorrang vor der Schriftsprache. Das Zeitalter der Minnesinger, das Zeitalter Luthers, das Zeitalter Schillers und Goethes bieten dafür ausreichende Beweise. Nur immer diejenigen Zeiten, in denen sich unser Sprachleben im Rückgange befand, erhoben die Schriftsprache zur stolzen Herrin und drückten die mündliche Rede zur dienenden Magd herab. Hätten Klopstock, Goethe und Schiller nicht unserer Sprache durch Worte und Wendungen, die sie der lebendigen Sprache ihrer Heimat entnahmen, eine großartige Erweiterung gegeben, so wären vielleicht heute noch die beschränkten Sprach- und Stilregeln Gottscheds und Adelungs geltend.

Anmerkung. Klopstock kämpfte sein ganzes Leben hindurch gegen das bloße stille Lesen mit den Augen. Goethe sagt unter anderem in Dichtung und Wahrheit (II, 10): „Schreiben ist ein Mißbrauch der Sprache, stille für sich lesen ein trauriges Surrogat der Rede.“ An der Adrastea (6, 187) sagt Herder: „Welche Nation hat ihre Sprache wesentlich so verunstalten lassen, als die deutsche? Gehen Sie in die Zeiten der Minnesinger zurück, hören Sie noch jetzt den lebendigen Klang der verschiedenen, zumal west- und südlichen Dialekte Deutschlands, und blicken in unsere Büchersprache. Jene sanften oder raschen An- und Ausklänge der Worte, jene Modulation der Übergänge, die den Sprechenden am stärksten charakterisieren — da wir Deutsche so wenig öffentlich und laut sprechen, sind sie in der Büchersprache verwischt!“ Ganz besonders beherzigenswert ist Herders Schulrede: „Von der Ausbildung der Rede und Sprache in Kindern und Jünglingen.“

[1] Ein Beispiel einer solchen völligen Vermischung ist Schießls System der Stilistik. Straubing 1884. Vergleiche meine Besprechung in Zarnckes Literarischem Zentralblatt 1885.

II. Allgemeine Stilistik.

A. Die Eigenschaften des guten Stiles im allgemeinen.

5. Der oberste Grundsatz des guten Stiles.

Der oberste Grundsatz des guten Stiles, aus dem sich alle übrigen Eigenschaften ergeben, ist die vollkommene Übereinstimmung des Ausdruckes mit der Sache. Sofern eine solche Übereinstimmung in dem Hörer oder Leser volles Wohlgefallen und das Gefühl des Befriedigtseins erweckt, kann man sie auch kurz als die wahre Schönheit der Darstellung bezeichnen. Um diese zu erreichen, muß der Stil folgende Eigenschaften haben: 1. Deutlichkeit, 2. Sprachrichtigkeit, 3. Sprachreinheit, 4. Bestimmtheit und Kürze des Ausdruckes, 5. Angemessenheit, 6. Wohllaut und Neuheit des Ausdruckes,[S. 5] 7. Anschaulichkeit und Lebendigkeit, 8. Natürlichkeit. Je nach der Stilgattung wird natürlich bald die eine, bald die andere Eigenschaft überwiegen; eine belehrende Abhandlung z. B. wird vor allem nach Deutlichkeit und Klarheit, eine fesselnde Schilderung nach Anschaulichkeit und Lebendigkeit zu streben haben usw., aber wenn auch eine Eigenschaft in den Vordergrund tritt, so dürfen deshalb die anderen nicht fehlen.

Anmerkung. Die älteren Stilistiker stellten die Zweckmäßigkeit als das oberste Gesetz des guten Stiles auf. Diesen Irrtum gründlich widerlegt und hoffentlich für immer aus der Wissenschaft des Stiles entfernt zu haben ist das Verdienst Beckers (Der deutsche Stil, 3. Aufl. S. 5 flg. 12 flg. 60 flg.).

6. Deutlichkeit.

Die erste Forderung, die an eine sprachliche Darstellung gestellt werden muß, ist die der Deutlichkeit. Wenn jemand über einen Gegenstand spricht oder schreibt, so muß in der ganzen Darstellung überall zutage treten, daß der Sprechende oder Schreibende den Gegenstand bis ins kleinste mit seinem Verstande beherrscht, und ferner muß die Darstellung so beschaffen sein, daß durch sie auch der Hörende oder Lesende den dargestellten Gegenstand mit seinem Verstande vollkommen zu erfassen vermag. Eine solche Darstellung nennt man deutlich. Die Deutlichkeit verlangt daher, daß der Darstellende den Gegenstand, ehe er über ihn spricht oder schreibt, rein und scharf aufgefaßt, nach allen Seiten hin durchdacht und eine der Wahrheit und Wirklichkeit völlig entsprechende Anschauung über ihn gewonnen habe. „Die größte Deutlichkeit war mir immer die größte Schönheit“, sagt Lessing. Der Deutlichkeit dienen außerdem hauptsächlich die drei folgenden Eigenschaften des guten Stiles: die Sprachrichtigkeit, die Sprachreinheit, die Bestimmtheit und Kürze des Ausdruckes.

7. Sprachrichtigkeit.

Die Sprachrichtigkeit oder Korrektheit besteht darin, daß die Darstellung nicht gegen die Gesetze der Wortbildung und Wortbiegung, sowie der Satzbildung und Satzfügung verstößt. Diese Gesetze stellt die Grammatik dar, und man kann daher kurz sagen: die Sprachrichtigkeit beruht auf der sorgfältigen Befolgung der grammatischen Regeln.

Anmerkung. Einen Verstoß gegen die Sprachrichtigkeit nannten die Alten Solözismus (von Soli, einer Stadt in Cilicien, deren Bewohner ein sehr fehlerhaftes Griechisch sprachen), einen Verstoß gegen die Sprachreinheit dagegen Barbarismus.

8. Sprachreinheit.

Die Sprachreinheit bezieht sich auf die Wahl der Worte. Sie fordert, daß der Schreibende nur solche Worte und Redewendungen[S. 6] gebrauche, die der deutschen Sprache eigentümlich, seinem Zeitalter nicht unverständlich und in den gebildeten Kreisen unseres Volkes üblich sind. Gegen die Reinheit des Ausdruckes verstößt daher derjenige, der in seine Darstellung a) Fremdwörter und fremde Redewendungen, b) veraltete Wörter (den Gebrauch solcher Wörter nennt man Archaismus), c) landschaftliche Ausdrücke (die Verwendung derselben in der Schriftsprache heißt Provinzialismus), d) willkürliche und dem Geiste unserer Sprache widerstrebende Neubildungen (Neologismen) einmischt.

a) Fremdwörter und fremde Redewendungen. Die Forderung, die Fremdwörter zu meiden, ist nicht so zu verstehen, als ob alle Fremdwörter ohne Ausnahme aus Rede und Schrift verbannt werden müßten, vielmehr ist hier mit großer Sorgfalt zu scheiden zwischen entbehrlichen und unentbehrlichen Fremdwörtern. Im allgemeinen läßt sich als Regel feststellen, daß Fremdwörter niemals da gebraucht werden dürfen, wo uns ein gleichbedeutendes und schön gebildetes deutsches Wort als Ersatz zu Gebote steht. Vor allem muß man zunächst scheiden zwischen Fremdwörtern und Lehnwörtern. Unter Lehnwörtern versteht man solche Wörter, die bereits in einer früheren Periode in unsere deutsche Sprache aufgenommen worden sind und völlig deutsche Form angenommen haben, z. B. Anker (lat. ancora), Brief (lat. breve), predigen (lat. praedicare), Pforte (lat. porta), Regel (lat. regula), Schule (lat. schola), Spiegel (lat. speculum), Tafel (lat. tabula), Ziegel (lat. tegula) u. a. Diese Wörter werden von uns gar nicht mehr als Fremdwörter empfunden, und es wäre lächerlich, auch diese durch rein deutsche Ausdrücke wiedergeben zu wollen, wie es Philipp von Zesen u. a. getan haben, die Person durch Selbstand, Fenster durch Tageleuchter, ja sogar das Wort Nase, das gar kein Lehnwort, sondern wie andere Benennungen von Teilen des Körpers, z. B. Herz, Fuß, Ohr, Zahn, urverwandt mit der griech.-lat. Bezeichnung ist, durch Löschhorn usw. übersetzten. Aber auch von den eigentlichen Fremdwörtern, d. h. von denjenigen, die wir wirklich als solche empfinden, erweisen sich viele als unentbehrlich, und wer diese durch selbstgemachte Verdeutschungen ersetzen wollte, der würde in Gefahr kommen, seinen Hörern und Lesern unverständlich zu werden. Die meisten dieser Wörter sind technische Ausdrücke der Wissenschaften und Künste. Neben diesen unentbehrlichen Fremdwörtern ist aber leider in unsere deutsche Sprache eine ganz außerordentlich große Zahl völlig entbehrlicher Fremdwörter eingedrungen, und diese sind es, welche die Reinheit und Schönheit unserer Sprache so schwer schädigen. Mit größter Strenge fordert die Reinheit des Ausdruckes, daß diese Fremdwörter, für die genau zutreffende, oft weit bessere einheimische Ausdrücke sich darbieten, in allen Stilgattungen vermieden werden, und der Gebrauch eines solchen Fremdwortes sollte billig als ein ebenso arger Verstoß[S. 7] gegen den guten Stil gelten wie der Gebrauch eines falschen Kasus oder einer falschen Verbalform. Denn die lexikalische Seite unserer Sprache verlangt dieselbe Berücksichtigung wie die grammatische Seite. Meist leidet durch die Fremdwörter auch der Wohlklang der Rede, die vielen Wörter auf -tät und -ieren z. B. sind fast ausnahmslos unschön, und ihr Klang beleidigt das Ohr (z. B. Authentizität, Reziprozität, Kredulität, Probabilität, Monstrosität, Intelligibilität, Idealität, Souveränität, Spezialität, identifizieren, rehabilitieren, inventarisieren, rekonstruieren, spezifizieren, spezialisieren, stigmatisieren, sympathisieren, usw.). Das deutsche Wort hat gewöhnlich edleren und höheren Klang als das Fremdwort, man vergleiche z. B. Mut und Courage, Unglück und Malheur, Gnade und Pardon, Vergnügen und Pläsier, edle Leidenschaften und noble Passionen, dunkel und obskur, Geschenk und Präsent, unsicher und prekär, gewinnen und profitieren usw. Durch die Einmischung von Fremdwörtern wird daher der Ausdruck leicht unedel und niedrig.

Gute Verdeutschungen sind: Beförderung (Avancement), Widerstreit (Antagonismus), Dienstalter (Anciennität), Ruhegehalt (Pension), Verwaltung (Administration), Anzeige (Annonce), Zerrbild (Karikatur), Versteigerung (Auktion), Einleitung (Exordium), Feldzug (Kampagne), Mehrheit (Majorität), Minderheit (Minorität), Antrieb (Impuls), Naturtrieb (Instinkt), Eilbote (Kurier), Zeitungsschriftsteller (Journalist), Streitschrift (Pamphlet), Duldsamkeit (Toleranz), Spaziergang (Promenade), Reifeprüfung (Maturitätsexamen), folgetreu (konsequent), zuständig (kompetent), rechtmäßig (legitim), amtlich (offiziell), lautlich (phonetisch), geeignet (qualifiziert), reißend schnell (rapid), festsetzen (stipulieren), Vertauschung (quid pro quo) u. v. a.[2]

Ebenso wie die Fremdwörter sind fremde, aus anderen Sprachen herübergenommene Wendungen und undeutsche Übertragungen fremder Ausdrücke zu meiden. Durch solche undeutsche Wendungen wird die Reinheit des Stiles in hohem Grade verletzt. Die meisten derselben entstammen der französischen (Gallizismen) und der lateinischen Sprache (Latinismen). Ein Gallizismus ist z. B. die Wendung: „gegenüber von dieser Meinung“ (vis-à-vis de...) statt: „dieser Meinung gegenüber“; ferner der Gebrauch des hinweisenden Fürworts jener statt des dem Französischen fehlenden der in Sätzen wie: „Die kühne Tat des Horatius Cocles und jene (celle, statt: die) des Mucius Scävola“ usw. Man sagt[S. 8] deutsch: „Ich bin mit etwas zufrieden, mit etwas beschäftigt“ u. ähnl. Falsch ist es daher, mit Anlehnung an das Französische zu sagen: „Ich bin von etwas zufrieden (content de), von etwas beschäftigt (occupé de)“ usw., was sich bei einigen Schriftstellern findet. Man kann im Deutschen fühlen nicht mit dem bloßen Dativ verbinden, sondern bedient sich zur Anknüpfung der Präposition in, z. B.: Ich fühle Kraft in mir (nicht: Ich fühle mir Kraft, wie Schiller und Goethe einigemal geschrieben haben). Die Wendungen: sich durchdringen (statt: durchdrungen sein), sich verkaufen (statt: verkauft werden) u. ähnl. sind Gallizismen, z. B. Das Volk durchdringt sich (se pénètre, statt: ist durchdrungen) von Begeisterung für seine große, weltgeschichtliche Aufgabe; die Ware verkaufte sich zu sehr billigen Preisen (deutsch: wurde verkauft). Ausdrücke wie: „Er geht, seine Arbeit zu beginnen“; „jemand auf dem laufenden halten (tenir au courant des affaires), auf dem laufenden bleiben“; „die Freunde, es ist wahr, haben mich betrogen“; „in diesem Lande ist es, wo die Freiheit wohnt“; „es brauchte diesen tränenvollen Krieg“ (Schiller, statt: es bedurfte dieses Krieges); „unter die Nase lachen“ (Schiller, statt: jemand ins Gesicht lachen) u. a. verraten sofort ihren französischen Ursprung.[3]Lateinisch sind Wendungen wie: Cäsar, als er usw., Hannibal, nachdem er usw. (deutsch: Als Cäsar usw. Nachdem Hannibal usw.); ich scheine mir (deutsch: ich glaube). Das lateinische qualis nach talis, quantus nach tantus ist im Deutschen durch „wie“ wiederzugeben. Wendungen wie: „Die Schlacht, als welche es keine berühmtere gibt“ sind im Deutschen durchaus zu meiden; wir sagen: „Das ist die berühmteste Schlacht, die jemals geliefert worden ist.“ Ganz besonders stammt aus dem Lateinischen die Unsitte der Häufung von partizipialen Wendungen und der Einschachtelung von Nebensätzen (s. hierüber die Stilistik des zusammengesetzten Satzes).

b) Veraltete Wörter. Altertümliche Ausdrücke wie: kreucht, zeucht, zween, zwo, sintemal, alldieweil, dieweil, maßen, jetzo, itzt, gelahrt, dermaleins, dahero, hinfüro, von wegen, derselbige, männiglich, spützen, Stümmel (statt: Stummel), das Trumm (statt: Stück, Trümmer), Gelück, gelücken, bestahn, empfahen, ein Gebot übergehen (statt: übertreten), der Übergeher, beiten (für verweilen) u. a. geben dem Stil etwas Gespreiztes und Unnatürliches und sind zu meiden. Doch sind auch hier Ausnahmen zulässig. Die Erforschung des Alt- und Mittelhochdeutschen hat gezeigt, daß mancher schöne Ausdruck, den die ältere Sprache kannte, verloren gegangen ist. Solche Ausdrücke wieder zu[S. 9] beleben und in unsere Schriftsprache einzuführen, ist nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert, ja Ludwig Uhland hat das sogar als eine notwendige Forderung für die weitere Entwickelung unserer Sprache hingestellt. Dieser Dichter hat auch mit großem Glück zahlreiche alte Ausdrücke und Wendungen unserer Sprache zurückerobert, ebenso wie das Jakob Grimm, Gustav Freytag und Viktor Scheffel getan haben.

c) Landschaftliche Ausdrücke. Unter landschaftlichen Ausdrücken versteht man solche, die nur gewissen Mundarten angehören und dem allgemeinen Sprachgebrauche fremd sind. Sie stören nicht nur die Verständlichkeit einer sprachlichen Darstellung, sondern klingen oft auch unedel und niedrig; zuweilen verstoßen sie auch gegen die Sprachrichtigkeit. Solche tadelnswerte landschaftliche Wörter und Wendungen sind z. B. zuverläßlich (statt: zuverlässig), so ein (statt: ein solcher), gemeinnützlich (statt: gemeinnützig), verzählen (statt: erzählen), zu Hause gehen (statt: nach Hause), Verkältung (statt: Erkältung), ich habe daran oder darauf vergessen (statt: ich habe es vergessen), sich mit einem etwas erzählen (statt: unterhalten), Hanke (statt: Hüfte), losgehen (statt: anfangen), ferten (statt: voriges Jahr; fränkisch), mitmachen, mittun (statt: teilnehmen), irritieren in der falschen Anwendung als: irre machen (z. B. er ließ sich durch die falsche Meldung nicht irritieren; irritieren heißt vielmehr: erregen, reizen), nach Berlin machen oder werden (statt: reisen) usw. — Große Dichter und Schriftsteller haben jedoch oft mit großem Glück landschaftliche Ausdrücke verwendet und dadurch unsere Schriftsprache dauernd bereichert. Wir gebrauchen jetzt z. B. die Wörter: düster, dröhnen, dreist, staunen, entsprechen (für: gemäß sein, z. B. der Titel des Buches entspricht dem Inhalte) u. a. im edelsten Stile, und doch sind diese Wörter erst aus verschiedenen Mundarten in die Schriftsprache vorgedrungen und wurden früher als unzulässige Provinzialismen getadelt.[4] So wurden durch Goethe und Schiller namentlich unserer Schriftsprache zahlreiche oberdeutsche Ausdrücke zugeführt, während andere Schriftsteller wieder niederdeutsche Wendungen zur Geltung brachten. Doch nur vollendete Meister der Sprache vermögen auf solche Art unsere Schriftsprache[S. 10] zu bereichern. Das Gesagte soll nur zeigen, wie fortwährend unsere Schriftsprache aus der lebendigen Sprache der Mundarten sich erneuert und so vor Erstarrung bewahrt. Man blicke deshalb nicht mit Verachtung auf die Mundarten herab und beherzige die Worte Schleichers: „Die Mundarten sind die natürlichen, nach den Gesetzen der sprachgeschichtlichen Veränderungen gewordenen Formen im Gegensatze zu der mehr oder minder gemachten und zugestutzten Sprache der Schrift.“ (Die deutsche Sprache, S. 111.)

d) Fehlerhafte Neubildungen. Ebenso wie man den Gebrauch veralteter Wörter zu meiden hat, muß man sich auch hüten, neue Wörter zu bilden und zu verwenden, die entweder mit den Gesetzen der Sprache in Widerspruch stehen oder gegen den Wohlklang verstoßen. Selbstverständlich bedarf eine Sprache, die nicht der Erstarrung anheimfallen will, immer eines frischen Nachwuchses neuer Ausdrücke; aber diese neuen Wörter, durch welche die Sprache wirklich bereichert wird, können nicht willkürlich gemacht werden, sondern sie wachsen mit Naturnotwendigkeit aus den gesunden Keimen der Sprache heraus. In glücklichen Stunden finden schöpferische Geister solche Ausdrücke, und diese Neubildungen erweisen sich schon dadurch als gesund, daß sie dauernd in den Wortschatz der Sprache übergehen. Solche Neubildungen sind natürlich keine Neologismen. Klopstock, Lessing, Wieland, Goethe, Schiller und Rückert haben unserer Sprache viele neue Wörter zugeführt. Im Simplicissimus findet sich zum erstenmal das Wort „unaussprechlich“, das aber erst durch Klopstock eine dauernde Stellung in unserer Sprache erhalten hat. Urbild für Original tadelt schon Gottsched (Beyträge II, 244) im Jahre 1733, doch wird das Wort später von Lessing für Ideal verwendet. Das Wort „empfindsam“ findet sich zum erstenmal im Jahre 1768 bei Bode, dem Übersetzer von Yorick’s sentimental journey (empfindsamer Reise) von Lorenz Sterne, der es auf Lessings Rat hin anwendet. Lessing gebraucht zuerst Zartgefühl für Delikatesse, Goethe Zweigesang für Duett, ausgesprochen für prononciert, Haller Sternwarte für Observatorium usw. Simon Dach führte das Wort furchtlos in unsere Sprache ein, das noch Gottsched hart tadelte. Das Wort Sommerfrische stammt erst von Ludwig Steub; früher schrieb man dafür Villeggiatur. Adelung verwarf die Worte Sterblichkeit (für Mortalität)[5], Gemeinplatz (für locus communis)[6], die Entwickelung der Sprache hat ihm unrecht gegeben. Im 16. Jahrhundert haben namentlich Luther und Fischart die Sprache mit neuen Worten bereichert.

Fehlerhaft sind dagegen viele Neubildungen der Puristen, z. B. Zeitblick für Minute, Obstinne für Pomona, Kluginne für Pallas, Reimband für Vers, Geschichtdichtung für Roman[S. 11] u. v. a., und die Sprache hat diese rasch wieder ausgeschieden oder gar nicht aufgenommen. Tadelnswert sind namentlich auch zahlreiche Zusammensetzungen, die ohne Rücksicht auf Wohlklang und ohne Beachtung der Sprachgesetze gebildet werden, z. B. Vorwärtsmarsch (statt: Vormarsch), Rückwärtsmarsch, Beeinflußbarkeit, Außerachtlassung, Ansichreißung, Nichtbeleidiger, Helligkeitszunahme, Geltendmachung, das Nichtzustandekommen des Planes, Anbringung, Offenlassung, das Vonsichwerfen, Verächtlichmachung, Graunjammerüberwältigung (Voß), Vorzeitsfamilienmordgemälde (Platen), Feindesburgenkampferstürmer (Rückert) u. v. a. Solche und ähnliche Bildungen sind zu meiden. Schlechte Neubildungen sind auch die von Adverbien gebildeten Adjektive: hinterherig, dasig, immerfortig, schlechthinnig (Schleiermacher), jederzeitig, allerortig, solchergestaltig, letzthinnig u. a.

9. Bestimmtheit und Kürze des Ausdrucks.

a) Die Bestimmtheit des Ausdrucks besteht darin, daß durch das Wort oder den Satz scharf und genau der Begriff oder Gedanke wiedergegeben wird, der dargestellt werden soll. Die Unbestimmtheit in der Rede entspringt gewöhnlich aus dem Mangel an Klarheit und Schärfe des Denkens. Das Wort muß den Begriff genau nach Inhalt und Umfang zum Ausdrucke bringen; so darf man da, wo es auf genauen Wortsinn ankommt, nicht sagen: Gegner statt Feind, Obst statt Äpfel, Totschlag statt Mord, ganz statt alle, manche statt viele, Laub statt Blatt, Tugend statt Nächstenliebe, mäßigen statt bändigen, matt statt müde, Kälte statt Frost usw. Auch hüte man sich vor überflüssigen Zusätzen, wie gleichsam, gewissermaßen, mögen, können, dürfen, sollen u. ähnl., durch welche die Rede oft unerträglich breit wird. Namentlich fordert die Bestimmtheit, daß man alle Zweideutigkeit oder Vieldeutigkeit in der Rede meide, und daß man die sinnverwandten Wörter sorgfältig in Bedeutung und Gebrauch voneinander unterscheide.

Die Zweideutigkeit oder Vieldeutigkeit des Ausdrucks (griech. Amphibolie, lat. ambiguitas genannt) besteht darin, daß Wörter, die verschiedene Bedeutungen oder Beziehungen haben können, angewendet werden, ohne daß der Zusammenhang klar ergibt, welche Bedeutung oder Beziehung in dem betreffenden Falle gemeint sei. Die Präposition von kann z. B. bald den Urheber oder die Ursache (lat. a), bald die Person oder Sache, über welche gesprochen oder geschrieben wird (lat. de), bald ein partitives Verhältnis bezeichnen (z. B. einer von uns). Zweideutig sind daher Wendungen wie: „Wir ließen uns seltsame Dinge von ihm erzählen“ (a oder de?), „Ich habe mancherlei von ihm erfahren“; „von den Soldaten wurde einer getötet“ (a oder ex?). Verfolgen heißt[S. 12] entweder: eifrig nachstreben oder feindlich nachstellen; man sagt daher zweideutig: „Er verfolgt die Politik seines Vorgängers.“ Übersehen kann bedeuten: beherrschen oder vernachlässigen; daher ist folgender Satz zweideutig: „Der Geschäftsführer übersah mehr, als man glaubte.“ — Mehrdeutigkeiten in der Beziehung stellen sich namentlich leicht beim Gebrauch der Pronomina ein, z. B. „Der Wirt ist mit dem Nachbar und seinem Sohne fortgegangen“ (mit dem Sohne des Wirtes oder des Nachbars?). Die Zweideutigkeit in diesem Satze kann entweder durch Veränderung der Wortstellung oder durch Einführung von „dessen“ statt „seinem“ gehoben werden. Oft läßt sich eine Zweideutigkeit durch Anwendung des Pronomens derselbe (oder dieser) vermeiden. Wenn ich sage: „Der Fremde wohnte lange bei diesem Seelsorger; er hat ihm das Leben gerettet“, so bleibt unklar, wer der Retter und wer der Gerettete ist. Der Satz ist jedoch sofort völlig klar, wenn ich sage: „derselbe (oder dieser) hat ihm das Leben gerettet“ oder: „er hat demselben (oder diesem) das Leben gerettet.“ Im ersten Falle ist der Lebensretter der Seelsorger, im zweiten Falle der Fremde. Man merke über den Gebrauch des Pronomens derselbe hier die Regel: Wenn das Pronomen derselbe auf verschiedene Substantive bezogen werden kann, so ist es niemals auf das Subjekt, sondern immer auf ein anderes Satzglied zu beziehen. Demnach unterscheide man: „Mein Bruder ist zu meinem Freunde gegangen; derselbe soll mit ihm in die Stadt gehen“ und „Mein Bruder ist zu meinem Freunde gegangen, er soll mit demselben in die Stadt gehen.“ Undeutlich sind auch die Beziehungen in Sätzen wie: „Als Politiker zolle ich ihm volle Anerkennung“, „Der Verlust des Freundes schmerzt uns“, „Die Unterstützung der Mutter kam zu spät“ usw.

Sinnverwandte Wörter richtig zu gebrauchen, erfordert große Aufmerksamkeit, da die Unterschiede oft sehr fein sind. Wörter wie klug und weise, Freude, Vergnügen, Wonne und Lust, entdecken, enthüllen und entlarven, anstellig, geschickt und fähig, klettern und klimmen, verachten und verschmähen u. v. a. dürfen nicht miteinander verwechselt oder vertauscht werden. Ein feines Sprachgefühl wird durch solche Verwechselungen sehr verletzt. Durch gründliches Studium der Synonymik der Wörter und Wortformen wird diesem Stilfehler am besten vorgebeugt.[7]

b) Die Kürze des Ausdrucks besteht darin, daß zur sprachlichen Darstellung eines Gedankens nicht mehr Worte verwendet werden, als nötig sind, um diesen deutlich und wohlgefällig wiederzugeben. Jedes überflüssige Wort verletzt den gebildeten Geschmack. Als über[S. 13]flüssig ist alles anzusehen, was weder den darzustellenden Gedanken verständlicher macht, noch den besonderen Zweck der Darstellung fördert. Weitschweifigkeit und Breite des Stiles ist ein Fehler, in den namentlich die Jugend leicht verfällt. Man vermeide besonders die Tautologie und den Pleonasmus.

Die Tautologie (d. i. die Wortnämlichkeit) besteht darin, daß derselbe Begriff durch zwei gleichbedeutende Ausdrücke bezeichnet wird. Solche überflüssige Wiederholungen des Gesagten sind z. B. Er mußte notwendig verreisen; sie haben einander gegenseitig beleidigt; mein Buch, das ich mir gekauft habe; er stammelte lallend; ich bin nicht imstande, kommen zu können; er erlaubte, daß ich teilnehmen dürfte; er befahl, daß ich gehen sollte; daß du natürlich willkommen bist, versteht sich von selbst; er bezieht ein Jahrgehalt von jährlich 3000 Mark; er ist bereits schon abgereist; er ist nicht nur allein eitel, sondern auch anmaßend; er konnte nur bloß raten, aber nicht helfen; die Todesnachricht von dem Hinscheiden meines Freundes; die Lage in der Nähe des Kanals und der unfernen Eisenbahn; er wünscht, daß du heute nicht kommen mögest; das kann nicht möglich sein; die Veröffentlichung eines Gesetzes publizieren; Unantastbarkeit der Integrität der Türkei; etwas ostentativ zur Schau tragen usw. Hierher gehören auch Zusammensetzungen und Zusammenstellungen wie: Schiffsflotte, Hieranwesenheit, Examenprüfungen, Stadtpfarrprediger, Grundprinzip, Guerillakrieg (spanisch guerra = Krieg, guerilla = kleiner Krieg), vokaler Gesang, größere Majorität, mögliche Eventualität, falsche Illusion u. v. ähnl. Auch die Anhäufung von Synonymen verstößt gegen die Kürze des Ausdrucks, z. B. Er ist ein wahrer, echter und aufrichtiger Freund, der mir lieb, wert und teuer ist.

Der Pleonasmus (d. i. Wortüberfluß) ist der Tautologie eng verwandt. Er besteht darin, daß die Rede mit überflüssigen Beiwörtern überfüllt wird, oder daß Begriffe, die schon bezeichnet sind oder aus dem Zusammenhange der Rede sich ergeben, noch einmal ausgedrückt werden, z. B. ein armer Bettler, ein alter Greis, nasser Regen; er fuhr weiter fort zu reden; er hat das noch einmal wiederholt. Das Glück wollte, daß das Feuer wegen eines anhaltenden Regens, der vom Himmel fiel, nicht um sich griff (H. v. Kleist). Keine Spur verriet, daß hier jemals ein menschliches Wesen gehaust, daß dieser Boden jemals von einem menschlichen Wesen betreten worden war. Infolge eines stattgefundenen Zwistes verließ er seinen Freund usw.

Die Tautologie und der Pleonasmus sind namentlich störend in dem verstandesmäßigen Stile der Prosa, in Abhandlungen und wissenschaftlichen Darstellungen. Der rednerische und poetische Stil dagegen lassen recht wohl eine gewisse Wortfülle zu, doch sind auch[S. 14] hier alle müßigen Beiwörter und unnötigen Umschreibungen aufs strengste zu meiden; nur dann ist die Wortfülle berechtigt, wenn durch sie ein Begriff in lebendiger Weise veranschaulicht oder dem Gemüte näher gebracht und so die Schönheit der Darstellung gefördert wird. Namentlich gebraucht unsere ältere Sprache zahlreiche tautologische Formeln, die noch heute üblich und wohlberechtigt sind, z. B. Grund und Boden, Schimpf und Schande, Art und Weise, Rast und Ruh, Schutz und Schirm, Saus und Braus, Fug und Recht, Sang und Klang, hinter Schloß und Riegel, in Ketten und Banden, hoffen und harren, schalten und walten, weit und breit, still und stumm u. v. a.

Es sind jedoch nicht nur die Tautologien und Pleonasmen zu vermeiden, auch sonst ist mit Sorgfalt jedes unnötige Wort auszuscheiden. In dem Satze: „Er teilt mir mit, daß er gestern abgereist ist und heute in Berlin angekommen ist“ muß das Wort ist das erstemal weggelassen werden. Statt: „ohne Lust und ohne Ausdauer“ ist zu sagen: „ohne Lust und Ausdauer“; statt: „die Griechen, die Römer und die Phönizier“ heißt es besser: „die Griechen, Römer und Phönizier“ usw. Unerträglich weitschweifig sind Wendungen wie: „Wenn wir die letzten Dichtungen Goethes einer Betrachtung unterwerfen, so werden wir finden, daß sie vielfach den Jugendgedanken Schillers sich nähern.“ „Gehen wir nun zum zweiten Teile unserer Betrachtung über, so sehen wir usw.“ „Es dauerte nicht lange, so usw.“ „Die Germanen kämpften natürlich sehr tapfer und hätten jedenfalls gesiegt, wenn ihnen nicht das Heer des Germanicus an Zahl so sehr überlegen gewesen wäre.“ Man beherzige immer Grimms Worte: „Die Sprache ist ihrem innersten Wesen nach haushältig und zieht, was sie mit geringen Mitteln erreichen kann, jederzeit größerem Aufwande vor.“ Namentlich sage man nicht alles, was man über einen Gegenstand sagen könnte; man sei nicht schwach gegen Lieblingsgedanken und Lieblingswendungen, sondern man scheide sie unbarmherzig aus, wenn die Einheit und Schönheit der Darstellung es fordert. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“ sagt Goethe, und ähnlich Schiller: „Was er weise verschweigt, zeigt mir den Meister des Stils.“

10. Angemessenheit.

Die Angemessenheit fordert, daß die Stilart, der sprachliche Ausdruck, die ganze Haltung der Darstellung der Art der Gedanken und dem Zwecke der Darstellung genau entspreche. Erhabene und edle Gedanken dürfen nicht durch unedle und niedrige Worte entweiht werden, für eine Abhandlung oder einen einfachen Bericht darf nicht der leidenschaftliche Stil des Gefühls gewählt werden; während im rednerischen und poetischen Stile Bilder und Redefiguren von guter[S. 15] Wirkung sind, stören sie im Geschäftsstil und sind auch im didaktischen Stile möglichst zu meiden. Der Angemessenheit widerspricht es namentlich, wenn unbedeutende Gedanken mit einem großen Aufwande von Worten dargestellt werden; der Sprechende oder Schreibende gerät dadurch in leeres Phrasengeklingel, das einen widerlichen Eindruck macht, oder seine Darstellung wird schwülstig. Ein Schwall von prächtigen Wörtern, ein übertriebener Aufwand von Bildern und Figuren hat noch nie einen unbedeutenden Gedanken zu einem bedeutenden gemacht. Der Meister in der Wahl des genau entsprechenden Ausdruckes ist Goethe, und das Studium seiner Werke kann jedem, der im Ausdrucke das Rechte treffen will, nicht dringend genug empfohlen werden.

Die Forderung, unedle und niedrige Ausdrücke zu meiden, schließt man gewöhnlich in die Bezeichnung: Würde des Stiles ein. Unedel und niedrig nennt man namentlich solche Ausdrücke, die nur in den untersten Schichten des Volkes üblich sind, z. B. beschnüffeln, verrecken, herunterschmeißen, in ein Hundeloch kriechen u. a. Solche Wörter sind im guten Stile nicht anzuwenden. So sehr man sich aber auch vor plebejischer Derbheit hüten soll, so ist doch umgekehrt die allzu große Scheu vor Ausdrücken der Volkssprache nicht minder tadelnswert; denn diese führt leicht zu einem affektierten oder gezierten Stile. Mit großer Meisterschaft hat Goethe Ausdrücke der Volkssprache in seinen Dichtungen verwendet und gerade dadurch seiner Sprache volkstümliche Kraft und lebendige Anschaulichkeit gegeben, z. B. „Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag..., in jeden Quark begräbt er seine Nase“ (Faust). „Wie kunterbunt die Wirtschaft tollert, der Ameishauf durcheinander kollert“ (Hans Sachsens poetische Sendung) usw.

11. Wohllaut und Neuheit des Ausdrucks.

a) Der Wohllaut[8] beruht auf der rechten Mischung der Vokale und Konsonanten, sowie auf dem Tonverhältnisse, der Wahl und Anordnung der Worte und Sätze. Helle und dunkle, volle und weniger volle Vokale und ebenso harte und weiche Konsonanten, Lippen-, Zungen- und Gaumenlaute müssen einander ablösen, und derselbe Laut darf nicht zu oft in unmittelbarer Folge auftreten. Unangenehm klingt z. B. die Wiederholung des ie in folgendem Satze: „Das Lied gebiert ein neues Lied, das lieblich durch die Lüfte zieht“, oder die des ei und n in dem Satze: „eine einer seiner Kreaturen zugefügte Beleidigung.“ Hinsichtlich der Anordnung der Worte fordert der Wohllaut, daß Form- und Begriffswörter, betonte und unbetonte, ein- und mehrsilbige, einfache und zusammengesetzte Wörter[S. 16] wechseln. Gegen den Wohllaut verstoßen Sätze wie die folgenden: „Manche Menschen möchten ihren Freunden täglich lange Briefe schreiben“ (lauter zweisilbige Wörter). „Denn wo das Unglück wählt, wählt’s nicht den schlechtsten Mann.“ (Rückert.) „Wer ist so schön, so klug, so treu, so fromm wie du?“ (Gellert.) Die unmittelbare oder zu häufige Wiederholung desselben Wortes ist zu meiden; unschön klingt z. B. der Satz: „Hinter mir stehen Tausende, bereit mir zu folgen, die auf meinen Wink selbst in den Tod zu gehen bereit sind.“ Wenn mehrere Sätze zusammentreten, verlangt der Wohllaut gleichfalls, daß in Bau, Tonverhältnis und Stellung eintönige Gleichmäßigkeit vermieden werde (s. hierüber: Rhythmus des Satzes). — Besondere Mittel zur Hebung des Wohllautes, von denen aber nur ein mäßiger Gebrauch gemacht werden darf, wenn nicht das Gegenteil erzielt werden soll, sind die Alliteration und der Reim. Die Alliteration besteht darin, daß mehrere bedeutsame Wörter gleichen Anlaut haben, z. B.: „Roland der Ries, am Rathaus zu Bremen steht er ein Steinbild standhaft und wacht.“ In der Prosa erscheint die Alliteration namentlich in alten zweigliedrigen Redeformeln, z. B. Glück und Glas, Licht und Luft, Schirm und Schutz, Wort und Weise, Roß und Reiter, still und stumm, gäng und gäbe, ganz und gar, kurz und klein, hoffen und harren, zittern und zagen usw. Beim Reime dagegen sind die Anfangslaute verschieden, aber Mitte und Ende der Worte sind gleich, z. B. Pracht: Macht. Der Reim kann in der Prosa auch nur in bestimmten Redeformeln Verwendung finden, z. B. Gut und Blut, Weg und Steg, Schritt und Tritt, Stein und Bein (d. i. Totes und Lebendes), weit und breit, schalten und walten usw.

b) Die Neuheit des Ausdrucks besteht, abgesehen von der Neubildung der Wörter (s. hierüber 8, d), hauptsächlich darin, daß verbrauchte Redewendungen, Bilder und Modewörter gemieden werden. Solche Wendungen sind z. B. Anklang finden, aufs Tapet bringen, mit der Zeit fortschreiten, ins Leben treten, von etwas Umgang nehmen (statt: etwas umgehen), voll und ganz u. a. Bilder wie: der Zahn der Zeit, die Milch der frommen Denkungsart, die Rosen der Wangen, die Rosen und Dornen des Lebens, nach eines anderen Pfeife tanzen, der Winter des Lebens u. a. sind völlig verbraucht und wirken daher im edleren Stile nur störend. Unsere Zeit braucht ein Bild oft sehr rasch ab; man prüfe daher jede Wendung und jedes Bild genau, ob sie für eine geschmackvolle Darstellung sich noch eignen, und man suche selbst neue Wendungen und Bilder, die man am besten aus seiner eigenen Beobachtung und Erfahrung nimmt, und die sich oft ganz von selbst darbieten. Zuweilen kann man auch abgebrauchten Worten und Wendungen dadurch neues Leben einhauchen, daß man sie auf ihre sinnliche Grundbedeutung zurückführt. Dadurch erscheinen sie oft in einem überraschend neuen Lichte, wie z. B. das[S. 17] Wort Nimbus bei Goethe, wenn er sagt: „Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande, weil bei einer näheren Bekanntschaft mit dem Herrn der Nimbus von Ehrwürdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte Ferne um sie herum lügt, und dann sind sie ganz kleine Stümpfchen Unschlitt.“ Er verdeutlicht hier den Begriff Nimbus (d. i. eigentlich: Lichthof um den Kopf eines Heiligen) dadurch, daß er ihn dem Lichthof einer Laterne vergleicht.

In dem Streben nach Neuheit gehe man aber nicht zu weit; viele unserer neueren Schriftsteller überschreiten hier das rechte Maß, und ihr Stil wird dadurch unnatürlich und ungesund.

12. Anschaulichkeit und Lebendigkeit.

Die Anschaulichkeit besteht darin, daß die Begriffe und Gedanken in sinnlicher Faßlichkeit dargestellt werden. Um diese Sinnlichkeit des Ausdrucks zu erreichen, bedient man sich folgender Mittel:

a) Man wählt Worte, die noch nicht allzu abgeschliffen und verbraucht sind, sondern deren sinnliche Grundbedeutung noch von allen gefühlt wird (vgl. 11, b). Die Konkreta haben mehr sinnliche Anschaulichkeit als die Abstrakta, namentlich der poetische Stil gibt daher den ersteren den Vorzug. So ist das Wort Zügel anschaulicher als Zug und Zucht; Band anschaulicher als Bündnis usw. Ebenso ist der einfache Ausdruck sinnlich kräftiger als Ableitungen und Zusammensetzungen. Wörter wie ziehen, Zucht, Zug, Band, binden, Lust, Feind, Freund, Flucht, Schlaf usw. sind anschaulicher als: erziehen, züchtig, vorzüglich, unverzüglich, bändigen, ungebändigt, verbindlich, belustigen, feindlich, anfeinden, freundlich, befreunden, Flüchtigkeit, Schläfrigkeit usw. In den folgenden Versen von Haller ist daher die Wahl der Worte wegen des Mangels an sinnlicher Anschaulichkeit zu tadeln: „Der langen Einsamkeit gibt alles Überdruß.“ „Ihr allzustarker Trieb nach der Vollkommenheit ward endlich zum Gefühl der eignen Würdigkeit.“ — Besonders wird aber die Darstellung dadurch anschaulich, daß man statt ganz allgemeiner Bezeichnungen, wie: sein, sich befinden, werden, geschehen u. a., bestimmtere Ausdrücke wählt, welche die Art des Seins, Sichbefindens, Werdens, Geschehens usw. genauer angeben. Statt: „Der Vogel ist auf dem Baume“ sage ich anschaulicher: „Er sitzt auf dem Baume“; statt: „Das Pferd befindet sich in dem Stalle“ heißt es besser: „Das Pferd steht im Stalle“ usw. Solche Beispiele anschaulicher Darstellung sind: „Ich singe, wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet.“ Goethe. — „Dort wo der Gießbach vom Gebirg heruntertanzt mit hellem Ton, durch grüner Dämmerung Bezirk schweift wandelnd just des Waldes Sohn.“ Otto Roquette. — „Durch der Surennen furchtbares Gebirg, auf weit[S. 18] verbreitet öden Eisesfeldern, wo nur der heisre Lämmergeier krächzt, gelangt’ ich zu der Alpentrift, wo sich aus Uri und vom Engelberg die Hirten anrufend grüßen und gemeinsam weiden, den Durst mir stillend mit der Gletscher Milch, die in den Runsen schäumend niederquillt.“ Schiller. — Selbst sinnlich niedrige Ausdrücke sind durch die Anschaulichkeit, die sie gewähren, im poetischen Stile zuweilen von guter Wirkung. So gebraucht Platen in einem Gedichte, das mit einer Übertragung der Worte Vergils: Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor schließt, das Wort Knochen statt des Ausdruckes Gebeine: „Aber einst aus meinen Knochen wird ein Rächer auferstehn.“ Vgl. S. 15.

b) Man wendet Wörter an, welche die Naturlaute nachahmen (Onomatopöie oder Schallnachahmung), z. B. sausen, platzen, prasseln, rasseln, rollen, rauschen, heulen, murmeln, plätschern, rieseln, stampfen usw. Bekannt ist der Vers Ovids, in dem er das Quaken der Frösche nachahmt: „Quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant.“ Prächtige Lautmalereien enthalten die folgenden Stellen:

Näher und näher
Kam das Gekling und das Klatschen der Peitsch’ und der Pferde Getrampel.
Voß, Siebzigster Geburtstag.
Und hohler und hohler hört man’s heulen.
Schiller, Taucher.
Höre, wie’s durch die Wälder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hör, es splittern die Säulen
Ewig grüner Paläste.
Girren und Brechen der Äste!
Der Stämme mächtiges Dröhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
Im fürchterlich verworrenen Falle
Übereinander krachen sie alle,
Und durch die übertrümmerten Klüfte
Zischen und heulen die Lüfte.
Goethe, Faust.
Wenn die Räder rasselten
Rad an Rad rasch ums Ziel weg,
Hoch flog
Siegdurchglühter
Jünglinge Peitschenknall.
Goethe, Sturmlied.

c) Man gebraucht statt der abstrakten Ausdrücke bildliche Wendungen (s. hierüber: Bilder und Figuren).

Die Lebendigkeit der Darstellung zeigt sich in der Anordnung und Verbindung der Worte. Zu gleichmäßige Bildung der Sätze und zu lange Perioden machen den Stil eintönig und schleppend; mannigfacher Wechsel im Bau der Sätze ist daher ein unbedingtes[S. 19] Erfordernis des guten Stiles. Besondere Mittel zur Erhöhung der Lebendigkeit sind: die Inversion, das Asyndeton, das Polysyndeton und die Ellipse.

Unter Inversion versteht man die Abweichung von der regelmäßigen Wortfolge (vgl. I, S. 193 flg.). An Inversionen reich ist namentlich der Stil Schillers.

Das Asyndeton (vgl. I, 197) oder die Unverbundenheit besteht darin, daß die Konjunktionen zwischen einzelnen Wörtern oder Sätzen ausgelassen werden, z. B.: „Alles rennet, rettet, flüchtet, taghell ist die Nacht gelichtet.“ Schiller.

Das Polysyndeton (von πολυσύνδετος, d. i. vielfach verbunden) oder die Vielverbundenheit besteht in der mehrmaligen Wiederholung desselben Bindewortes, z. B. „Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein.“ Goethe.

Die Ellipse (von gr. ἔλλειψις, d. i. Auslassung) besteht darin, daß nur der Hauptbegriff ausgedrückt, die übrigen Satzglieder aber weggelassen werden, z. B.: „Aus meinem Angesicht, Nichtswürdiger.“ Schiller. — „Verworrene Labyrinthe — kein Ausgang — kein leitendes Gestirn.“ Schiller.

Schon aus der Wahl der Beispiele ergibt sich, daß Anschaulichkeit und Lebendigkeit vor allem Erfordernisse des poetischen Stiles sind, doch auch der einfache Stil des Verstandes kann dieser Eigenschaften nicht entbehren, obwohl bei ihm die Deutlichkeit in den Vordergrund tritt.

13. Natürlichkeit.

Natürlichkeit des Ausdruckes ist eine Hauptforderung des guten Stiles. Man erreicht sie dadurch, daß man sich bemüht, die Gedanken immer so einfach und klar wie möglich darzustellen. Man vermeide gesuchte und gezwungene Ausdrücke, geschraubte und gezierte Wendungen, wie sie sich häufig in dem Stile unserer modernen Romandichter und Unterhaltungsschriftsteller finden. Einen einfachen Begriff gebe man durch einen einzigen Ausdruck, nicht durch wortreiche Umschreibungen wieder. Bloßes rhetorisches Wortgepränge ist geschmacklos; man wende Bilder und Redefiguren nur da an, wo sie sich von selbst darbieten und wo ein gewisser Schwung der Rede es verlangt. Durch gesunde Natürlichkeit des Ausdruckes ragen namentlich Luther, Lessing und Goethe hervor.

Gegen die Natürlichkeit des Ausdruckes verstoßen z. B. Sätze wie die folgenden: „Zwei Jahre ungetrübten Glückes waren seit der Jünglinge Bekanntschaft von der flüchtigen Gegenwart der unermeßlichen Vergangenheit überantwortet worden.“ „Der Frühling des Jahres 1763 brachte bei seiner monatlichen himmlischen Gesandtschaft in dem grünen Kabinette der Erde nicht nur die himmlischen Geschenke mit, als da sind die chinesische Blumenmalerei der Natur, die echten Gobelins der[S. 20] lebendigen Hecken, die Jaspisteppiche der Fluren, die breiten Gnaden- und Ordensbänder der lauteren Ströme, die Flötenuhren der Waldkehlen usw., sondern er brachte zugleich in der kleinen Wiege Jean Pauls den Dragoman aller dieser himmlischen Geschenke mit, und durch seine Zunge wurde uns die Sendung aller Frühlinge heiliger, himmlischer.“

[2] Eine große Zahl guter Verdeutschungen enthält das treffliche „Wörterbuch von Verdeutschungen entbehrlicher Fremdwörter“ von Herm. Dunger (Leipzig 1882), das nicht dringend genug empfohlen werden kann, sowie das Verdeutschungswörterbuch von Otto Sarrazin (3. Aufl. Berlin 1906). Erklärung und Verdeutschung der Fremdwörter zugleich bietet Heyses Fremdwörterbuch, neu bearbeitet von O. Lyon (18. Aufl. Hannover, Hahn, 1903).

[3] Wer sich weiter über diesen Gegenstand unterrichten will, sei hier namentlich auf Brandstäters Buch über die Gallizismen in der deutschen Sprache verwiesen, das jedoch häufig über das Ziel hinausschießt.

[4] So sagt Adelung: „Düster wird nur in den gemeinen Mundarten, besonders Ober- und Niedersachsens, für dunkel, finster gebraucht. Es ist der edlern und höhern Schreibart unwürdig.“ Adelungs Wb. I, 1622. Von dröhnen urteilt er ähnlich; dreist läßt er nur mit gewissen Einschränkungen zu. Über staunen sagt er: „Nach dem Beispiele Hallers und einiger anderer neuerer schweizerischer Schriftsteller ist es auch von den Hochdeutschen in der höheren Schreibart wieder eingeführt worden“, a. a. O. IV, 313. Von den beiden Wörtern Schrank und Schrein läßt er nur Schrank für die Schriftsprache gelten und bezeichnet Schrein als ein im Hochdeutschen ungewöhnliches, nur noch in einigen Provinzen übliches Wort. a. a. O. III, 1641 u. 1654 usw.

[5] Wörterbuch IV, 355.

[6] a. a. O. II, 552 unter Gemeinort.

[7] Namentlich auch die stilistische Seite der Synonymik ist berücksichtigt in „Eberhards synonymischem Handwörterbuche der deutschen Sprache“, neu bearbeitet von O. Lyon. 16. Aufl. Leipzig 1904.

[8] Einige Stilistiker, z. B. Wackernagel, Becker, scheiden Wohllaut und Wohlklang; wir fassen beides unter der Bezeichnung Wohllaut zusammen.

B. Bilder und Figuren.

14. Der Gebrauch bildlicher Ausdrücke.

Für den Gebrauch bildlicher Wendungen gelten folgende Regeln:

a) Die Bilder müssen wahr sein, d. h. sie müssen erstens mit dem übereinstimmen, was wir von den als Bildern verwendeten Dingen wissen, und sie dürfen zweitens nicht untereinander in Widerspruch stehen. Wenn jemand schriebe: „Der Ruhm dieses Mannes ging wie der Polarstern auf und nieder“ oder: „Die Parze knickte den Stengel seines Lebens“, so würden diese Bilder, da sie nicht mit dem übereinstimmen, was wir von dem Polarstern und den Parzen wissen, einen unangenehmen Eindruck hervorrufen. — Den zweiten Fehler gegen die Wahrheit der bildlichen Wendungen nennt man Katachrese (d. i. Mißbrauch). Die Katachrese besteht darin, daß ein Gedanke durch verschiedene Bilder dargestellt wird, die einander widersprechen, z. B.: „Ich sah die Bronnen rauschen der Ewigkeit um mich.“ Rückert. „Mit leisem Tritte schlüpfte ein weiblicher Fuß ins Zimmer und löschte mit eigener Hand die Kerzen.“ Phil. Galen. „Wir wollen diese brennende Frage nicht erschöpfen“ usw. Die Katachrese beleidigt sowohl den Verstand, als auch die Anschauungskraft; man hüte sich daher, aus dem Bilde herauszufallen.

Anmerkung. In der höheren Sprache der Dichtung, namentlich wenn Kühnheit und Schwung der Darstellung gefordert wird, ist der Übergang aus einem Bilde in das andere nicht unbedingt zu verwerfen (vgl. hierüber Vischer, Ästhetik III, Abschnitt 2, 1230). Vollkommen tadellos ist z. B. der Bilderwechsel in Schillers Lied an die Freude: „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium.“ Derselben Beurteilung unterliegen zahlreiche Stellen in Shakespeares Dichtungen. Hier zeigen uns die wechselnden Bilder den Gegenstand von verschiedenen Seiten.

b) Die Bilder müssen leicht verständlich und nicht zu weit hergeholt sein. Wenn in orientalischen Dichtungen die Schlacht Lanzenmesse, das Schwert Lebensräuber genannt wird, so sind diese Bilder nicht schön, weil sie schwer zu enträtseln sind. Zu gesucht ist es, wenn Kleist die Dünste als „die Augenlider, die jetzo das Auge des Weltkreises deckten“ bezeichnet, oder wenn Klopstock das stürmische Meer ein „gebirgiges Meer“ nennt. Namentlich Jean Paul hat sehr viele schwerverständliche und gesuchte Bilder.

[S. 21]

c) Die Bilder müssen edel, neu und angemessen sein. (Vgl. hierüber S. 15. 16.)

d) Die Bilder müssen treffend sein und mehr sagen, als der gewöhnliche Ausdruck; z. B.: „Wenn der Stamm zum Himmel eilet, sucht die Wurzel still die Nacht.“ Schiller. — „Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubiges Gitter sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein. Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald gibt überraschend des Tages blendendem Glanz mich zurück.“ Schiller.

e) Die Darstellung darf nicht mit Bildern überladen werden. Durch eine solche Überladung wird der Stil schwülstig und unnatürlich. (Vgl. S. 13. 19.)

15. Die Bilder oder Tropen.

Die Alten unterschieden Tropen und Figuren, und es soll der Übersichtlichkeit wegen diese Einteilung hier beibehalten werden, obwohl die schaffende Phantasie des Dichters einen solchen Unterschied nicht kennt.

Der Tropus oder die Trope (d. i. Wendung, griech. τρόπος, lat. tropus, von griech. τρέπειν, wenden) bezeichnet die Wendung des Ausdrucks vom Gewöhnlichen und Eigentlichen zum Bildlichen und Uneigentlichen. Die Tropen verändern die Vorstellung und mit ihr den Ausdruck, die Figuren dagegen nur den Ausdruck, nicht die Vorstellung; die Tropen verleihen der Rede Anschaulichkeit, die Figuren erhöhen die Lebendigkeit derselben. Wenn Calderon den Bach eine silberne Schlange nennt, so wird die gewöhnliche Vorstellung mit einer anderen, ungewöhnlicheren vertauscht und mit der Vorstellung zugleich der Ausdruck; diese Bezeichnung ist daher ein Tropus. Wenn dagegen Rückert vom Wasserfall sagt: „Er rauscht und rauscht und rauscht, die Gegend hört ihn rauschen“, so bleibt die Vorstellung unverändert, es wird nur derselbe Begriff und derselbe Ausdruck mehrmals wiederholt, wir haben es hier also mit einer Figur zu tun.

Man unterscheidet folgende Tropen:

a) die Vergleichung veranschaulicht den Gegenstand durch ein Bild und stellt Bild und Gegenstand nebeneinander. Das Bild besteht entweder nur in einem Worte oder Satze, z. B. er kämpfte wie ein Löwe; „dem dürren Laube gleich verwehten meine Träume“ (Freiligrath); oder es ist weiter ausgeführt, z. B.:

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
Goethe.

[S. 22]

b) Die Metapher (d. i. Übertragung) setzt das Bild statt des Gegenstandes, ist also gleichsam eine abgekürzte Vergleichung. Die Vergleichung sagt: „Der Wein ist wie flüssiges Gold“, die Metapher: „Der Wein ist flüssiges Gold.“ Die Metapher gibt dem Ausdruck Adel, Würde und Neuheit, und die Sprachgewalt eines Dichters oder Schriftstellers offenbart sich am deutlichsten in der Fähigkeit, treffende Metaphern zu bilden. Beispiele: Hör’, es splittern die Säulen ewig grüner Paläste. Goethe. Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder. Schiller. Ein Tropfen Haß, der in dem Freudenbecher zurückbleibt, macht den Segenstrank zu Gift. Schiller. Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß. Goethe. — Man unterscheidet substantivische, adjektivische und verbale Metaphern. Substantivische Metaphern sind: Haupt des Staates, Schiff der Wüste, Segler der Lüfte (Wolke), Kinder im Walde verirrt und bedeckt mit Blättern im Schlummer (die Blumen), schlafendes Sonnenlicht (der Mond), Hefe des Volkes usw. Adjektivische Metaphern: eine schwarze Seele, der blasse Neid, der süße Schlaf, die goldenen Himmelsfrüchte, die goldene Sonne, ein hartes Herz usw. Verbale Metaphern: die Sonne blickt durch der Zweige Grün; die Woge bäumt sich am Gestade; die Täler singen und die Höhen schweigen, die Tannen schauern in der Felsenkluft usw.

Wie die Vergleichung kann auch die Metapher weiter ausgeführt werden, sie wird dann zur Allegorie (von ἀλληγορέω, d. h. etwas anders sagen, als der eigentliche Sinn verlangt). Der Satz: „Die Dichtung war zu Rom eine ausländische Blume“ enthält eine Metapher; fügt man hier zu dem Bilde Blume noch weitere sinnliche Beziehungen hinzu (z. B. Same, Garten, Wachstum, Blüte usw.), so erhält man eine Allegorie. So sagt Herder: „Die römische Dichtkunst war aus griechischem Samen in den Garten eines Kaisers verpflanzt, wo sie als schöne Blume dastand und blühte.“ Beispiele: Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen. Schiller. In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling, still, auf gerettetem Boot, treibt in den Hafen der Greis. Schiller.

c) Die Metonymie (d. i. Umnennung, Vertauschung des Namens) setzt wie die Metapher einen Gegenstand für den anderen, aber nicht wie die Metapher wegen der Ähnlichkeit, sondern wegen der natürlichen und nahen Verbindung, in der die Gegenstände miteinander stehen. Die Metonymie nimmt Rücksicht auf:

α) das Raum- oder Zeitverhältnis. Man setzt den Ort statt dessen, was sich an demselben befindet, oder den Zeitraum statt derer, die in demselben leben, z. B.: „Ganz Rom geriet in Erregung“ (statt: alle Römer); „bei Abendglockenläuten ging die Natur zur Ruh“ (statt: die Geschöpfe). „So fordr’ ich mein Jahrhundert in die Schranken“ (statt: die Menschen).

[S. 23]

β) das Kausalitätsverhältnis. Man vertauscht Ursache und Wirkung, z. B.: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ (statt: Kummer). „Aus der Wolke quillt der Segen“ (statt: Regen). „Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzt“ (statt: Bäume). Oder man setzt für die Verrichtung das Werkzeug, z. B. Schwert (statt: Krieg), Pflug (statt: Ackerbau). „Der Degen hat den Kaiser arm gemacht, der Pflug ist’s, der ihn wieder stärken muß.“ Schiller.

γ) das Stoffverhältnis. Man setzt den Stoff statt der Sache, die daraus verfertigt ist, z. B. Eisen (statt: Schwert), Stahl (statt: Dolch), Blei (statt: Kugel), Eisen (statt: Fessel) usw. „Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein die schimmernde Wolle, den schneeichten Lein.“ Schiller.

δ) das Symbolverhältnis.[9] Man setzt das sinnliche Zeichen statt des abstrakten Begriffes, der dadurch bezeichnet wird, z. B. Lorbeer (für Sieg, Ruhm), Zepter, Krone (statt: Herrschaft, Regierung), Ölzweig (statt: Frieden) usw. „Ist denn die Krone ein so einzig Gut?“ Schiller.

d) Die Synekdoche (eigentlich: das Mitverstehen) ist genau genommen nur eine Unterart der Metonymie. Sie setzt statt des Allgemeinen das Besondere, z. B. den Teil für das Ganze: Dach (für Haus), Mast oder Kiel (für Schiff), Welle (für Meer), Brot (für Nahrung) usw.; oder das einzelne statt der Vielheit: „Freiheit liebt das Tier der Wüste“ (Schiller); oder die bestimmte Zahl für die unbestimmte: „O daß ich tausend Zungen hätte“ usw.

e) Die Prosopopöie (d. i. Vermenschlichung) oder Personifikation stellt leblose Dinge oder abstrakte Begriffe als lebende Wesen dar. Viele Metaphern sind zugleich Prosopopöien, z. B.: Die Sonne verbirgt sich, der Winter kommt, die Natur schläft, der Himmel lacht herab, die Erde dürstet nach Regen, der Sturm heult oder brüllt, die Wolken fliehen, der Strom zürnt usw. Unter Prosopopöien im engeren Sinne versteht man aber weiter ausgeführte Darstellungen dieser Art, z. B.:

Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehn,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
Und möchte vor Lust vergehn.
Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren
Und läßt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.
Geibel.

[S. 24]

Erzittre Welt, ich bin die Pest,
Ich komm’ in alle Lande,
Und richte mir ein großes Fest,
Mein Blick ist Fieber, feuerfest
Und schwarz ist mein Gewande.
Ich komme von Ägyptenland
In roten Nebelschleiern,
Am Nilusstrand im gelben Sand
Entsog ich Gift dem Wüstenbrand
Und Gift aus Dracheneiern.
Hermann Lingg.

f) Die Allusion oder Anspielung bringt einen Begriff dadurch zu lebendiger Anschauung, daß sie auf bekannte Zustände, Tatsachen und Begebenheiten hindeutet, z. B. er hat eine Herkulesarbeit vollbracht, eine Sisyphusarbeit, Hiobsgeduld, ein salomonisches Urteil, lakonische Kürze usw. „Ich werde hinter diesen Wolf im philosophischen Schafspelz Hunde zu bringen wissen, die ihn zausen sollen.“ Lessing. — Hierher gehört auch die Bezeichnung von Personen durch Hinweis auf geschichtliche Ereignisse oder besondere Eigentümlichkeiten, wenn man z. B. jemand einen Homer, einen Spartaner, einen Epikuräer, einen schönen Ort ein Paradies oder Elysium, ein reizendes Tal ein Tempe usw. nennt, oder wenn man statt Pindar sagt: der dirkäische Schwan, statt Menelaus und Agamemnon: die beiden Atriden, statt Dresden: Elbflorenz usw. — Die Allusion muß immer verständlich sein, und es ist tadelnswert, wenn auf Vorgänge angespielt wird, die nicht allgemeiner bekannt sind, wie das namentlich Jean Paul tut, der viele seiner Anspielungen erst durch Anmerkungen erläutern muß.

g) Die Periphrase oder Umschreibung besteht darin, daß eine Person oder Sache oder eine Tätigkeit nicht mit dem gewöhnlichen einfachen Ausdrucke, sondern durch Aufzählung einzelner Merkmale oder Wirkungen u. ähnl. bezeichnet wird, z. B.:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Goethe.
Von dem ich Ehre und irdisches Gut
Zu Lehen trage und Leib und Blut
Und Seele und Atem und Leben. (d. i. alles.)
Schiller.

Die Umschreibung ist nur mit Vorsicht anzuwenden, da sie leicht zu Weitschweifigkeit und Undeutlichkeit führt. Völlig geschmacklos sind namentlich Ramlers Periphrasen, der z. B. die Schlittschuhe in folgender Weise umschreibt: „Schuhe von Stahl, worin der Mann der freundlichen Venus (Vulkan) der Blitze Geschwindigkeit barg“ u. ähnl.

[S. 25]

16. Die Figuren.

Die Figuren dienen nicht, wie die Tropen, dazu, der Rede größere Anschaulichkeit zu verleihen, sondern sie sind nur Wort- und Gedankenstellungen, welche die Lebendigkeit der Darstellung erhöhen. Man teilt die Figuren gewöhnlich in grammatische und rhetorische (Sinnfiguren). Die grammatischen Figuren beziehen sich nur auf die Stellung und Betonung der Worte und auf die äußere Form der Sätze, während die rhetorischen Figuren die Verhältnisse der Gedanken betreffen.

I. Grammatische Figuren.

a) Der Ausruf, als Ausbruch der Leidenschaft, z. B.: Furchtbares Schicksal! Schiller. — Was für ein Anblick! Welch ein Wiedersehen! Schiller.

b) Die Frage, als Ausdruck des Zweifels, der Verneinung oder einer lebhaften Gemütsbewegung, z. B.: Gibt es keinen Gott? Was? Dürfen in seiner Schöpfung Könige so hausen? Schiller. — Wann werdet ihr Poeten des Dichtens einmal müd? Anastasius Grün. — Kann ich Armeen aus der Erde stampfen? Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand? Schiller.

c) Die Anrede oder Apostrophe (d. i. Wegwendung, nämlich von der Sache zur Person), z. B.: Darauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau. Voß. — Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten Triften, ihr traulich stillen Täler, lebet wohl. Schiller.

d) Das Asyndeton. (Vgl. S. 19.)

e) Das Polysyndeton. (Vgl. S. 19.)

f) Die Ellipse. (Vgl. S. 19.)

g) Die Aposiopese (d. i. Verschweigung). Während bei der Ellipse nur das Wichtige genannt, das minder Wichtige weggelassen wird, besteht die Aposiopese umgekehrt darin, daß nur das minder Wichtige ausgesprochen, die Hauptsache aber verschwiegen wird, z. B.: „Dich schützt dein Wappenrock, sonst solltest du —“ Schiller. „Wer hier wagt zu mucken —“ Herder.

h) Die Inversion. (Vgl. S. 19.)

i) Das historische Präsens. In lebendiger Erzählung bedient sich der Schriftsteller zuweilen statt des Imperfekts des Präsens, z. B.: Und schaudernd dacht’ ich’s, da kroch’s heran, regte hundert Gelenke zugleich, will schnappen nach mir; in des Schreckens Wahn lass’ ich los der Koralle umklammerten Zweig; gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben. Schiller.

k) Die Anakoluthie (d. i. Zusammenhangslosigkeit) besteht darin, daß die Konstruktion eines Satzes nicht dem Anfange ent[S. 26]sprechend fortgeführt wird, so daß die Mitte oder das Ende des Satzes mit dem Anfange grammatisch in Widerspruch tritt, z. B.:

Wie wenn auf einmal in die Kreise
Der Freude mit Gigantenschritt
Geheimnisvoll nach Geisterweise
Ein ungeheures Schicksal tritt;
Da beugt sich jede Erdengröße
Dem Fremdling aus der andern Welt,
Des Jubels nichtiges Getöse
Verstummt, und jede Larve fällt,
Und vor der Wahrheit mächt’gem Siege
Verschwindet jedes Werk der Lüge:
So rafft von jeder eitlen Bürde,
Wenn des Gesanges Ruf erschallt,
Der Mensch sich auf zur Geisterwürde
Und tritt in heilige Gewalt.

Da die Anakoluthe gegen die strenge Sprachrichtigkeit verstoßen, so sind sie nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Tadelnswert sind in prosaischer Rede namentlich Anakoluthe, die darin bestehen, daß ein als Nebensatz begonnener Satz in der Form eines Hauptsatzes zu Ende geführt wird, z. B.: „Sie wissen, daß, wenn die Vestalinnen im alten Rom einem Verbrecher begegneten, so hatten sie das Recht, ihn zu begnadigen“ (statt: daß sie das Recht hatten usw.). Heine. — In der Poesie dagegen ist ein Anakoluth oft von sehr guter Wirkung, weil hier große Innigkeit oder Leidenschaftlichkeit des Gefühls das Herausfallen aus der Konstruktion, das Aufgeben des strafferen Satzbaues erklärlich macht.

l) Die Wiederholung. Einzelne Wörter oder Satzabschnitte werden wiederholt, um den Begriff hervorzuheben oder dem Ausdruck größere Innigkeit zu verleihen. Das wiederholte Wort trägt immer den Hauptton, z. B.: lieber, lieber Freund! — Der Tod, der Tod ist mein Gewinn. Bürger.Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit klingt ein Lied mir immerdar. Rückert. — Nicht möcht’ ich deinen Geist in Sünden töten, nein, Gott verhüt’s! nicht deine Seele töten. Shakespeare.

Anmerkung. Gelehrte Spielerei hat hier nach der Stellung, die das wiederholte Wort im Satze einnimmt, viele Arten der Wiederholung unterschieden, und zwar folgende: 1. Anaphora, d. i. Wiederkehr desselben Wortes oder derselben Wendung am Anfange mehrerer aufeinanderfolgender Sätze, z. B.: Sei mir gegrüßt, mein Berg, mit dem rötlich strahlenden Gipfel! Sei mir, Sonne, gegrüßt, die ihn so lieblich bescheint! Schiller. — 2. Epiphora (bei Quintilian epistrophe), d. i. Wiederholung am Schlusse mehrerer aufeinanderfolgender Sätze, z. B.: Wie sollt’ es mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich noch diese Zuflucht in Europa bliebe! Wenn sie durch ihn es bliebe! Schiller. — 3. Epanalepsis, d. i. Wiederholung der den Satz beginnenden Wendung am Schlusse, z. B.:[S. 27] Weinet um mich, ihr Kinder des Lichts! er liebt mich nicht wieder, ewig nicht wieder, ach, weinet um mich! Klopstock. — 4. Anadiplosis, d. i. Wiederholung eines den Satz beendenden Wortes am Anfang des folgenden, z. B.: Nicht der Frühling kann dir’s geben, geben mußt dem Frühling du. Rückert. — 5. Epanodos (d. i. Rückweg). Die wiederholten Worte stehen in umgekehrter Folge, z. B.: Ihr seid müßig, müßig seid ihr. Luther. — 6. Epizeuxis, die unmittelbare Wiederholung desselben Wortes oder Satzes, z. B.: So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt. Geibel. Ach wie liegt so weit, ach wie liegt so weit, was mein einst war. Rückert. — 7. Symploke, die Verflechtung mehrerer Arten der Wiederholung, z. B.: Laß mich weinen, an deinem Herzen heiße Tränen weinen (Epiphora), du einz’ger Freund. Ich habe niemand, niemand (Epizeuxis), auf dieser großen weiten Erde niemand (Epiphora). Schiller. — 8. Polyptōton, die Wiederholung eines Wortes in verschiedenen Flexionsformen, z. B.:

Aber der Hörenden floß die schmelzende Trän’ auf die Wang’ hin;
So wie der Schnee hinschmilzt auf hochgescheitelten Bergen,
Welchen der Ost hinschmelzte, nachdem ihn geschüttelt der Westwind,
Daß von geschmolzener Nässe gedrängt abfließen die Bäche:
Also schmolz in Tränen der Gattin liebliches Antlitz.[10]
Voß, Odyssee.

9. Annominatio, die Nebeneinanderstellung mehrerer Wörter, die zu demselben Stamm gehören, z. B.: Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir. Goethe. Schreibend schreibt er im Schreiben geschriebene Schriften der Schreiber. Voß. — 10. Antanaklasis, Wiederholung des Wortes in anderer Bedeutung, z. B.: Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist gewiß nicht von den Besten.

II. Sinnfiguren.

a) Das schmückende Beiwort (Epitheton ornans) ist ein adjektivisches Attribut, das in sinnlich anschaulicher Weise eine Eigenschaft des substantivischen Begriffs hervorhebt, z. B.: Dich begrüß’ ich in Ehrfurcht, prangende Halle, dich, meiner Herrscher fürstliche Wiege, säulengetragenes herrliches Dach. Schiller. — Wir bewohnen ein glückliches Land, das die himmelumwandelnde Sonne ansieht mit immer freundlicher Helle. Schiller. — Sieh, die mondbestrahlte Fläche schlägt es mit den leichten Füßen! Freiligrath. — Die Epitheta müssen immer charakteristisch sein, sonst sinken sie zu müßigen Attributen herab, die, statt die Lebendigkeit der Darstellung zu erhöhen, den Stil unerträglich platt und weitschweifig machen. Nichtssagend und daher unschön sind namentlich die Beiwörter in den Alexandrinern der Dichter des siebzehnten und der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, z. B.:

[S. 28]

Dort fliegt ein schwerer Stein nach dem gesteckten Ziele,
Von starker Hand beseelt, durch die zertrennte Luft:
Dort fliegt ein schnelles Blei in die entfernte Weiße,
Hier rollt ein runder Ball in dem bestimmten Gleise
Nach dem erwählten Zweck mit langen Sätzen fort.
Haller.

b) Die Steigerung (Klimax, Gradation) besteht darin, daß die Begriffe so angeordnet werden, daß durch den nachfolgenden der vorhergehende überragt wird, z. B.: Tapfer ist der Löwensieger, tapfer ist der Weltbezwinger, tapfrer, wer sich selbst bezwang. Herder. — Eine schöne Menschenseele finden ist Gewinn, ein schönerer Gewinn ist sie erhalten, und der schönst’ und schwerste, sie, die schon verloren war, zu retten. Herder.

O lieber als dem Grafen mich vermählen
Heiß von den Zinnen jenes Turms mich springen,
Da gehn, wo Räuber streifen, Schlangen lauern,
Und kette mich an wilde Bären fest,
Birg bei der Nacht mich in ein Totenhaus
Voll rasselnder Gebeine, Moderknochen
Und gelber Schädel mit entzahnten Kiefern,
Heiß in ein frischgemachtes Grab mich gehn
Und in das Leichentuch des Toten hüllen.
Shakespeare.

c) Der Gegensatz (Antithese) stellt Begriffe, die sich logisch gegenüberstehen, in parallelen Satzgliedern einander entgegen, z. B.: Ein Gott bist du dem Volke worden, ein Feind kommst du zurück dem Orden. Schiller. — Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt. Goethe. — Durch glänzende Antithesen zeichnet sich namentlich Schillers Stil aus. — Unterarten des Gegensatzes sind das Oxymoron und das Paradoxon. Das Oxymoron (ὀξύμωρον, von ὀξύς gescheit und μωρός dumm) stellt zwei einander widersprechende Begriffe in einer Wortverbindung zusammen, z. B.: lebendige Leiche (Gottschall, Mazeppa), süßer Schmerz, bittre Freude, beredtes Schweigen, schmerzlicher Genuß, erquickender Verdruß usw. Das Paradoxon (d. i. das Unerwartete) ist ein Gedanke, der mit dem, was nach dem Vorhergehenden erwartet wird, oder mit dem, was die gewöhnliche Vorstellungsweise annimmt, in Widerspruch steht, z. B.: Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und würd’ er in Ketten geboren. Schiller. — Den Kaiser will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben. Schiller.

d) Die Ironie (d. i. Verstellung) sagt das Gegenteil von dem, was sie meint, z. B.: Mit der Axt hab’ ich ihm’s Bad gesegnet. Schiller. Ein Muster der Ironie ist die Rede des Antonius in Shakespeares Julius Cäsar, 3. Akt. Als Meister der Ironie zeigen sich namentlich Rabener (in seinen Satiren) und Jean Paul. —[S. 29] Den mit Hohn verbundenen, bitteren und tief verletzenden Spott nennt man Sarkasmus (d. i. Zerfleischung).

e) Der Euphemismus setzt für etwas Anstößiges oder Gefürchtetes das entgegengesetzte Gute. So nannten die Griechen die Erinyen Eumeniden, d. h. die Gnädigen, die Römer nannten die Todesgöttinnen Parzen, d. i. die Schonenden. Euphemismen sind auch die Umänderungen heiliger und anderer Namen in Schwüren und Ausrufungen, wodurch der Mißbrauch derselben verhüllt werden soll, z. B.: Potz Blitz! (statt: Gottes Blitz!) Potz Wetter! (statt: Gottes Wetter!) Der Tausend! (statt: der Teufel!) Potztausend! (statt: Gottes Teufel!) usw.

f) Die Litotes (d. i. Kleinheit) oder Verkleinerung besteht darin, daß ein geringerer Ausdruck gesetzt wird, als der Gedanke in Wahrheit verlangt, z. B.: Du hast deine Aufgabe nicht übel (statt: ausgezeichnet) gelöst. Du wirst nicht eben erfreut sein (statt: du wirst in große Betrübnis versetzt werden) usw.

g) Die Hyperbel (d. i. eig. Überschwang, Übertreibung) vergrößert die Dinge über die sinnliche Wahrheit hinaus, z. B.: Mein Herz ist heiß, es könnt’ ein Dolch drin schmelzen, wenn ich ihn jetzt ins Herz mir stieße. Hamerling. — Denn alle Fürstenthrone, aufeinandergestellt, bis zu den Sternen fortgebaut, erreichten nicht die Höhe, wo sie steht in ihrer Engelsmajestät. Schiller. Jungfr. v. Orl.

h) Die Onomatopöie. (Vgl. S. 18.)

17. Bedeutung der Tropen und Figuren für den Stil.

Hinsichtlich der Tropen und Figuren pflegt noch jetzt ein doppelter Irrtum zu herrschen, der nicht entschieden genug bekämpft werden kann. Einmal meint man nämlich, unsere deutsche Sprache habe die Tropen und Figuren erst der griechischen und römischen Sprache entlehnt und habe die Fähigkeit, Tropen und Figuren zu bilden, erst durch diese Sprachen erhalten. Man verwechselt hier, wie so oft, die Namen mit der Sache. Nur die Namen, die gelehrten Bezeichnungen haben wir zum Teil der griechischen und römischen Sprache entlehnt; die Sache selbst, der Drang, die Rede sinnlich anschaulich und lebendig zu gestalten, war unserem Volke von jeher eigen und ist nicht erst von außen in dasselbe verpflanzt worden. Man kann noch heute im Volke täglich Tropen und Figuren hören, von denen niemand behaupten wird, daß sie erst von den Alten entlehnt seien. Wenn eine Mutter zu dem Kinde sagt: „Du hast den Wein halb verschüttet“ (wo doch nur einige Tropfen verschüttet worden sind), oder: „Ich habe es dir schon hundertmal gesagt, aber du hörst nicht“ (wo sie es vielleicht zwei- oder dreimal gesagt hat) usw., so sind das Hyperbeln im eigentlichsten Sinne des Wortes,[S. 30] oder wenn jemand sagt: „Diese Frau ist die leibhaftige Güte, die reine Güte; dieser Mann ist die verkörperte Ehrlichkeit“ u. ähnl., so bedient er sich der Form der Prosopopöie ebensogut wie der, welcher sagt: „Sie ist die personifizierte Güte.“[11]

Das andere Mal ist man der Meinung, daß die Tropen und Figuren zur Ausschmückung der Rede dienten. Auch das ist nicht richtig. Sie dienen vielmehr dazu, der Rede sinnliche Kraft und Lebendigkeit zu geben, und sie dürfen daher nicht äußerlich, wie Schmuckstücke, zusammengesucht werden, sondern sie müssen mit Notwendigkeit aus der Darstellung selbst erwachsen. Man mache es sich daher zum Gesetz, niemals Tropen und Figuren anzuwenden, wo nicht innere Notwendigkeit dazu drängt. Ebenso vermeide man die Nachbildung römischer und griechischer Tropen und Figuren, vielmehr nehme man sie immer möglichst aus seiner eigenen Beobachtung und Erfahrung oder entlehne sie deutschen Vorbildern. Wer diese Vorschriften streng befolgt, der wird bald bemerken, daß sein Stil an natürlicher Kraft und Schönheit gewinnt, während er im entgegengesetzten Falle in widerwärtige Künstelei und stelzbeinige Hohlheit verfällt.

[9] Ich entnehme diesen Ausdruck Wackernagel, der zuerst die Metonymie mit größerer Klarheit dargestellt hat, als es gewöhnlich geschieht.

[10] Eine gute Nachbildung des griechischen Originals, in dem der Begriff τήκειν, schmelzen, in den Formen τήκειο, κατατήκετο, κατέτηξεν, τηκόμενος, τήκετο wiederkehrt.

[11] Es sei hier auf Rudolf Hildebrands ausgezeichnete Schrift: „Vom deutschen Sprachunterricht in der Schule und von deutscher Erziehung und Bildung überhaupt“, 7. Aufl., S. 103 flgg., 122 verwiesen, die zahlreiche Beispiele dieser Art behandelt.

C. Stilistik des einfachen Satzes.

18. Wortbildung.

Die Lautgestalt der Worte erscheint im Zusammenhange der Rede oft verändert; namentlich das tonlose e fällt oft am Ende, häufig auch in der Mitte eines Wortes aus. Der Abfall eines Lautes am Ende eines Wortes heißt Apokope, der Ausfall in der Mitte eines Wortes Synkope.

Die Apokope. Viele Wörter haben doppelte Formen, mit e und ohne e, z. B.: Gebirg und Gebirge, Gebild und Gebilde, Ochs und Ochse usw. (vgl. hierüber I, 142). Man hat hier die Freiheit, je nachdem der Rhythmus des Satzes oder der Wohllaut es erfordert, von der einen oder anderen Form Gebrauch zu machen. Von den Wörtern Herr, Gesicht, Gerücht, Gewächs, Narr und einigen anderen gelten in der Schriftsprache jedoch nur die kürzeren Formen, während in der Mundart das auslautende e noch vorkommt. — Oft fällt das e im Dativ Singularis ab, z. B.: dem König, dem Monat, dem Schicksal, dem Reichtum, dem Jüngling u. a. Dieses Dativ-e ist jedoch möglichst beizubehalten, nur die Nachsilben el, er, en, chen und lein dulden keine e hinter sich. Am häufigsten fällt es sonst ab, wenn Substantiva ohne den Artikel[S. 31] mit Präpositionen verbunden sind, z. B.: von Kind auf, mit Weib und Kind, von Tag zu Tag, von Haus und Hof u. a. Auch vor einem Worte, das mit einem Vokal beginnt, fällt das Dativ-e besser weg. — Auch viele Adverbien dulden den Abfall des e; so kann man sagen: fern und ferne, gern und gerne, beinah und beinahe, früh und frühe, bang und bange, behend und behende, nah und nahe usw., aber nur: bald (nur noch dichterisch: balde), zurück, sehr, oft, schön, grün u. a. Das Adverbium der Zeit lange darf nicht gekürzt werden. Über heut und heute s. I, 240, Anm. 1. — Der Imperativ der Verben kann mit e oder ohne e gebildet werden, z. B.: schreib oder schreibe, geh oder gehe, steh oder stehe usw. Die Verben jedoch, die in der 1. Pers. Sing. Präs. e haben, ihren Imperativ aber mit i bilden, z. B.: sprich, iß, nimm u. a., haben im Imperativ niemals das auslautende e.[12] Bei den schwachen Verben erhält die Form auf e den Vorzug, z. B.: lobe, rede, melde usw.; die Verben auf el und er haben nur die Form auf e, z. B.: handle, wandle, wandre u. a.

Die Apokope wird namentlich in poetischer Sprache angewendet, wo sie besonders dazu dient, den Hiatus zu beseitigen. Unter Hiatus versteht man das Zusammentreffen zweier Vokale, von denen der eine als Auslaut, der andere als Anlaut eines Wortes steht, z. B.: sei eifrig, bau auf usw. Im allgemeinen gilt hier die Regel, daß die Apokope nur dann eintreten kann, wenn der nachfolgende Anlautsvokal unbetont ist, z. B.: Gottes Gnad’ und Vatergüte, Hab’ und Gut, laß deine Klag’ erschallen.[13] Dagegen sind Apokopen wie die folgenden unzulässig: Er erhalt’ Antwort, der gräßlich’ Aufruhr usw. Doch kann zuweilen nach unbetonten Verben die Apokope auch vor betonten Vokalen eintreten, z. B.: Und ich mußt’ Andacht heucheln, konnt’ alles dort erschauen usw. Die Flexionsendungen der Adjektive dürfen nicht durch Apokope getilgt werden, also nicht: die schön’ Erscheinung, die neu’ Erfindung, die bang’ Erwartung usw. Überhaupt darf die Apokope niemals hart und unschön sein. Zeigt sich ein Hiatus, dessen Tilgung durch Apokope zu einer Härte führen würde, so ist das noch kein Grund, den Hiatus in diesem Falle gut zu heißen; man muß vielmehr eine ganz andere Wendung suchen. Im allgemeinen sind die Deutschen in der Vermeidung des Hiatus jedoch viel weniger streng als die Griechen und Römer.

Die Synkope besteht in dem Ausfall eines tonlosen e oder i, z. B.: Der Knecht hat erschlagen den edeln Herrn; heilge Ord[S. 32]nung, die Schillerschen Dramen usw. Vgl. hierüber I, 240, Anm. 1 und 2.

Bezüglich der Bildung der Worte ist namentlich folgendes zu beachten:

a) Man vermeide Neubildungen abstrakter Wörter auf ung, heit, keit und tum. Wörter auf ung werden in der Regel nur von abgeleiteten oder mit Vorsilben zusammengesetzten transitiven Verben gebildet, z. B.: Führung, Verschwendung, Tränkung, Erfindung usw., aber nicht: Fahrung, Verschwindung, Trinkung, Findung usw. Nur wenige Ausnahmen wie: Sitzung, Neigung u. ähnl. haben sich eingebürgert. Ganz besonders zu tadeln ist das Zusammenziehen ganzer Redewendungen in ein Substantiv auf ung, z. B. Zurannahmebringung, Instandsetzung, Klagbarwerdung, Zurateziehung u. ähnl. — Von Partizipien dürfen im allgemeinen keine Substantive auf heit gebildet werden; tadelnswert sind daher Bildungen wie: Unbegründetheit, Verlorenheit, Unbeachtetheit, Treffendheit u. a. Nur von einigen Partizipien, die ganz zu Adjektiven geworden sind, wie bescheiden, besonnen, verschwiegen, erhaben, gelassen, sind Bildungen auf heit zulässig, z. B.: Bescheidenheit, Besonnenheit usw. — Unschön sind die Bildungen auf keit von den Adjektiven auf haft, namentlich wenn diese Adjektive von Personennamen abgeleitet sind, z. B.: Riesenhaftigkeit, Schülerhaftigkeit, Meisterhaftigkeit, Rätselhaftigkeit usw. Ebenso anstößig sind solche Bildungen von einigen Adjektiven auf lich, z. B.: Gegensätzlichkeit, Bezüglichkeit, Inhaltlichkeit u. ähnl.

b) Von vielen männlichen Personennamen lassen sich mit Hilfe der Endung in auch weibliche Personennamen bilden, z. B.: Freund, Freundin usw. Von Partizipialsubstantiven sind solche Bildungen nicht zulässig, man sage daher nicht: Verwandtin, Beklagtin, Abgesandtin, Bekanntin, Beamtin u. ähnl., sondern die Verwandte, Beklagte usw.

c) Werden von Verben zusammengesetzte Substantive gebildet, so werden diese nicht mit dem vollen Infinitiv, sondern nur mit dem Stamme zusammengesetzt (vgl. I, S. 248, 4), z. B.: Trinkgefäß, Reitpferd usw. Dem entsprechend muß man auch sagen: Trockenplatz (nicht: Trocknenplatz), Zeichenbuch, Zeichenlehrer, Rechenbuch, Rechenlehrer (von ursprüngl. zeichen-en, rechen-en usw.).

d) Man meide geschmacklose und sprachwidrige Zusammensetzungen. Vgl. S. 11. — Trennbar zusammengesetzte Verben müssen in den entsprechenden Formen getrennt werden (vgl. I, S. 175). Man sage daher nicht: Ich anvertraue dir dieses Kleinod; ich anerkenne deine Verdienste; ich anempfehle dir Ruhe usw.

e) Den substantivischen Infinitiv wende man nur mit Vorsicht an. In den meisten Fällen bietet sich ein entsprechendes[S. 33] anderes Substantiv oder eine andere Wendung dar, durch welche die Härte oder die Geschmacklosigkeit, zu der der Gebrauch des substantivischen Infinitivs oft führt, vermieden wird. Er wird namentlich dann anstößig, wenn er mit einem Attribut oder Objekt verbunden ist, z. B.: Das Aufgehen der Sonne (statt: der Aufgang), das Aufbrechen des Heeres (statt: der Aufbruch), das Ausbrechen einer Seuche (statt: der Ausbruch) usw. Statt: „Das Schwimmen gegen den Strom ist schwer“ sagt man besser: „Gegen den Strom zu schwimmen ist schwer“; statt: „Das ununterbrochene Arbeiten Tag und Nacht hindurch ist schädlich“ besser: „Tag und Nacht hindurch ununterbrochen zu arbeiten ist schädlich.“ — Beim substantivischen Infinitiv eines reflexiven Verbums wird das Reflexivpronomen weggelassen, z. B.: das Erinnern (nicht: das Sicherinnern), das Freuen, das Verhalten, das Besinnen, das Erbarmen, das Erfrechen usw.

19. Das Substantivum.

a) Die Häufung attributiver Genitive, namentlich wenn sie von gleichem Numerus und Genus sind, ist zu vermeiden. Anstößig sind Wendungen wie: „Das Verführerische des Genusses der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen verleiteten Adam und Eva zum ersten Sündenfall.“ — „Die Schwierigkeit der Erklärung des Ursprungs des Übels“ (statt: Die Schwierigkeit, den Ursprung des Übels zu erklären). — „Meines Freundes Unterstützung dieses Unternehmens.“ — „Es fanden sich nach und nach zwei Partien von Flecken in der Nähe der Mitte der Oberfläche der Sonne.“ — „Die Entdeckung der Gesetze der Bewegung der Planeten.“

b) Fehlerhaft ist die Umschreibung des possessiven oder objektiven Genitivs durch eine Wendung mit der Präposition von. Man sage nicht: Der Freund von meinem Vater (statt: meines Vaters), das Haus von unserem Nachbar, der Giebel von dem Hause, die Wohnung von meinem Bruder, die Erbauung von der Stadt, die Eroberung von der Festung, der Erzieher von den Kindern usw. — Nur in folgenden Fällen ist eine solche Umschreibung dieser Genitive gestattet:

1. Wenn das substantivische Attribut ein Substantivum im Plural ist, das ohne Artikel steht, z. B.: „Man hat mich vor ein Gericht von Männern gefordert“ (Schiller). — „Die Gründung von Städten betrachtete er als die wichtigste Aufgabe eines Fürsten.“ — „Er hat das Glück von Tausenden gegründet“ (Schiller). — „Die teure Frucht von dreißig Kriegesjahren“ (Schiller). — 2. Wenn der Urheber eines Dinges von dem Besitzer geschieden werden soll, z. B. ein Buch von meinem Vater (verfaßt), ein Buch meines[S. 34] Vaters (das ihm gehört), der Messias von Klopstock, der Spaziergang von Schiller usw. — 3. Wenn das substantivische Attribut ein Länder- oder Ortsname ist, z. B. der Kaiser von Deutschland, der König von Sachsen, die Straßen von Paris, die Besatzung von Mainz usw. Vgl. I, 144. — 4. Ausnahmen sind noch: Das Ende vom Liede, die Frau vom Hause.

c) Man wende nicht objektive Genitive (im Anschluß an das Lateinische) an, wo der deutsche Sprachgebrauch eine präpositionale Wendung verlangt. Man sage also nicht: Die Hoffnung des Sieges (statt: auf Sieg), der Haß der Römer (statt: gegen die Römer), die Freude des Glückes (statt: über das Glück des Freundes) usw.

d) Ein substantivisches Attribut darf sich nie auf das erste Glied einer Zusammensetzung beziehen. Falsch ist also: „Der erste Annäherungsversuch König Wenzels an den schwäbisch-rheinischen Städtebund.“ Ein Reisestipendium nach Italien, Erkrankungsfälle an den Blattern, der Vertragsentwurf mit Deutschland, ein Beförderungsmittel guter Sitten, Pflichterfüllung gegen das Vaterland, Befreiungskrieg von der Franzosenherrschaft, Verlängerungsmittel des menschlichen Lebens usw. — Fehler dieser Art sind sehr häufig und müssen daher ganz besonders nachdrücklich bekämpft werden.

e) Der Kasus eines Eigennamens darf nicht unklar bleiben. Man sage also nicht: Klopstock schätzte Schiller höher als Wieland. — Achilles zürnte Agamemnon (statt: dem Agamemnon). — Man erreicht die Klarheit entweder dadurch, daß man den Artikel setzt, wenn nötig mit einem Beiworte (vgl. I, 144), oder daß man eine passivische Wendung gebraucht, z. B. von Schiller wurde Klopstock höher geschätzt als Wieland.

f) Die Apposition muß mit dem Substantivum, zu dem sie gehört, in gleichem Kasus stehen. Man sage daher nicht: Man glaubte, es werde mir mit der Gesellschaft dieses Mannes gedient sein, dem Freunde meiner Mutter (statt: des Freundes). — Wir erwarteten die Ankunft meines Freundes, Professor an der Universität N. (statt: Professors). — Die Gestalt des Dichters, ein kleiner, unscheinbarer Mann (statt: eines kleinen, unscheinbaren Mannes). — Ich heiße dich als mein Freund willkommen (statt: als meinen Freund). — Ihr dürft diesem Manne, als ein erfahrener Führer, unbedenklich folgen (statt: als einem erfahrenen Führer).

Anmerkung. Wenn das Substantivum, zu welchem die durch als angeknüpfte Apposition gehört, im Genitiv steht, so schwankt der Sprachgebrauch zwischen Nominativ und Genitiv. Man muß sagen: „Die Pflichten der Eltern als der Stellvertreter Gottes; die Anstellung des Mannes als eines berühmten Predigers“ usw. Steht aber die Apposition ohne Beiwort, so erhält gewöhnlich der Nominativ den Vorzug: man sagt: „Die Anstellung dieses Mannes als Prediger, der Beruf dieses Mannes[S. 35] als Künstler“ usw. Die Apposition erscheint dann mehr als Zusatz zu Anstellung, Beruf, nicht zu dem Genitiv: dieses Mannes, wie man sagt: „der Künstlerberuf dieses Mannes“, oder: „Dieser Mann wurde als Prediger angestellt“, nicht: „Dieser Mann als Prediger wurde angestellt.“ Statt des Genitivs steht häufig ein Possessivpronomen: „seine Anstellung als Prediger, sein Beruf als Künstler, in seiner Eigenschaft als Beamter“ u. ähnl. Zu vermeiden sind diese Nominative, wenn sie mit einem voraufgehenden Substantiv oder Personalpronomen, das im Akkusativ oder Dativ steht, in Widerspruch treten. Man sagt ohne Anstoß: „Er hat in seiner Eigenschaft als Beamter gehandelt“, dagegen nicht richtig: „Man hat ihm in seiner Eigenschaft als Beamter Anerkennung gezollt“; „man sah seiner Anstellung als erster Prediger entgegen“ usw. Ebenso unrichtig würde in den beiden letzten Fällen der Dativ der Apposition sein; man muß vielmehr eine ganz andere Konstruktion wählen.

20. Das Verbum.

a) Person und Numerus. Das Verbum stimmt in Person und Zahl regelmäßig mit dem Subjekte überein. Bei Wörtern, die eine Menge bezeichnen, kann jedoch, wenn diesen Wörtern ein Genitiv Pluralis beigefügt ist, das Prädikat im Plural stehen, z. B.: Eine Menge Leute kamen herbei; ein Trupp Soldaten zogen vorüber, ein Rudel Hirsche eilten vorbei (Constructio ad sensum oder: κατὰ σύνεσιν, d. h. Fügung nach dem Sinne). Bei den Wörtern Paar, Dutzend, Mandel, Schock u. ähnl. ist der Plural nur dann gestattet, wenn eine unbestimmte Zahl bezeichnet wird, z. B.: Ein paar Äpfel sind gefallen! ein Dutzend Bäume sind umgeschlagen worden. Dagegen: Das Paar Schuhe kostet zehn Mark, das Dutzend Tassen kostet sechs Mark u. ähnl. Eine Fügung nach dem Sinne findet auch statt, wenn mehrere Subjekte, die im Singular stehen, zu einem Begriffe vereinigt gedacht werden; das Verbum steht dann gewöhnlich im Singular, z. B.: Haus und Hof ist verloren, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit war die Losung; Haß und Groll sei vergessen usw.

b) Tempus. Sehr zu tadeln ist der Wechsel des Imperfekts mit dem historischen Präsens, z. B.: Der Mond schien, ich trete hinaus und wandte den Blick nach dem Walde. — Der Feind schleicht herbei und erstieg den Wall. Man muß entweder überall das Präsens oder das Imperfektum gebrauchen. — Das Tempus der Erzählung ist im Deutschen das Imperfektum, nicht das Perfektum. Man vermeide also Wendungen wie: Da hat er gesagt, da bin ich fortgegangen; da bin ich gerufen worden u. ähnl. Das Perfektum muß dagegen dann stehen, wenn von einer einzelnen Handlung die Rede ist, deren Vollendung oder fortdauernde Wirkung hervorgehoben werden soll, z. B.: Mir ist ein Buch gestohlen worden; er hat alles verloren usw. — Falsch ist es, das Plusquamperfektum statt des Imperfekts zu gebrauchen; z. B.: Du warst[S. 36] gestern bei uns gewesen (statt: Du warst bei uns). Umgekehrt wird zuweilen nach der Konjunktion nachdem das Imperfektum statt des Plusquamperfekts gesetzt, z. B.: „Nachdem Wallenstein seinen Antrag erneuerte und auf eine bestimmte Erklärung drang“ (statt: erneuert und gedrungen hatte). Eine solche Vertauschung der Tempora ist gleichfalls zu tadeln. Vgl. I, 228 flg.

c) Modus. Wenn der Konjunktiv gebraucht wird, um einen Wunsch auszudrücken (als Optativ), oder wenn er in einem bedingenden Nebensatze steht, darf er nicht durch den Konditionalis (vgl. I, 67) umschrieben werden. Man sage also nicht: „Wenn er doch bald kommen würde!“ (statt: Wenn er doch bald käme!) „Wenn er doch bald schreiben würde!“ (statt: Wenn er doch bald schriebe!) „Wenn ihr gerechter sein würdet (statt: wäret), hättet ihr anders geurteilt“ usw. In den Hauptsätzen, die mit Bedingungssätzen verbunden sind, können dagegen die Formen mit würde stehen. — Man unterscheide genau zwischen Indikativ und Konjunktiv, z. B.: „Dieser Mann verdient es, daß man ihn rühmt“ (es geschieht bereits), und: „Dieser Mann verdient es, daß man ihn rühme“ (es wird nicht ausgesprochen, ob es geschieht) usw. Namentlich beachte man das Verhältnis der direkten zur indirekten Aussage. Vgl. I, 259 flg.

21. Die Partizipien.

Über die Bildung der Partizipien vgl. I, 58 flg., 176 flg.

a) Das erste Partizip steht in aktiver Bedeutung, z. B.: Der singende Vogel (d. i. der Vogel, welcher singt), die blühende Blume (d. i. die Blume, welche blüht) usw. — Ausnahmen sind Ausdrücke wie: fahrende Habe (d. i. die Habe, welche bewegt wird), die betreffende Person (d. i. die Person, welche betroffen wird), eine melkende Kuh, schwindelnde Höhe, fallende Sucht, sitzende Lebensweise, es findet etwas reißenden Absatz, die reitende Batterie, eine stillschweigende Voraussetzung und einige andere.[14]

b) Das zweite Partizip der transitiven Verben steht in passiver Bedeutung, z. B.: der geschlagene Feind (der geschlagen worden ist), die besiegte Armee (die besiegt worden ist) usw. Das zweite Partizip intransitiver Verben kann in der Regel nur dann attributiv gebraucht werden, wenn diese Verben die Formen der Vergangenheit mit sein, nicht mit haben bilden; z. B.: der verstorbene Freund (der verstorben ist), die abgebrannte Stadt (die abgebrannt ist), der umgefallene Baum (der umgefallen ist) usw. Doch auch nicht alle Partizipien, die sich in ein mit sein gebildetes Perfektum auflösen lassen, können attributiv verwendet[S. 37] werden, vielmehr nur solche, die einen Zustand bezeichnen, der durch die Handlung herbeigeführt worden ist, z. B.: ein entsprungener Flüchtling (aber nicht: ein gesprungener Knabe), ein aufgegangener Stern (aber nicht: ein gegangener Wandrer), ein entlaufener Hund (aber nicht: ein gelaufener Hund) usw. — Ausnahmsweise werden auch von intransitiven Verben, die ihr Perfektum mit haben bilden, die Partizipien attributiv gebraucht, z. B. ein pflichtvergessener Mann (der seine Pflicht vergessen hat), ein studierter Mann (der studiert hat), ein erfahrener Mann, ein ausgelernter Kaufmann, ein geschworener Feind, ein bedachter Arzt, ein verschwiegener Freund, ein verdienter Mann usw. Diese Partizipien sind jedoch meist völlig zu Adjektiven geworden und werden nicht mehr als Partizipien empfunden. Durch sie werden Wendungen wie: Das stattgefundene Konzert, der viele Qualen erlittene Dulder, das mich betroffene Unglück u. ähnl., die aufs schärfste zu verurteilen sind, in keiner Weise gerechtfertigt. Unerträglich sind solche Bildungen hauptsächlich deshalb, weil das Partizip mit einem Objekt verbunden ist (Statt finden, Qualen erleiden, es betrifft mich), wodurch die verbale Bedeutung dieser Partizipien in den Vordergrund tritt.

c) Über die Komparation der Partizipien vgl. I, 149. Je mehr die verbale Bedeutung hervortritt, um so weniger ist die Komparation zulässig. So sagt man: „diese Frage wird immer brennender“, aber nicht: „das Haus wird brennender.“ Im ersten Satze ist das Partizipium in adjektivischer Bedeutung und noch dazu im übertragenen Sinne gebraucht, während es in der Verbindung „das brennende Haus“ im eigentlichen Sinne steht; dadurch tritt von selbst die verbale Bedeutung in den Vordergrund.

d) Wenn das Partizip als Prädikat eines verkürzten Attribut- oder Adverbialsatzes steht, so bleibt es ungebeugt; es tritt daher in der Regel zum Subjekt des Hauptsatzes, z. B.: Erfreut über die empfangenen Eindrücke reiste ich ab. — Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb, tret’ ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt, heraus zu euch. Schiller. — Diese Ulmen, mit Reben umsponnen, sind sie nicht Kinder unserer Sonnen? Schiller. — Doch können diese Partizipien, wenn ein Mißverständnis oder eine Mehrdeutigkeit der Beziehung ausgeschlossen ist, auch zu einem Dativ oder Akkusativ, zuweilen auch zu einem Genitiv treten[15], z. B.: Es sollen unsre Frauen vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen geflochten dir sie (die Bürgerkrone) um die Stirne legen. Goethe. Hier bezieht sich das Partizip geflochten auf den Akkusativ sie, und diese Beziehung leuchtet ohne weiteres ein, da jede andere Be[S. 38]ziehung keinen Sinn geben würde. Dasselbe gilt von den folgenden Sätzen: Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz. Schiller. — Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen, dem Wanderer zur kurzen Ruh’ bereitet. Schiller. — Der nackte Leichnam wird gefunden, und bald, obgleich entstellt von Wunden, erkennt der Gastfreund von Korinth die Züge, die ihm teuer sind. Schiller. — Doch wo die Spur, die aus der Menge, der Völker flutendem Gedränge, gelocket von der Spiele Pracht, den schwarzen Täter kenntlich macht? Schiller. Selbstverständlich sind solche Partizipien zu meiden, sobald die Beziehung mehrdeutig ist und so zu Mißverständnissen führen kann.

Anmerkung. Absolute, mit einem Akkusativ verbundene Partizipien finden sich häufig bei unseren Dichtern, z. B.: Angehört den Schimpf des Hauses, geht gedankenvoll Rodrigo. Herder.Schild und Lanze weggeworfen, fliehn sie über Berg und Tal. Uhland. — Im Felde schleich’ ich still und wild, gespannt mein Feuerrohr. Goethe. Mit Maß und Besonnenheit angewendet sind diese Partizipien von guter Wirkung; sie widerstreben keineswegs der deutschen Sprache und haben dieselbe Berechtigung wie die absoluten Akkusative, z. B.: Sie drangen, die Hand am Schwerte, auf mich ein. — Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Möros, den Dolch im Gewande. Schiller.[16]

22. Das Adjektivum.

a) Über die Deklination der Adjektive vgl. I, 27 flg., 147 flg.

b) Die Häufung und Einschachtelung adjektivischer Attribute ist zu vermeiden. Tadelnswert sind Sätze wie: In einem feuchten, übelriechenden, halbdunkeln, abends lichtlosen Kerker, bewacht von einem rohen, feindseligen, barbarischen Manne, war er der schrecklichsten und furchtbarsten Verlassenheit anheimgegeben. — Die Nachrichten über die von der vor acht Tagen gehaltenen Versammlung gefaßten Beschlüsse. — Man lasse in solchen Fällen Attribute weg oder bilde Nebensätze.

c) Man setze das Attribut zu dem Substantiv, zu dem es gehört, z. B.: ein Glas guten Weines (doch auch, namentlich in der Umgangssprache: ein gutes Glas Wein) u. ähnl. Man unterscheide: „Der grausame Befehl des Feldherrn“ und „Der Befehl des grausamen Feldherrn“ usw.

d) Wenn ein Attribut zu zwei Substantiven verschiedenen Geschlechts gehört, so muß es zweimal gesetzt werden, z. B.: großes Glück und große Wonne (nicht: großes Glück und Wonne), schweres Leid und schwerer Kummer (nicht: schweres Leid und Kummer), hohe Freude und hohes Glück (nicht: hohe Freude und Glück) usw.

[S. 39]

e) Begriffsverhältnisse, die am besten durch eine Zusammensetzung, durch ein präpositionales oder Genitiv-Attribut zum Ausdrucke kommen, dürfen in der Regel nicht durch adjektivische Attribute wiedergegeben werden. Man sage: das Hausrecht (nicht: das häusliche Recht), ein Mönchskloster (nicht: ein mönchisches Kloster), ein Klostergeistlicher (nicht: ein klösterlicher Geistlicher), ein Manneswort (nicht: ein männliches Wort), Aufenthalt in England (nicht: englischer Aufenthalt), die Rede des Kriegsministers (nicht: die kriegsministerliche Rede), die Abreise des Königs (nicht: die königliche Abreise), die Entwickelung der Rechtswissenschaft (nicht: die rechtswissenschaftliche Entwickelung) usw.

f) Tritt ein adjektivisches Attribut zu einem zusammengesetzten Worte, so bezieht es sich immer auf das Grundwort und darf nicht auf das Bestimmungswort bezogen werden. Falsch ist daher z. B.: ein seidener Strumpfwirker, ein fertiges Kleiderlager, ein getrockneter Obsthändler, ein silbernes Hochzeitsgeschenk (statt: Geschenk zur silbernen Hochzeit), ein wohlriechender Wasserfabrikant, ein ausgestopfter Tierhändler, ein roter Weintrinker, reitende Artilleriekaserne usw.

23. Das Pronomen.

a) Über die Deklination der Pronomina vgl. I, 37 flg., 159 flg. Vor die Pronomina der, dieser, jener tritt oft das Zahlwort aller, alle, alles, verkürzt: all. Sowohl das Zahlwort aller usw., als die Pronomina werden dann stark dekliniert, z. B.: alles das Glück; die Freude aller jener Unglücklichen; er verbannte alle diese Verschwörer usw. Man sagt richtig: alles das Glück; oder: all das Glück usw. Häufig erscheinen auch die Formen: alle das Glück, alle der Jammer, alle der Neid u. ähnl. Nicht nur in Verbindungen wie: trotz alle dem, bei alle dem, von alle dem u. ähnl. ist dieses alle gestattet, sondern es ist überhaupt eine alte berechtigte Form. Das e in „alle das Glück“ und ähnlichen Formen ist nämlich nicht eine Kasusendung, sondern ein alter Bindevokal (ahd. a). Man kann also sagen: bei allem dem, bei dem allem, bei alle dem. Falsch ist jedoch: bei dem allen.

b) Es darf niemals unklar bleiben, auf welches Substantiv das Pronomen zu beziehen ist. Man beachte namentlich folgendes: Das Pronomen er, sie, es bezieht sich auf das Subjekt des vorhergehenden Satzes, das Pronomen derselbe dagegen auf ein anderes Satzglied. Vgl. hierüber S. 12. Das Pronomen dieser vertritt von den Substantiven, auf die eine Beziehung stattfindet, immer das zuletzt stehende, während jener auf das entfernter stehende hinweist, z. B.: Das Nibelungenlied und Gudrunlied sind die bedeutendsten Volksepen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts; dieses umfaßt den norddeutschen, jenes den fränkischen, burgundischen, gotischen und hunnischen Sagenkreis.

[S. 40]

c) Das pronominale Subjekt darf nicht ausgelassen werden (ausgenommen im poetischen Stile, wo die Auslassung zuweilen von guter Wirkung ist, z. B.: in den Versen Heines: „Habe schon in jungen Jahren manches bittre Leid erfahren“). Im Geschäftsstil pflegt gegenwärtig das Pronomen der ersten Person unterdrückt zu werden, z. B.: „Hierdurch teile Ihnen die Verlegung meines Geschäftes mit und übersende beifolgend die gewünschten Proben.“ Diese Unsitte ist sehr zu tadeln. Zuweilen wird das pronominale Subjekt ausgelassen, wenn unmittelbar vorher ein Kasus obliquus des Pronomens dagewesen ist, z. B.: „Mir geht es gut und hoffe von Dir das gleiche.“[17] Auch in solchen Fällen ist die Auslassung nicht zu billigen. Störend ist eine solche Auslassung namentlich in beigeordneten Relativsätzen, z. B.: „Der Schmuck, den ich sah und mir sehr gefiel“ usw. Der Akkusativ den kann nicht das Subjekt des zweiten Relativsatzes vertreten; der Satz muß heißen: „Der Schmuck, den ich sah und der mir sehr gefiel.“ Auch umgekehrt kann nicht der Nominativ den Akkusativ vertreten, ich darf nicht sagen: „Der Schmuck, der mir sehr gefiel und ich kaufte“, sondern ich muß sagen: „und den ich kaufte.“[18]

d) Das Relativpronomen muß möglichst nahe bei dem Substantivum stehen, auf das es zurückweist. Nicht gut ist also der Satz: „Deine Worte wecken mannigfache Sorgen in meiner Brust, die mich zu Taten aufstacheln“ (statt: Deine Worte, die mich zu Taten aufstacheln usw.). Doch hüte man sich, den regierenden Satz in unschöner Weise zu zerreißen: z. B.: Ich rate dir, dem Beispiel, das dir dein Freund gibt, zu folgen. Besser: Ich rate dir, dem Beispiel zu folgen, das dir dein Freund gibt.

e) Das Substantiv, auf das sich ein Pronomen bezieht, muß wirklich vorhanden sein und darf nicht bloß aus dem Zusammenhange ergänzt werden. Falsch ist z. B.: „Die Fischerei ist in Rußland sehr wichtig, alle Gewässer wimmeln von diesen Tieren.“ — „Der lateinische Sprachgebrauch läßt das nicht zu; denn diese (d. i. die lateinische Sprache) fordert vor allem Bestimmtheit des Ausdrucks.“[19]

[S. 41]

f) Man setze nicht anstatt des Relativpronomens ein persönliches oder hinweisendes Fürwort, oder anstatt des relativen Pronominaladverbs ein demonstratives, z. B.: Die Taube, nach der der Jäger oft geschossen und sie (statt: und die er) niemals getroffen hat. — Der Hut, den sie gerade bog und seine Bänder (statt: und dessen Bänder sie) durch die Finger gleiten ließ. — Die Federn, die im Winde verfliegen oder die jungen Vögel sie auffangen und ihre Nester mit ausfüttern (statt: oder die die Vögel auffangen und womit sie ihre Nester ausfüttern). — Mein Pferd, wo ich darauf reite (statt: auf welchem oder worauf ich reite). — Die Angelegenheit, wo ich davon sprach (statt: von welcher oder wovon ich sprach).

g) Über den Gebrauch der relativen, demonstrativen und interrogativen Pronominaladverbien, sowie des Relativpronomens was vgl. I, 177, 42, 198.

24. Das Adverbium.

Die Adverbien dürfen nicht als adjektivische Attribute gebraucht werden. Man sage daher nicht: ein entzweies Kleid, ein zues Fenster, ein neuliches Gerücht, ein rechter brauchbarer Arbeiter (statt: ein recht brauchbarer Arbeiter), ein rechtes gutes Kind (statt: ein recht gutes Kind), eine ganze treffende Antwort (statt: eine ganz treffende Antwort), einige anscheinende Betrunkene (statt: anscheinend Betrunkene) usw. — Zwar werden einige Adverbien auf -lich und auf -weise häufig adjektivisch gebraucht, z. B.: der wahrscheinliche Ausgang des Prozesses, eine stufenweise Besserung, eine teilweise Abänderung, eine zeitweise Benachrichtigung u. ähnl., doch ist der im übrigen völlig eingebürgerte attributive Gebrauch auch dieser Adverbien in höherer, nicht geschäftsmäßiger Sprache nicht zu empfehlen. Von den mit -weise zusammengesetzten Adverbien werden übrigens nur diejenigen attributiv verwendet, die mit Substantiven zusammengesetzt sind, z. B.: tropfenweise, gesprächsweise, stückweise usw., während die mit Adjektiven zusammengesetzten einen solchen Gebrauch auch in der Umgangssprache nicht zulassen. Man sagt niemals: die möglicherweise Ankunft, das merkwürdigerweise Schweigen, das unachtsamerweise Fortgehen usw.

25. Präpositionale Ausdrücke.

a) Das Zusammenstoßen zweier Präpositionen ist zu meiden, da es den Satz unschön und unübersichtlich macht, z. B.: Ein unglückliches Buch hat Sie auf für uns undenkbare Gedankenverbindungen gebracht (statt: auf Gedankenverbindungen, die für uns undenkbar sind). — Soll sich ein aus dem Felde heimkehrender Soldat von zu Hause gebliebenen Stubenhockern schelten lassen? (statt: von[S. 42] Stubenhockern, die zu Hause geblieben sind). — Von an der Ausführbarkeit Zweifelnden wird uns geschrieben usw.

b) Mehrere Präpositionen, die verschiedene Kasus regieren, dürfen nicht auf ein Wort gemeinsam bezogen werden, wenn das Wort verschiedene Formen für die betreffenden Kasus hat. Man kann ohne Anstoß sagen: mit oder ohne Waffen, in und um euch, mit oder ohne uns u. ähnl., weil „Waffen, euch, uns“ sowohl Dative, als auch Akkusative sein können. Falsch ist dagegen: mit oder ohne den Fürsprecher (statt: mit dem Fürsprecher oder ohne ihn), in oder um den Wald, mit, in und für die Phantasie (Rud. Gottschall) usw.

c) Man läßt den Kasus, der von der Präposition regiert wird, am besten unmittelbar auf diese folgen und vermeidet es, andere Kasus, die von einem Partizipium regiert werden, einzuschieben. Hart klingen Sätze wie die folgenden: „Von mir bekannten Bewohnern des Ortes wurde ich benachrichtigt“ (statt: Von einigen mir bekannten Bewohnern, oder: Von Bewohnern des Ortes, die mir bekannt waren). — „Durch mich anklagende Worte hat er mich verletzt“ (statt: Durch seine mich anklagenden Worte, oder: Durch diese mich anklagenden Worte). — „Mit keine Unklarheit übrig lassender Bestimmtheit“ (statt: Mit einer keine Unklarheit usw., oder: Mit einer Bestimmtheit, die keine Unklarheit übrig ließ) usw.

d) Eine und dieselbe Präposition darf nicht zur gemeinsamen Verknüpfung mehrerer Worte mit einem Objekt oder Attribut verwendet werden, wenn sie nicht zur Verknüpfung jedes einzelnen Wortes mit dem betreffenden Objekt oder Attribut genau paßt. Falsch ist z. B.: Der Kampf und Sieg über den Feind (statt: Der Kampf mit dem Feinde und der Sieg über ihn); die junge Mannschaft bewegte teils Furcht, teils Hoffnung auf den Krieg (statt: teils Furcht vor dem Kriege, teils Hoffnung auf ihn) usw.

e) Die Häufung präpositionaler Ausdrücke ist zu meiden. Schon die Wiederholung derselben Präposition ist nicht gut, z. B.: „Durch einen Schuß durch das Bein wurde er kampfunfähig“ (besser: Ein Schuß durch das Bein machte ihn kampfunfähig). — „Es verrät einen Mangel an Glauben an Gott“ (besser: einen Mangel an Gottesglauben). — „Hier spricht die Fürsorge für das eigene Wohl für den Gegner“ (besser: zugunsten des Gegners). — „Der Wunsch nach dem Fortleben nach dem Tode beseelt die Menschen“ (besser: Der Wunsch, nach dem Tode fortzuleben) usw. — Noch anstößiger und für einen gebildeten Hörer oder Leser geradezu unerträglich sind Häufungen präpositioneller Fügungen, die mit einer Einschachtelung von Satzgliedern verbunden sind: z. B.: „Der Papst hat gegen die bei der gegen den Schweizer Konsul gemachten[S. 43] Demonstration beteiligten Individuen eine strenge Untersuchung einleiten lassen.“ — „Er hat in dem von ihm unter der bekannten Chiffre für die Allgemeine Zeitung verfaßten Artikel das Gegenteil behauptet“ usw. — Aber auch sonst sind Häufungen präpositionaler Ausdrücke zu tadeln, z. B.: „Durch den Hinweis aus kaiserlichem Munde auf den vorjährigen Weihnachtsabend in Feindesland und auf den diesjährigen am heimischen Herde ward die Erinnerung an jene Zeit in allen recht lebendig“ u. ähnl.

26. Als und wie.

Als steht: a) gleichstellend, z. B.: Er starb als Jüngling, als Greis; ich spreche als Freund mit dir u. ähnl. Als bezeichnet hier die völlige Wesenseinheit, die Einerleiheit; im Gegensatz dazu deutet wie nur die Ähnlichkeit an. Man unterscheide: „Er sprach als Freund zu mir“ und: „Er sprach wie ein Freund mit mir.“ Treffend sagt Goethe: „Vom Schiff aus behandelte man sie (die Delphine) nicht als Geleitsmänner (die sie doch waren) sondern wie Feinde (die sie nicht waren).“

b) erklärend, z. B.: „Alle Übel des Erdenlebens, als Armut, Not, Krankheit usw., hatte er kennen gelernt.“ Hier kann auch wie oder nämlich gebraucht werden, z. B.: Einige Tiere, wie das Pferd, die Kuh, der Hund u. a., leisten dem Menschen große Dienste.

c) vergleichend. Man merke folgende Regel: Nach Komparativen steht als, nach dem Positiv dagegen, überhaupt zur Bezeichnung der bloßen Gleichheit oder Ähnlichkeit steht wie. Man sagt richtig: schwerer als Blei, er ist größer als du; grün wie Gras, er ist schlank wie eine Tanne, er ist so schlank wie eine Tanne, er ist ebenso groß wie ich (doch ist hier auch zulässig: er ist ebenso groß als ich).[20]

d) ausschließend (nach Verneinungen). Nach verneinenden Wörtern steht als, nicht wie. Daher sagt man richtig: Niemand als du kann das getan haben, er redet anders, als er denkt (nicht: wie er denkt), ich wünsche nichts als Ruhe usw. Nicht zu verwechseln ist hiermit die Konstruktion: Niemand hat gekämpft wie du u. ähnl. Hier gehört die Konjunktion nicht zu niemand, sondern zum Verbum. Niemand als du hat gekämpft, d. h. du allein hast gekämpft; niemand hat gekämpft wie du dagegen heißt: es kämpften noch viele außer dir, aber keiner so tapfer (oder so ausharrend u. ähnl.) wie du.

e) Das Zusammenstoßen zweier als ist zu meiden. Man gebraucht dann besser das alte vergleichende denn, z. B.: Lieber[S. 44] betteln, denn als Gaukler (nicht: als als Gaukler) sein Brot verdienen. Er erschien mehr als Freund, denn als Feind.

27. Wortstellung.

Die Wortstellung hat für die schriftliche Darstellung dieselbe Bedeutung wie der Redeton für den mündlichen Vortrag. Eine falsche Wortstellung verletzt genau so wie eine falsche Betonung.

a) Man vermeide alles Gezwungene und Unnatürliche in der Wortstellung. Nicht gut ist die Wortstellung z. B. in folgenden Sätzen: „Er bequemte sich, für gute Zahlung mit Blumen und Früchten manche Abteilung zu verzieren“ (statt: manche Abteilung mit Blumen und Früchten zu verzieren). — „Diesmal ward um Mitternacht eine außerordentliche Sitzung auf den anderen Morgen durch den Gerichtsboten angesagt“ (statt: durch den Gerichtsboten eine außerordentliche Sitzung angesagt). — „Christen, die aus eigener Erkenntnis es sind“ (statt: die es aus eigener Erkenntnis sind).

b) Man vermeide nachklappende Satzteile. Unschön sind in schlichter Prosa Sätze wie: „Dieser neue Kummer hat tief gebeugt das greise Haupt“ (statt: das greise Haupt tief gebeugt). — „Er war dein Gast und hatte sich gesetzt an deinen Herd.“ Nur bei großem Schwung der Rede oder in poetisch gefärbter Prosa ist ein solches Nachsetzen der näheren Bestimmung gestattet; man vgl. z. B. Fichtes Reden. — Durchaus verwerflich ist jedoch eine Wortstellung wie die folgende: „Ich nahm von meinen Freunden dankbar alles, was mir angeboten, gegeben, nein aufgedrängt wurde, an.“

c) Man ordne namentlich die Adverbialbestimmungen an rechter Stelle ein, um so Zweideutigkeiten zu vermeiden. Falsch ist z. B. die Wortstellung in den Sätzen: „Ich bitte mein Ausbleiben höflichst entschuldigen zu wollen“ (statt: Ich bitte höflichst, mein Ausbleiben entschuldigen zu wollen). — „Der Präsident zeigt das Ableben des Abgeordneten des dritten Wahlbezirks nach dreitägiger Krankheit an“ (statt: das nach dreitägiger Krankheit erfolgte Ableben) usw.

d) Negationen und hervorhebende Partikeln stehen in der Regel unmittelbar vor oder nach dem Worte, das verneint oder hervorgehoben werden soll, z. B.: Nicht euer Mut macht mich staunen, sondern eure Keckheit. — Auch ich war in Arkadien geboren. — Man unterscheide: Ich wenigstens hoffe noch darauf. Ich hoffe wenigstens noch darauf. Wenigstens darauf hoffe ich noch. — Ich selbst habe es dir gesagt. Ich habe es dir selbst gesagt. — Ich allein habe dich verteidigt (kein anderer). Ich habe dich allein verteidigt (deine Genossen nicht mit).

e) Man vermeide die Umstellung des Subjekts nach und. Häßlich klingen Sätze wie: Der Dichter war an diesem Orte geboren, und fanden seine Werke dort die ersten begeisterten Verehrer (statt: und seine Werke fanden). Nur im Volkstone, z. B. in Märchen,[S. 45] Sagen, ist diese Umstellung gestattet (vgl. z. B. Grimms Märchen); sie ist altes deutsches Sprachgut, wie etwa die doppelte Verneinung, und unterliegt daher der nämlichen Beurteilung.

[12] Bei Luther findet sich neben sieh die Form siehe, und nach ihm haben auch Goethe u. a. beide Formen angewendet. Man kann die Form siehe daher als Ausnahme gelten lassen.

[13] Den Apostroph zur Bezeichnung der Apokope hat Konrad Geßner in Deutschland eingeführt, er nahm das Zeichen aus dem Griechischen herüber.

[14] Jakob Grimm hat in seiner Grammatik nachgewiesen, daß die passive Bedeutung des ersten Partizips sich in allen germanischen Sprachen findet.

[15] Die Regel, daß das Partizipium nur auf das Subjekt bezogen werden dürfe, ist unrichtig und widerspricht geradezu dem Geiste der deutschen Sprache.

[16] Vgl. über die absolute Partizipialkonstruktion namentlich Andresen, Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit, S. 120 flg.

[17] Beispiele dieser Art finden sich bei unseren besten Dichtern und Schriftstellern. Was wir diesen verzeihen, ist darum aber noch nicht nachzuahmen.

[18] Wenn Nominativ und Akkusativ gleichlauten, duldet der Sprachgebrauch in einigen Fällen die Zusammenziehung, z. B.: Was ich bin und habe. Die alten Grammatiker betrachteten die von der strengen Korrektheit abweichende Zusammenziehung als eine besondere Redefigur, die sie Zeugma (d. i. Zusammenjochung) nannten.

[19] Doch finden sich manche Abweichungen von dieser Regel, die sich als Fügungen nach dem Sinne wohl rechtfertigen lassen, z. B.: „Ein streitendes Gestaltenheer, die seinen Sinn in Sklavenbanden hielten.“ (Schiller.) „Es gibt im Menschenleben Augenblicke, wo er dem Weltgeist näher ist als sonst.“ Derselbe. Vgl. hierüber Fr. Grüter, Zwei Schulprogramme über die Synesis, Münster 1855 und 1867.

[20] Gewöhnlich wird die falsche Regel aufgestellt: als sei vergleichend dem Grade und Maße nach, daher müsse man sagen: „ebenso groß als ich“ und nicht: „ebenso groß wie ich.“ Die Geschichte unserer Sprache erweist diese Regel als unhaltbar. Vgl. meine Erörterung des Verhältnisses zwischen als und wie in Beckers Deutschem Stil S. 211–217.

D. Stilistik des zusammengesetzten Satzes.

28. Der Bau der Sätze im allgemeinen.

Jeder Satz soll übersichtlich und wohllautend sein. Man beachte bei allen Sätzen: a) ihre Form, b) die Art ihrer Verknüpfung, c) ihre Stellung, d) ihren Rhythmus. Nur wenn nach allen diesen Seiten hin der Satz keinen Anstoß erregt, kann er als stilistisch tadellos bezeichnet werden.

29. Form der Sätze.

a) Hauptgedanken erhalten die Form von Hauptsätzen, Nebengedanken die Form von Nebensätzen. Gegen diese Regel wird häufig dadurch gefehlt, daß ein Hauptgedanke in Form eines Relativsatzes einem anderen Satze angefügt wird, und daß umgekehrt einem Nebensatze ein Hauptsatz (statt eines Nebensatzes) beigeordnet wird. Zu tadeln sind demnach Sätze wie die folgenden: „Gestern brach in dem Hauptgebäude des Schlosses Wilhelmshöhe, das jetzt vom Kaiser bewohnt wird, Feuer aus, das aber durch schleunige Hilfe wieder gelöscht wurde“ (statt: wurde aber durch schleunige Hilfe wieder gelöscht). — „Der König, der uns diese Verfassung gegeben hat, und er hat sich derselben auch untergeordnet“ (statt: gegeben und sich derselben auch untergeordnet hat). — „Hier ragten zwei Felsen empor, von denen der eine kahl war; der andere war mit Gestrüpp bewachsen“ (statt: von denen der eine kahl, der andere mit Gestrüpp bewachsen war). — Doch kann man einem Nebengedanken, wenn er hervorgehoben werden soll, die Form eines Hauptsatzes geben. So kann ich dem Satze: „Wir verehren diesen Mann, weil er unserem Vaterlande eine Achtung gebietende Stellung gegeben hat“, auch folgende Form geben: „Wir verehren diesen Mann, denn er hat unserem Vaterlande eine Achtung gebietende Stellung gegeben.“ Durch diese Umänderung erhält der Nebengedanke besonderes Gewicht.

b) Man strebe nach Ebenmaß in der Form der Sätze. Die wichtigste Regel ist hier folgende: Einander entsprechende Satzglieder (z. B.: Subjekt und Prädikat mit ihren Bestimmungen) oder Sätze (z. B.: beigeordnete oder parallele Haupt- und Nebensätze) müssen annähernd gleichen Umfang und möglichst gleiche grammatische Form haben. Da das Prädikat in der Regel den Hauptton trägt, so muß es mit seinen Bestimmungen meist größeren Umfang als das Subjekt haben, z. B.: „Ich höre staunend die Gewalt des Mundes, der mir von je so unheilbringend war.“ Das Tonverhältnis würde daher[S. 46] unschön sein, wenn das Prädikat geringeren Umfang hätte als das Subjekt, z. B.: „Der liebliche, von Blume zu Blume flatternde Schmetterling, ein Meisterwerk der Natur, ein kleines Wunder der Schöpfung, dessen kurze Lebenstage munterem Tändeln gewidmet sind, erfreut uns.“ Ebenso darf das Prädikat, wenn es oft auch größeren Umfang als das Subjekt haben muß, doch nicht unverhältnismäßig erweitert sein, wie in folgendem Satze: „Die Gemsenjagd ist ein gefährliches, schwindelfreien Kopf, kühnen Mut, gute Lungen und ausdauernde Muskelkraft erforderndes, gerade darum aber von gesunden, kräftigen Menschen begehrtes Vergnügen“ (statt: Die Gemsenjagd ist ein gefährliches Vergnügen; es erfordert schwindelfreien Kopf usw. Gerade darum aber wird es von gesunden, kräftigen Menschen gern aufgesucht). — Gleichmäßige grammatische Form haben die Sätze in folgender Periode: „So übt der Mensch in der Jugend seine Kräfte, damit er im Kampfe des Lebens nicht unterliege; so zieht er schwere Arbeit dem leichten Spiele vor, damit er des Lebens Preis erjage.“ Zu tadeln wäre es, wenn hier im zweiten Teile des Satzbildes auf diese Weise statt so, oder auf daß statt damit gesetzt würde. Durch schönes Gleichmaß der Form zeichnen sich folgende Sätze aus: „Das Buch war das beste, das ihnen die angenehme Ruhe ließ, im Lesen wenig zu denken, das ihnen das Vergnügen schaffte, hier und da ein Blümchen zu finden, ohne sich bücken zu dürfen, das sie in den süßen Traum einwiegte, das hier zu lesen, was sie selbst schon gedacht zu haben glaubten.“ Herder. — „Ihr Blick und alles, was Sie umgibt, zeigt mir, daß Sie sich Ihres vergangenen Lebens freuen können, daß Sie auf einem reinen schönen Wege in einer sicheren Folge gegangen sind, daß Sie keine Zeit verloren, daß Sie sich nichts vorzuwerfen haben.“ Goethe. — Ganz besonders fehlerhaft ist es, wenn von zwei beigeordneten Satzgliedern das eine als bloßes Satzglied, das andere als Nebensatz dargestellt wird, z. B.: „Er gönnte sich Tag und Nacht keine Ruhe aus Ehrgeiz und weil er nach Reichtum strebte.“ Ebensowenig darf man einen vollständigen Nebensatz einem verkürzten oder einer Apposition beiordnen, z. B.: „Der Dichter hat uns hier mit einem Werke beschenkt, so eigenartig, so ganz dem Geiste unserer Sprache und unseres Volkes entsprechend, und in welchem sich kühner Schwung der Rede mit hohem Fluge des Geistes paart.“

c) Dagegen muß jeder untergeordnete Satz anders gebaut sein, als der ihm zunächst übergeordnete. Verschiedenheit der Form ist hier ebenso unbedingtes Erfordernis wie bei parallelen oder beigeordneten Sätzen Gleichartigkeit der Form. So ist es zu tadeln, wenn zwei konjunktionale Objektsätze, von denen der eine dem anderen untergeordnet ist, gleichmäßig mit daß eingeleitet oder durch den bloßen Konjunktiv angeknüpft sind, z. B.: „Ich habe mich[S. 47] bemüht zu zeigen, daß der Charakter der vollkommen gebildeten Sprachen dadurch bestimmt wird, daß die Natur ihres Baues beweist, daß es dem Geist nicht bloß auf den Inhalt, sondern vorzüglich auf die Form der Gedanken ankommt.“ — „Mein Freund ließ mir sagen, er habe soeben gehört, mein Heimatsort sei durch eine Feuersbrunst eingeäschert worden“ (statt: er habe gehört, daß mein Heimatsort eingeäschert worden sei). Tadellos ist dagegen der Satz: „Man hoffte, er würde erkennen, daß seine Stellung unhaltbar geworden sei.“ — Überhaupt strebe man bei der Unterordnung nach möglichster Abwechselung nicht nur in der Form, sondern auch in der Art der Nebensätze. So ist der folgende Satz anstößig, weil die aufeinander folgenden untergeordneten Sätze immer wieder Attributsätze sind: „Die versammelten Zuschauer erhoben ein Gebrüll der getäuschten Rachsucht, welches demjenigen zu vergleichen ist, das der Tiger ausstößt, dem sein Wächter die Speise fortreißt, welche er eben verschlingen wollte.“

d) Man setze überhaupt die Unterordnung nicht durch eine zu lange Reihe von Gliedern fort, auch dann nicht, wenn die Nebensätze verschiedener Art sind. Schlecht gebaut ist z. B. der folgende Satz: „Die Leichtigkeit, mit welcher schnell eine nicht geringe Zahl bedeutender Kunstwerke auf einen Platz versammelt worden, zeigt zur Genüge, wieviel Vortreffliches Berlin in sich faßt, das, bei Privatpersonen zerstreut, nur diesen und den in jene Familien eingeführten Personen bekannt, dennoch dazu geeignet wäre, die Mehrzahl des kunstliebenden Publikums zu erfreuen, welches, um sich an der Vereinigung der königlichen Kunstschätze zu ergötzen, den vollendeten Bau des Museums erwarten muß; daher es gewiß sehr zu wünschen wäre, daß ein ähnliches festbestehendes Lokal zuvörderst sich hier befände, wo Besitzer schätzbarer Gemälde und Kunsthändler das Beste aus ihren Sammlungen zur Kenntnis des Publikums bringen, besonders aber auch die Künstler Berlins ihre zuletzt vollendeten Arbeiten aufstellen lassen möchten, um dadurch sowohl Raum für die neu angefangenen in ihren Ateliers, als mehr noch eine kostbare Zeit zu gewinnen, welche durch die Verpflichtung verloren geht, täglich diejenigen zu empfangen, welche neugierig zu einem oder dem anderen bekannt gewordenen Werke ihres Pinsels wallfahrten.“ A. v. Helwig.

e) Gleichförmiger Bau mehrerer Sätze, die aufeinander folgen, ist zu vermeiden. Anstößig ist es namentlich, wenn die Sätze immer wieder mit demselben Subjekt beginnen, z. B.: „Der Tiger ist ein prächtiges Tier, anmutig in seinen Bewegungen, aber von niedriger, grausamer Gemütsart. Er hat einen auf kurzen Beinen ruhenden Körper, wildrollende Augen und eine feuerrote Zunge, die er stets weit aus dem Rachen hervorstreckt. Er hat keinen anderen Instinkt als eine beständige Wut, einen blinden Grimm. Er wartet[S. 48] im Rohrdickicht, am Ufer der Seen und Flüsse auf die zur Tränke kommenden Tiere. Er sucht sich seine Beute aus oder vervielfältigt vielmehr seine Morde.“ (Besser: Der Tiger ist ein prächtiges Tier usw. Sein Körper ruht auf kurzen Beinen; die wildrollenden Augen und die feuerrote Zunge, die dieser Tyrann der indischen Wälder stets weit aus dem Rachen hervorstreckt, bekunden seine unersättliche Blutgier. Er hat keinen anderen Instinkt, als eine beständige Wut usw. Im Rohrdickicht, am Ufer der Seen und Flüsse wartet er usw. Dort sucht er sich seine Beute aus usw.)

30. Art der Verknüpfung.

a) Für die Zusammenziehung zweier Sätze gilt folgende Regel: Zwei Sätze dürfen nur dann zusammengezogen werden, wenn die Begriffe, die bei der Zusammenziehung nur einmal gesetzt werden, sowohl dem Inhalte als auch der grammatischen Form nach in beiden Sätzen völlig dieselben sind. So sind folgende Zusammenziehungen falsch, weil der Inhalt verschieden ist: „Der Knabe wird sechs Jahre alt, jetzt in die Schule geschickt und zunächst lesen lernen“ (das Verbum werden muß wiederholt werden; denn es ist das erstemal selbständiges Verbum, das zweitemal [wird geschickt] Hilfsverbum zur Bildung des Passivs, das drittemal [wird lernen] Hilfsverbum zur Bildung des Futurums). — „Der Kaufmann hatte sein ganzes Vermögen verloren und nur noch ein Haus in seiner Heimat“ (hatte ist das erstemal Hilfsverbum, das zweitemal selbständiges Verbum in der Bedeutung besitzen). — In folgenden Sätzen ist die grammatische Form nicht dieselbe: „Das erst ist die vollkommene Freiheit, einen Herrn weder zu haben noch zu sein“ (statt: weder einen Herrn zu haben, noch ein Herr zu sein). — „Der Brief, der heute früh angekommen ist und ich sofort gelesen habe.“ — Vgl. S. 40. — Ferner gilt als Regel, daß die zusammengezogenen Begriffe nicht ungleichartig seien, wie etwa in dem Satze: „Alle Georgier sind Christen, von Adel oder Bauern und geneigt zur Trunkliebe, gute Jäger und dem Erdbeben ausgesetzt.“ Auf solcher Zusammenstellung von Ungleichartigem beruhen vielfach die Witze Heinrich Heines.

b) Beigeordnete Nebensätze müssen durch dasselbe Pronomen oder dieselbe Konjunktion mit dem Hauptsatze verbunden werden. Zwei einander beigeordnete Relativsätze müssen z. B. beide mit der oder beide mit welcher eingeleitet werden. „Schon mancher Reisende ist ein Opfer der grausigen Schneewirbel geworden, die der Sturm in den Hochpässen umhertreibt und die (nicht welche) den Wandrer namentlich im Winter überraschen.“ Nicht gut ist der Satz: „Man suchte zu erforschen, wie der Schnee entstünde, auf welche Art (besser: wie) seine Kristalle sich zusammenfügten“ usw. Vgl. S. 46.

c) Nebensätze, von denen der eine dem anderen untergeordnet ist, sind so viel als möglich durch verschiedene Konjunktionen ein[S. 49]zuleiten. Von zwei Bedingungssätzen, die im Verhältnis der Unterordnung zueinander stehen, würde z. B. am besten der eine mit wenn, der andere mit falls zu beginnen sein, z. B.: „Es ist immer rührend, wenn auch der schwache Nestor sich dem ausfordernden Hektor stellen will, falls kein jüngerer und stärkerer Grieche mit ihm anzubinden sich getraut.“ Lessing. — Stehen zwei Relativsätze im Verhältnis der Unterordnung zueinander, so wendet man abwechselnd der und welcher zur Verknüpfung an, z. B.: „Er (Ignatius Loyola) hatte die unbeschränkte Leitung einer Gesellschaft in Händen, auf welche ein großer Teil seiner Intuitionen überging, welche ihre geistlichen Überzeugungen mit Studium auf dem Wege bildete, auf dem er sie durch Zufall und Genius erworben hatte; welche zwar seinen jerusalemischen Plan nicht ausführte, bei dem sich nichts erreichen ließ, aber übrigens zu den entferntesten, erfolgreichsten Missionen schritt und hauptsächlich jene Seelsorge, die er immer empfohlen, in einer Ausdehnung übernahm, wie er sie niemals hatte ahnen können; welche ihm endlich einen zugleich soldatischen und geistlichen Gehorsam leistete.“ Leopold von Ranke. Zu tadeln sind demnach Sätze wie die folgenden: „Der Fremde, welcher das Haus, in welchem (statt: in dem) er seine Kindheit verlebt hatte, wieder betrat.“ — „Ein Bedienter, der lange Zeit treu und redlich einem Herrn gedient, der aber nun gestorben ist (statt: welcher nun gestorben ist), sucht ein anderweitiges Unterkommen.“

31. Stellung der Sätze.

a) Die Objektsätze und Adverbialsätze folgen in der Regel dem Hauptsatze nach; nur wenn sie hervorgehoben werden sollen, erhalten sie ihre Stellung vor dem Hauptsatze. Regelmäßig: „Ich sehe, daß ihr meiner nicht bedürft.“ „Wie wurde mir, als ich ins Innere der Kirche trat.“ Inversion: „Daß er betrogen ist, kann er nicht sehen; daß sie Betrüger sind, kann ich nicht zeigen.“ „Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich umgeben.“ „Und wie er sitzt und wie er lauscht, teilt sich die Flut empor.“

b) Attributsätze stehen in der Regel unmittelbar nach dem Worte, das durch sie näher bestimmt wird, z. B.: „Die Hoffnung, daß sie endlich doch den Sieg über ihre Bedrücker erringen würden, erhielt unsere Vorfahren in schwerer Lage aufrecht.“ Andere Beispiele s. S. 40.

c) Subjektsätze stehen in der Regel vor dem Hauptsatze, z. B.: „Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.“ Nachgestellt wird der Subjektsatz, 1. wenn er einen weit größeren Umfang hat als der Hauptsatz, z. B.: „Daß er das Gute will, ist außer Zweifel; aber leider ist es ebenso gewiß, daß geistige Beschränktheit ihn ver[S. 50]kehrte Mittel zu guten Zwecken ergreifen und Schwäche des Willens ihn auch ergriffene rechte Mittel nicht durchführen läßt“; 2. wenn der Hauptsatz hervorgehoben werden soll, z. B.: „Es ist so schwer, im Freunde sich verdammen.“ „Ganz unleidlich ist’s, was wir erdulden“; 3. wenn der Hauptsatz ein Fragesatz ist, z. B.: „Ist’s denn so nötig, daß er sich entfernt?“

d) Zwischensätze dürfen nicht zu lang sein. Nicht gut ist z. B. der Satz: „Der Brocken, welcher die höchste Erhebung des Harzes bildet und schon während des ganzen Mittelalters wohl bekannt war und namentlich in der Sage eine große Rolle spielte, aber noch nicht von fröhlichen Wanderern, sondern höchstens von unheimlichen Hexen bestiegen wurde, gewährt selten eine gute Fernsicht.“ Der Zusammenhang des übergeordneten Satzes wird hier durch den Zwischensatz fast aufgelöst. Sind lange Zwischensätze nicht zu vermeiden, so muß nach Beendigung des Zwischensatzes der übergeordnete Satz von neuem begonnen werden, z. B.: „Daß die Vorsteher jener helvetischen Republiken weder den Herrn Linguet noch seine Annalen für wichtig genug gehalten, sich um ihretwillen auch nur der geringsten Unannehmlichkeit auszusetzen, die daraus hätte erfolgen können, wenn Blätter, worin nicht nur so viele öffentliche Korps und Gesellschaften in Frankreich aufs heftigste angegriffen werden, sondern selbst über Nationen, Könige, Fürsten und öffentliche Welthändel mit zynischer Freiheit ins Gelag hinein räsoniert wird, wenn, sage ich, Blätter dieses Schlages öffentlich aus einer helvetischen Druckerei hervorgegangen wären.“ Wieland.

e) Wenn ein Nebensatz in einen anderen eingeschoben wird, so darf er nicht gleich nach der Konjunktion des übergeordneten Satzes eingeschaltet werden, sondern es muß mindestens ein den Inhalt andeutendes Satzglied (Subjekt, Objekt usw.) voraufgegangen sein. Nicht gut ist daher der Satz: „Es genügt, wenn, da der Geist immer unbewußt danach verfährt, er für jeden einzelnen Teil einen solchen Ausdruck findet, der ihn wieder einen anderen mit richtiger Bestimmtheit auffassen läßt.“ Richtig ist dagegen der Satz: „Wie glücklich war ich, daß tausend kleine Vorgänge zusammen, so gewiß als das Atemholen Zeichen meines Lebens ist, mir bewiesen, daß ich nicht ohne Gott auf der Welt sei.“ Goethe. Ist ein Nebensatz in einen Relativsatz eingeschoben, so kann er unmittelbar auf das Relativpronomen folgen, da das Relativpronomen nicht bloß zur Verknüpfung dient, sondern zugleich ein wichtiges Satzglied im Relativsatze bildet. Tadellos ist daher der Satz: „Jeder hat etwas in seiner Natur, das, wenn er es öffentlich ausspräche, Mißfallen erregen müßte.“ Goethe.

f) Adverbialsätze dürfen nicht, wie im Lateinischen, unmittelbar nach dem Subjekte des Hauptsatzes stehen. Fehlerhaft sind daher die Sätze: „Orgetorix, nachdem er sich des Adels versichert,[S. 51] kam in die Gemeinde der Eidgenossen.“ „Der Major, als er in sein Zimmer trat, fühlte sich wirklich in einer Art von Taumel“ usw.

g) Konditionalsätze, die die Form eines Fragesatzes haben, müssen immer dem Hauptsatze vorangehen, z. B.: „Ist sie begeistert und von Gott gesandt, wird sie den König zu entdecken wissen.“ Schiller. Falsch dagegen: „Jede Form, wie köstlich auch immer ihr Inhalt sei, hat sie einmal ihre Zeit überlebt, kann so wenig als der Leichnam eines Menschen wieder erweckt werden.“

h) Einschachtelung von Nebensätzen ist zu vermeiden. Zu tadeln sind Sätze wie die folgenden: „Christliche Prediger, die sich durch den Ernst, mit welchem sie sich mit den inneren Kämpfen des religiös bewegten Lebens beschäftigten, auszeichneten, waren willkommen.“ — „Die Gesetze der Schwere, wie sie Newton und andere große Astronomen, welche dadurch einen Ruf, der bis in die Ewigkeit dauern wird, erlangt haben, aufstellen, sind jetzt allgemein bekannt.“

i) Nebensätze, die einander beigeordnet sind, müssen immer unmittelbar nebeneinander stehen, sie müssen also entweder beide Vordersätze oder beide Zwischensätze oder beide Nachsätze sein. Fehlerhaft ist z. B. der Satz: „Daß er der Heimat nahe sei, ward ihm jetzt immer deutlicher, und daß ihm große Freude bevorstehe.“

32. Rhythmus des Satzes.

Der Rhythmus des Satzes beruht auf dem Wechsel stärker und schwächer betonter Satzglieder und Sätze. Je wichtiger ein Begriff oder ein Gedanke ist, desto stärker ist seine Betonung. Der Rhythmus wird nur dann ein wohlgefälliger sein, wenn ein lebendiger Wechsel mannigfacher Tonverhältnisse stattfindet und wenn dieser Wechsel nicht unregelmäßig und willkürlich, sondern mit schönem Ebenmaß der Sätze verbunden ist. Man beobachte daher hauptsächlich folgende Regeln:

a) Ein zu geringer Wechsel der Betonung ist zu meiden, denn der Stil wird dadurch eintönig und schleppend. Eintönig wird der Stil z. B., wenn lauter kurze Hauptsätze aufeinander folgen: „Peter war groß und von edlem Anstande. Er hatte eine geistreiche Physiognomie. Er drückte sich gut aus und redete mit Feuer, er hatte viel natürliche Anlagen zur Beredsamkeit und hielt oft Anreden. Gegen äußere Pracht war er sehr gleichgültig und überließ es seinem Günstling Menzikof, sie, wo es nötig war, zu zeigen. Nie war wohl ein Mensch arbeitsamer, unternehmender und weniger zu ermüden.“ Man nennt solche Sätze zerhackte Sätze. Schleppend wird der Stil, wenn die Perioden zu lang sind, wenn die Unterordnung durch eine zu lange Reihe von Gliedern fortgesetzt wird, vgl. S. 47; wenn zuviel gleichartige Satzteile aneinandergereiht[S. 52] werden, vgl. S. 42, und wenn Nebensätze eingeschachtelt werden, vgl. S. 51.

b) Die Satzglieder und einzelnen Sätze einer Satzverbindung oder eines Satzgefüges müssen nach ihrem Inhalte und Umfange in möglichstem Ebenmaße stehen. Vgl. S. 45.

c) Anhäufungen schwach betonter oder unbetonter Wörter sind zu vermeiden. Fehlerhaft ist daher der Rhythmus in folgenden Sätzen: „Ich kann Ihre Briefe nicht entbehren: da Sie mir sie also nicht als ein Almosen wollen zukommen lassen“ usw. Lessing. „Er wunderte sich, wie sie, die sie es doch selbst gesehen habe, das bezweifeln könne.“

d) In einer Periode verhalten sich Vordersatz und Nachsatz zueinander wie Hebung und Senkung. Der Ton steigt bis zum Ende des Vordersatzes und sinkt dann allmählich bis zum Schlusse des Nachsatzes. Wenn der Nachsatz zu lang ist, namentlich wenn er aus mehreren beigeordneten Gliedern besteht, wird daher der Rhythmus leicht schleppend. Deshalb ist folgende Periode nicht mustergültig: „Wenn das Bücherlesen seinen eigentlichen Zweck erreichen, den Verstand aufklären, den Geschmack bilden, das Herz veredeln, Kraft und Stoff zum Denken, Handeln und Genießen geben, oder was ebensoviel heißt, wenn es uns weiser, besser und froher machen soll: so ist es nicht genug, gleich Irrenden in der Bücherwelt umherschwanken oder immer in einem Meere fremder Gedanken zu schwimmen, indes die Quelle der eigenen in uns vertrocknet; sondern wir müssen mit Wahl und Ordnung, mit Muße und Selbsttätigkeit lesen und dürfen keines der wenigen, aber guten Bücher aus der Hand legen, ehe wir uns über die Hauptgedanken des Verfassers befriedigende Rechenschaft zu geben imstande sind.“ Meisterhaft gebaut ist dagegen folgende Periode Schillers: „Wenn von der menschlichen Natur, solange sie menschliche Natur bleibt, nie und nimmer zu erwarten ist, daß sie ohne Unterbrechung und Rückfall gleichförmig und beharrlich als reine Vernunft handle und nie gegen die sittliche Ordnung anstoße; wenn wir bei aller Überzeugung sowohl von der Notwendigkeit, als von der Möglichkeit reiner Tugend uns gestehen müssen, wie sehr zufällig ihre wirkliche Ausübung ist und wie wenig wir auf die Unüberwindlichkeit unserer besseren Grundsätze bauen dürfen; wenn wir uns bei diesem Bewußtsein unserer Unzuverlässigkeit erinnern, daß das Gebäude der Natur durch jeden unserer moralischen Fehltritte leidet; wenn wir uns alles dieses ins Gedächtnis rufen; so würde es die frevelhafteste Verwegenheit sein, das Beste der Welt auf dieses Ungefähr unserer Tugend ankommen zu lassen.“ In dieser Periode sind nicht nur Vordersatz und Nachsatz zu einem rhythmisch schönen Ganzen verbunden, sondern auch jedes Glied der Periode hat für sich wieder einen wohlgefälligen Rhythmus.

[S. 53]

III. Besondere Stilistik.

A. Die Arten des Stiles.

33. Prosaischer und poetischer Stil.

Die Prosa ist mehr auf die Mitteilung der Gedanken gerichtet, die Poesie dagegen strebt vor allem nach Schönheit der Darstellung. Der Schöpfer der prosaischen Rede ist daher im allgemeinen der Verstand, der Schöpfer der poetischen Rede die Phantasie. Während die prosaische Rede vor allem Deutlichkeit und Übersichtlichkeit erfordert, verlangt der poetische Stil in erster Linie Anschaulichkeit, Lebendigkeit und Schönheit der Form. Selbstverständlich darf auch der prosaische Stil nicht unschön und der poetische Ausdruck nicht unklar und ohne Verstand sein, aber es handelt sich hier darum, was an erster Stelle dem Stile das eigentümliche Gepräge gibt. Die höchste Stufe erreicht der poetische Ausdruck, wenn er in genau abgemessenen Rhythmen, in Versen und Strophen sich darstellt, und gewöhnlich nennt man poetischen Stil nur den, der in diesen Formen zur Erscheinung kommt. Doch spricht man auch von poetischer Prosa, und man sieht schon hieraus, daß die Begriffe „prosaischer und poetischer Stil“ sich wegen ihrer Dehnbarkeit wenig zu einer wissenschaftlichen Bestimmung der Stilgattungen eignen. Man teilt daher den Stil besser in folgende Arten: a) Stil des Verstandes; b) Stil des Gemütes.[21] Der Stil des Verstandes soll berichten und belehren, der Stil des Gemütes rühren und bewegen.

Anmerkung. Prosa, entstanden aus oratio prorsa, d. i. die vorwärts gerichtete, geradeaus gehende Rede (proversa), bei der sich nicht wie bei der poetischen Rede (oratio versa) die gleiche rhythmische Gliederung wiederholt; die poetische Rede kehrt gleichsam immer wieder um, während die Prosa vorwärts schreitet.

34. Der Stil des Verstandes.

Der Stil des Verstandes zerfällt zunächst in den berichtenden und belehrenden (didaktischen) Stil.

Zu dem berichtenden Stile gehören:

a) Der Geschäftsstil. Hierher rechnet man alle Arten von amtlichen Berichten, Verträgen, Vermächtnissen, Zeitungsanzeigen,[S. 54] Geschäftsbriefen, Beschreibungen von Bauten, Maschinen usw. Der Geschäftsstil fordert vor allem Deutlichkeit, Sprachrichtigkeit, Bestimmtheit und Kürze. Bilder, veraltete und neugebildete Wörter, mehrdeutige Ausdrücke, müßige Attribute sind streng zu meiden. Die Uneigentlichkeit des Ausdruckes wird hier zum Fehler; man gebe jedem Begriffe die gebräuchlichste Benennung und suche nicht etwa das Abstrakte durch Bilder zu versinnlichen oder den einfachen Ausdruck durch Redefiguren auszuschmücken.

b) Der erzählende Stil. Hierher gehören alle Erzählungen von Begebenheiten, alle Beschreibungen und Schilderungen von Naturereignissen, Erlebnissen usw. In der Idylle, im Roman, in der Novelle und im Märchen verbindet sich der erzählende Stil mit dem Gemütsstil und erhebt sich zu poetischer Darstellung. Der erzählende Stil verlangt vor allem Anschaulichkeit und Lebendigkeit; Bilder und Figuren sind hier oft von guter Wirkung. Doch darf darüber niemals einfache Deutlichkeit und Natürlichkeit der Rede verloren gehen. Lange Perioden, Häufung von Attributen und präpositionalen Ausdrücken, Überladung mit Nebensätzen sind ganz besonders zu meiden. Die Sätze seien vor allem leicht zu überschauen und unmittelbar verständlich.

c) Der historische Stil. Da die Geschichte die Schicksale und Taten einzelner Menschen und Völker darstellt und in diesen Schicksalen zugleich die ewigen Gesetze einer göttlichen Weltordnung zeigt, so muß in der Erzählung weltgeschichtlicher Ereignisse immer ein gewisser feierlicher Ernst mit zum Ausdrucke kommen. Durch diesen sittlichen Ernst unterscheidet sich der historische Stil vom erzählenden. Während der erzählende Stil oft zum einfachen Volkston herabsteigt und gerade dadurch seine schönsten Wirkungen erzielt, verlangt der historische Stil vor allem geistige Durchdringung und völlige Beherrschung des Stoffes und eine glänzende Form, die dem Gedanken genau entspricht. Bestimmtheit und Kürze, vor allem aber Wahrheit und Sachlichkeit sind die ersten Erfordernisse dieser Stilart. Der eigentliche Schöpfer eines deutschen historischen Stiles ist Schiller.[22] — Im Epos wird der historische Stil zum poetischen Stile.

Den belehrenden Stil kann man in zwei Unterarten einteilen, nämlich in:

a) Den eigentlichen Lehrstil. Diese Stilart wird hauptsächlich in Lehrbüchern angewendet, also überall da, wo es sich nicht um die Erörterung und Begründung eines einzelnen wissenschaftlichen Satzes handelt, sondern wo eine ganze Summe von Lehrsätzen dargestellt wird, die als hinlänglich anerkannt und feststehend gelten. Deutlich[S. 55]keit, Bestimmtheit und Kürze sind die unentbehrlichen Eigenschaften dieser Stilart.

b) Den abhandelnden Stil. Dieser Stil wird angewendet, wenn es sich um die Erörterung, Begründung oder Widerlegung eines einzelnen wissenschaftlichen Satzes handelt. Schärfe und Strenge der Untersuchung, Genauigkeit und Ausführlichkeit der Beweisführung sind unerläßliche Forderungen, wenn die Abhandlung den Leser überzeugen soll. Die größte Klarheit ist hier die größte Schönheit.

34. Der Stil des Gemüts.

Der Stil des Gemüts erwächst aus dem Gefühl des Sprechenden oder Schreibenden und will zugleich das Gefühl des Hörenden oder Lesenden ergreifen oder bewegen. Bewegung des Gefühls ist also das eigentliche Kennzeichen dieser Stilart. Je nachdem nun mehr die Schilderung der eigenen Gefühle oder das Streben, den Hörer oder Leser durch die Darstellung zu bewegen, in den Vordergrund tritt, unterscheidet man den lyrischen Stil und den rednerischen Stil.

a) Der lyrische Stil tritt am reinsten zutage in der lyrischen Poesie. Er wird aber auch in prosaischen Darstellungen erfordert, wenn in Erzählungen, Trauerreden, feierlichen Glückwünschen usw. die Gefühle der beteiligten Personen zum Ausdruck gebracht werden sollen. Der lyrische Stil erscheint jedoch in der Prosa gewöhnlich anderen Stilarten untergeordnet. Die höchste Steigerung des lyrischen Stiles nennt man den erhabenen Stil, der auf überwältigender Größe der Empfindung beruht. — Der lyrische Stil fordert vor allem Wahrheit der Empfindung und Lebendigkeit der Darstellung. Krankhafte Empfindelei ist ebenso zu meiden wie bloße trockene Beschreibung der Gefühle. Bilder und Figuren sind dieser Stilart unentbehrlich. Der erhabene Stil namentlich bedient sich edler, nicht in der Alltagssprache gebrauchter Wörter, z. B.: Wange (für Backen), Zähre (für Träne), kiesen (für wählen), walten (für herrschen), Gewand (für Kleid) usw. Solche Wörter nennt man verba solemnia (d. i. feierliche Wörter), weil sie nur in gehobener Rede gebräuchlich sind.

b) Der Rednerstil. Der Redner strebt vor allem danach, dem Willen der Hörer eine bestimmte Richtung zu geben, und sucht das namentlich durch starke Erregung des Gefühls zu erreichen: er will begeistern oder erbauen. Eine nachhaltige Begeisterung wird er freilich nur dann erwecken können, wenn seine Rede die Hörer zugleich überzeugt hat; daher darf nicht bloß das Gefühl sprechen, sondern dem Verstande gebührt ein gleicher Anteil an der Gestaltung der Darstellung. Aber auf der verständigen Klarheit und Deutlichkeit der Rede baut sich dann jene belebtere Form der Darstellung[S. 56] auf, die das Gefühl des Hörers leidenschaftlich zu erregen und mächtig zu ergreifen sucht. Dadurch erst erhält der Rednerstil sein eigenartiges Gepräge. — Eintönigkeit im Bau der Sätze ist vor allem zu meiden; der Redner muß vielmehr nach reicher Gliederung der Perioden, nach einer großen Fülle verschiedenartiger Satz- und Periodenglieder und nach außerordentlicher Mannigfaltigkeit im Aufbau derselben streben. Schöner Rhythmus der Sätze ist hier ein Haupterfordernis. — Man unterscheidet geistliche und weltliche Reden; die weltlichen zerfallen wieder in Schulreden, politische Reden und gerichtliche Reden.

Wie die Rede für die Prosa, so ist das Drama für die Poesie der Gipfelpunkt, den die Darstellung erreichen kann. Auch im Drama ist, wie bei der Rede, das letzte Ziel eine starke Einwirkung auf das Gefühl des Hörers, und auch das Drama verlangt daher jenen höchsten Schwung des Stiles, der den Hörer mächtig mit sich fortreißt.

Anmerkung 1. Eine wohlgebaute Rede gliedert sich in der Regel in drei Teile: in den Eingang, die Ausführung und den Schluß. — a) Der Eingang (exordium oder expositio) hat den Zweck, Wohlwollen zu gewinnen, die Aufmerksamkeit zu erregen und die Wißbegierde der Zuhörer in Anspruch zu nehmen. Man teilt daher den Eingang gewöhnlich wieder in drei Teile: 1. die captatio benevolentiae, 2. die narratio facti, d. i. Bericht über den tatsächlichen Anlaß zu der Rede, 3. die expositio. Die captatio benevolentiae besteht darin, daß der Redner einige Worte voraufschickt, die seine Bescheidenheit und zugleich seine Freundlichkeit gegen den Hörer bekunden. In der narratio facti gibt der Redner kurz an, was ihn zu seiner Rede veranlaßt hat.[23] Die expositio legt den Hauptgedanken, das Thema der Rede, und zuweilen auch die einzelnen Teile dar, in die es sich zerlegen läßt. — Der ganze Eingang muß klar und deutlich und vor allem kurz sein. — b) Die Ausführung (disputatio) ist der eigentliche Kern der ganzen Rede. Man nennt diesen Teil auch die Beweisführung; denn hier wird der Hauptgedanke begründet und die entgegenstehenden Meinungen werden bekämpft. Der Redner sucht alle nur möglichen Einwendungen zu widerlegen, so daß zuletzt seine Gedanken als die Sieger in dem Kampfe erscheinen. — c) Der Schluß (conclusio) faßt noch einmal kurz die Hauptstücke der Ausführung zusammen (recapitulatio), sucht dann namentlich auf das Gefühl der Zuhörer nachdrücklich zu wirken (pathetischer Teil) und legt ihnen den praktischen Zweck der Rede ans Herz (eigentlicher Schluß). Den Kern der conclusio bildet der pathetische Teil, auf dessen Ausführung daher auch ganz besonderer Fleiß zu verwenden ist. Hier kann sich recht eigentlich das Talent des Redners zeigen.

Anmerkung 2. Als besondere Stilart wird zuweilen noch der Briefstil unterschieden. Dieser bildet jedoch keine besondere Stilgattung, sondern der Briefschreiber wird sich bald des Geschäftsstiles, bald des erzählenden[S. 57] Stiles, bald des didaktischen Stiles usw. bedienen, je nachdem er in dem Briefe etwas Geschäftliches verhandeln oder etwas erzählen oder über etwas belehren will. Der Unterschied besteht hier nur in dem Umstande, daß der Brief immer eine schriftliche Mitteilung an eine einzelne Person (selten an mehrere) ist. Dieser Unterschied kommt in der Anrede und am Schlusse zum Ausdruck. Für vertrauliche Briefe gilt die Regel, daß sie sich so eng als möglich an die Umgangssprache anzuschließen haben. Vornehm klingende Phrasen und gesuchte Formen des Ausdrucks sind geschmacklos und stören den Leser.

[21] Wir schließen uns hier in den Hauptpunkten der Einteilung an, die Becker gegeben hat, nur mit dem Unterschiede, daß wir bei dieser Einteilung prosaischen und poetischen Stil zusammenfassen, während Becker diese beiden Stilgattungen scheidet und wieder in Unterarten zerlegt. Wackernagel teilt den Stil in folgende Arten: a) Stil des Verstandes (lehrhafte Prosa); b) Stil der Einbildung (Epos, Drama); c) Stil des Gefühls (oratorische Prosa, Lyrik).

[22] Vgl. meine Darstellung der Entwickelung des historischen Stiles in Beckers deutschem Stil, S. 457 flg.

[23] Bei einer Predigt besteht die narratio facti in der Verlesung des Bibeltextes.

B. Die Mittel zur Ausbildung des Stiles.

36. Das Studium guter Muster.

Der Ausbildung der Sprache und des Stiles dient genau genommen der gesamte Unterricht, den jemand genießt, aber es sind doch auch besondere Mittel für diesen Zweck vorhanden, deren Gebrauch die Fähigkeit, seine Gedanken klar und in gefälliger Form darzustellen, außerordentlich fördert. Diese Mittel sind: a) Das Studium guter Muster; b) eigene Versuche, seine Gedanken über irgendein Thema zusammenhängend und wohlgeordnet darzustellen (Aufsätze).

Das Studium guter Muster ist die erste Bedingung, die erfüllt werden muß, wenn jemand auch nur einige stilistische Gewandtheit sich erwerben will. Die Hauptwerke unserer großen Dichter und Schriftsteller vor allem sollten von jedem, der seine deutsche Sprache liebt und achtet, immer und immer wieder nicht etwa bloß flüchtig gelesen, sondern gründlich studiert werden. Man scheide beim Lesen die Hauptgedanken von den Nebengedanken, mache sich immer die Anordnung der Gedanken (Disposition) klar, lerne die vorzüglichsten Stellen auswendig und präge sich gute und geschmackvolle Redewendungen ein; man lese nicht vielerlei neben- und durcheinander, sondern bleibe bei einem, und zwar so lange, bis man mit dem Inhalte völlig vertraut geworden ist. Die Schule wählt zwar eine Anzahl unserer bedeutendsten Dichtungen für die gemeinsame Lektüre in der Klasse aus, aber sie muß doch bei dem Mangel an Zeit vieles der Privatlektüre überlassen. Man lese auch zu Hause laut, das bloße stille Lesen mit den Augen fördert das eigentliche Stilgefühl, das Gefühl für die Schönheit und den Wohllaut des Satzbaues viel zu wenig.

Anmerkung. Neben dem Lesen ist ganz besonders der Umgang mit Gebildeten für die Entwickelung des sprachlichen Ausdrucks von großer Wichtigkeit. Vgl. hierüber Herders Rede: „Von der Ausbildung der Rede und Sprache in Kindern und Jünglingen.“

[S. 58]

37. Der Aufsatz.

Jeder Aufsatz handelt über einen bestimmten Gegenstand, welchen das Thema nennt, das dem Aufsatze voraufgestellt wird. Ist das Thema festgestellt, so wird zunächst der Stoff gesammelt, d. h. alles aufgesucht und zusammengestellt, was sich über den Gegenstand sagen läßt. Der gesammelte Stoff wird dann in eine bestimmte, zweckmäßige Ordnung gebracht. Diese Ordnung der Gedanken nach Inhalt und natürlicher Folge heißt Disposition. Hieran endlich schließt sich die Ausarbeitung, die das, was in der Disposition getrennt erscheint, in einen angemessenen Zusammenhang bringt, und das, was in der Disposition bloß allgemein angedeutet werden konnte, im einzelnen ausführt. Demnach lassen sich die Tätigkeiten, die sich bei der Abfassung eines Aufsatzes nötig machen, in folgende vier Gruppen bringen:

1. Aufstellung des Themas.
2. Stoffsammlung.
3. Disposition.
4. Ausarbeitung.

38. Das Thema und die Arten der Aufsätze.

Das Thema muß klar, in sich abgerundet und fruchtbar sein. Klar nennen wir ein Thema dann, wenn es so gefaßt ist, daß eine Mehrdeutigkeit des Sinnes ausgeschlossen und der Stoff, der behandelt werden soll, genau bestimmt ist. In sich abgerundet ist das Thema, wenn sein Inhalt genau begrenzt und so einer Abschweifung auf Seitengebiete vorgebeugt ist. Fruchtbar endlich heißt ein solches Thema, das ausreichenden Stoff zur Behandlung, seien es Tatsachen oder Gedanken, in sich schließt.

In der Schule wird das Thema in der Regel vom Lehrer gegeben, und die Aufgabe des Schreibenden besteht dann in bezug auf diesen Punkt nur darin, sich den Sinn des Themas vollkommen klar zu machen, der Abgrenzung des Stoffes, die in dem Thema gegeben ist, sich deutlich bewußt zu werden und diese immer festzuhalten, sowie der Anregung zur Auffindung von Stoff, die in dem Thema enthalten ist, sorgfältig und mit Liebe nachzugehen. Im Leben hat man sich jedoch das Thema zu Aufsätzen und umfangreicheren schriftlichen Arbeiten meist selbst zu suchen, und man hat dann genau darauf zu achten, daß es den angeführten drei Forderungen entspricht. Man versäume daher nicht, sich auch im Aufstellen von Themen zu üben, was am besten dadurch geschieht, daß man zu Abschnitten aus den Werken unserer großen Dichter, namentlich Lessings, Goethes, Schillers, Herders u. a. nach sorgfältiger Lektüre kurze und schlagende, d. h. genau bezeichnende Überschriften sucht. Diese Übung ist fast ebenso wichtig als die Ausarbeitung eines gegebenen Themas.

[S. 59]

Das Thema kann den verschiedensten Stoffkreisen entlehnt sein. Die wichtigsten Arten der Schulaufsätze sind:

a) Die Erzählung. Eine Handlung wird in ihrem ununterbrochenen Verlaufe dargestellt, so daß die einzelnen Teile derselben ein zusammenhängendes Ganzes bilden.

b) Die Beschreibung. Ein Gegenstand wird in bezug auf seine nebeneinanderliegenden Teile dargestellt. Eine gute Beschreibung wird jedoch auch das im Raume Ruhende in einer gewissen zeitlichen Aufeinanderfolge darzustellen wissen. So wird z. B. eine Pflanze am besten in der Weise beschrieben, daß die einzelnen Teile in der Reihenfolge aufgeführt werden, in welcher sie sich selbst entwickeln, daß man also gleichsam die Pflanze vor sich entstehen sieht. Homer erzählt, wie die Waffen nach und nach fertig werden oder wie ein Kleidungsstück nach dem anderen angelegt wird. So ist immer das Unbelebte und Unbewegte mit dem lebendigen Gang einer Handlung in Verbindung zu setzen. Man vgl. hierüber Lessings Laokoon.

c) Die Schilderung. Ein Gegenstand oder ein Ereignis wird in besonders anschaulicher und lebendiger Weise dargestellt, z. B.: ein Frühlingstag, ein Gewitter usw.

d) Die Charakteristik. Die Eigenart einzelner Personen oder ganzer Menschengattungen wird geschildert, z. B.: Gustav Adolf, Wallenstein, der Geizige, der Jähzornige usw.

e) Die Abhandlung. Die Abhandlung ist die höchste und schwierigste Form des Aufsatzes, weil sie sich nicht mit konkreten Gegenständen, sondern mit abstrakten Dingen, mit Begriffen, Sentenzen und theoretischen Wahrheiten beschäftigt.

f) Übersetzungen aus fremden Sprachen. Diese sind für die Ausbildung des Stiles von großer Wichtigkeit, wenn sie mit Sorgfalt ausgeführt werden, und wenn man streng darauf bedacht ist, jede undeutsche Wendung zu meiden.

39. Das Sammeln des Stoffes.

Beim Sammeln des Stoffes schreibe man die Gedanken zunächst ohne Rücksicht auf irgendwelche bestimmte Reihenfolge so nieder, wie sie einem zufällig in den Sinn kommen. Gewöhnlich bilden sich aber dabei von selbst schon gewisse Gesichtspunkte, nach denen der Stoff sich ordnen läßt, mit heraus, die dann später willkommene Anhaltspunkte für die Disposition bieten. Die Hauptmittel, um Stoff zur Behandlung gegebener Themen zu finden, sind: Beobachtung der Natur und des Lebens, sowie die Lektüre guter Werke.

40. Die Disposition.

Bevor man an die Darstellung selbst geht, muß der Gegenstand nach allen Seiten durchdacht sein, und der Stoff, den man dabei[S. 60] gefunden hat, muß geordnet werden. Es lassen sich oft sehr viele Teile und Unterteile bilden, jeder Aufsatz hat aber in der Regel drei Hauptteile, nämlich: a) den Eingang, b) die Ausführung, c) den Schluß.

a) Der Eingang hat den Zweck, auf den darzustellenden Gegenstand hinzuleiten. Er muß daher alles enthalten, was zum Verständnisse des Folgenden notwendig ist, und muß das Interesse des Lesers erwecken. Bei Erzählungen und Beschreibungen werden hauptsächlich Raum- und Zeitverhältnisse (Lage, Ort, Jahreszeit u. ähnl.) den Inhalt bilden, bei Abhandlungen wird von den Umständen zu reden sein, die den Verfasser zum Schreiben veranlaßt haben, oder es werden allgemeine Gedanken anzuführen sein, die zu dem besonderen Gedanken des Themas hinführen, u. ähnl. Bei größeren Arbeiten muß die Einleitung immer das Reifste und Vollendetste sein, man wird daher gut tun, sie zuletzt zu schreiben.

b) Die Ausführung. Am Schlusse der Einleitung, namentlich bei Abhandlungen, pflegt der Schreibende das Thema anzugeben, von dem seine Darstellung handeln soll. Die Ausführung enthält nun die eigentliche Darstellung; alles, was über den Gegenstand zu sagen ist, muß klar, kurz und wohlgeordnet angeführt werden. Die Ausführung gliedert sich daher wieder in eine Reihe von Haupt- und Unterteilen. Die Hauptteile hebe man voneinander ab, leite aber durch geschickte Wendungen von einem zum anderen über; die Unterteile dagegen müssen ganz innig miteinander verbunden werden, so daß sie sich nicht so stark voneinander abheben wie die Hauptteile. Bei der Erzählung, Beschreibung und Schilderung ergeben sich die Teile gewöhnlich aus der zeitlichen Folge oder der räumlichen Lage, bei der Abhandlung steigt man im allgemeinen vom minder Wichtigen zum Wichtigeren auf. Ist bei der Abhandlung das Thema allgemeiner Art, so wird es in der Ausführung in seine Besonderheiten zerlegt, ist es dagegen ein besonderer Gedanke, so wird es auf allgemeine Sätze zurückgeführt. Außerdem müssen Beweisgründe für die Wahrheit, Widerlegungen der Einwürfe beigebracht und die nötigen Folgerungen daraus gezogen werden.

c) Der Schluß rundet den Aufsatz zu einem in sich geschlossenen Ganzen ab. Bei der Erzählung, Beschreibung und Schilderung enthält er gewöhnlich einen Hinweis auf die Folgen oder die Bedeutung eines Vorganges oder auf den Gesamteindruck des beschriebenen Gegenstandes. Der Schluß einer Abhandlung enthält in der Regel den Satz noch einmal, der erörtert oder bewiesen werden sollte, indem das Ergebnis der Beweisführung kurz zusammengefaßt wird. Der Schluß sei kurz, treffend und bündig, er enthalte nichts Unnötiges und nichts, was sich nicht zwanglos aus dem Vorhergehenden ergibt.

[S. 61]

41. Dispositionsregeln.[24]

Die Anordnung und Gliederung des Stoffes, der in einem Aufsatze dargestellt werden soll, ist eine Tätigkeit des Verstandes, sie muß daher vor allen Dingen streng logisch sein. Das Wesen der Disposition besteht darin, daß ein Ganzes in seine Teile zergliedert und die Verhältnisse dargelegt werden, in denen die Teile zu dem Ganzen und untereinander stehen. Man hat daher, wenn man irgendeine Teilung eines Ganzen vornimmt, sich folgende drei Fragen zu beantworten:

a) Wie verhält sich das Ganze zu den Teilen in ihrer Gesamtheit?

b) Wie verhält sich jeder einzelne Teil zum Ganzen?

c) Wie verhalten sich die einzelnen Teile untereinander?

Bei a) ergibt sich, daß das Ganze immer gleich ist der Summe seiner Teile, und daß daher sofort eine empfindliche Lücke entsteht, wenn ein Teil fehlt, oder ein störender Überschuß, wenn etwas Überflüssiges zu den Teilen hinzugetan worden ist. Wollte man z. B. das Pflanzenreich behandeln und dieses einteilen in Bäume und Sträucher, so würde diese Teilung falsch sein, weil die Summe der Teile, d. i. hier die Bäume und Sträucher zusammengenommen, gar nicht das Ganze, d. i. das Pflanzenreich, ergäbe, sondern ganze große Gruppen, z. B. Blumen, Moose, Pilze, Farne u. a., fehlten. Eine richtige Teilung dagegen ist es, wenn man die Pflanzen in Phanerogamen und Kryptogamen einteilt, da diese Teile zusammengenommen alle Pflanzen einschließen. Falsch würde die Teilung aber sofort wieder werden, wenn man eine Gruppierung in Phanerogamen, Kryptogamen und Zellpflanzen vornähme, indem man hier einen überflüssigen Teil hinzufügte, denn die Zellpflanzen gehören zu den Kryptogamen. Solche überflüssige Teile entstehen gewöhnlich dadurch, daß man den ursprünglichen Einteilungsgrund nicht festhält, sondern unvermerkt einen neuen Einteilungsgrund unterschiebt. Will man einen Teil der Pflanzen als Zellpflanzen (d. i. solche, die nur aus Zellen bestehen) aufführen, so muß man ihm den anderen als Gefäßpflanzen (d. i. solche, die aus Zellen und Gefäßen bestehen) gegenüberstellen, dann hat man wieder eine richtige und vollständige Einteilung des Pflanzenreiches. Hier hat man dann den inneren anatomischen Bau der Pflanzen als Einteilungsgrund angenommen und durchgeführt, während für die Einteilung in Phanerogamen und Kryptogamen der Einteilungsgrund aus der[S. 62] Beobachtung der Blüte hervorgegangen ist (Blüte und Samen; keine Blüte und Sporen). Es ergibt sich also bei diesem Punkte die wichtige Regel: Die Disposition muß vollständig sein, d. h. es darf kein Teil fehlen, sie darf aber auch keinen überzähligen Teil enthalten.

b) Betrachtet man das Verhältnis jedes einzelnen Teiles zum Ganzen, so ergibt sich die Tatsache, daß das Ganze und der Teil nie einander beigeordnet sein können, sondern daß jeder Teil immer dem Ganzen untergeordnet ist. Jeder Teil muß sich daher genau in den durch das Ganze gezogenen Grenzen halten und darf nicht über diese Grenzen hinausgreifen; zugleich muß er sich aber auch auf seinem besonderen Gebiete bewegen und darf nicht auf das Gebiet des Ganzen überschweifen. Hat man also z. B. das Pflanzenreich in Phanerogamen und Kryptogamen geteilt, so darf man bei keinem der Teile auf ein anderes Naturreich, etwa das Tierreich oder Mineralreich, überschweifen, und ebensowenig darf man bei den einzelnen Teilen von den Pflanzen im allgemeinen sprechen, sondern man hat von den Phanerogamen, bzw. Kryptogamen zu reden. Hieraus ergibt sich als zweite Hauptregel für das Disponieren: Jeder Teil muß dem Ganzen untergeordnet sein und sich zugleich durch seinen besonderen Inhalt von dem Ganzen unterscheiden.

c) Die einzelnen Teile untereinander dagegen sind sich beigeordnet. Der eine Teil darf daher nicht wieder den anderen als Ganzes umschließen, sondern jeder Teil muß sich durch seinen besonderen Inhalt von dem anderen unterscheiden. Wollte ich also z. B. das Pflanzenreich in Phanerogamen, Kryptogamen und Zellpflanzen einteilen, so würde diese Teilung falsch sein, weil die Zellpflanzen wieder eine Unterabteilung der Kryptogamen bilden, die in Gefäßkryptogamen und Zellpflanzen zerfallen. Hieraus ergibt sich die dritte Hauptregel: Die einzelnen Teile müssen sich gegenseitig ausschließen.

Man erkennt aus diesen allgemeinen Regeln, daß das Wichtigste die Wahl des Einteilungsgrundes und die einheitliche Durchführung der Disposition nach dem gewählten Einteilungsgrunde ist. Der Einteilungsgrund muß so gewählt sein, daß er eine erschöpfende Behandlung des Wesentlichen gestattet, d. h. alles dessen, was dazu dient, den Gegenstand seinem Wesen nach darzulegen. Soll man z. B. ein Land schildern, so zerlege man es nicht äußerlich in einen nördlichen, südlichen, östlichen und westlichen Teil oder gar in einzelne von der Regierung geschaffene Bezirke, sondern man gehe seiner äußeren und inneren Beschaffenheit nach, so daß man etwa der Reihe nach seine Lage, seine Gewässer, seine Bodenverhältnisse, sein Klima, seine Erzeugnisse und seine Bewohner betrachtet. An dem einmal gewählten Einteilungsgrunde ist unbedingt festzuhalten, und[S. 63] es ist der gröbste Fehler, wenn sich in einer Disposition zwei verschiedene Einteilungsgründe durchkreuzen.

Endlich ist noch zu beachten die Art des Teilens selbst. Man unterscheidet die Einteilung (Division) von der Zerteilung (Partition). Die Zerteilung besteht darin, daß man ein Einzelwesen in seine Bestandteile zerlegt, die Einteilung darin, daß man eine Gattung in ihre Arten gliedert. Zerlege ich eine Pflanze in Wurzel, Stengel und Blüte, so habe ich eine Zerteilung vorgenommen; ordne ich aber die Pflanzen in Phanerogamen und Kryptogamen, so ist das eine Einteilung. In der Disposition werden nun Einteilung und Zerteilung aufs innigste verbunden. Durch die Einteilung finden wir die Arten, durch die Zerteilung die einzelnen Bestandteile, und die Disposition weist Arten und Teilen ihre rechte Stelle an. Ich kann die Hauptteile einer Disposition durch Zerteilung, die Unterteile der Hauptteile durch Einteilung finden oder umgekehrt, und ich kann überhaupt jeden Gegenstand zerteilen oder einteilen, da es mir frei steht, ihn als Einzelwesen oder Gattungsbegriff aufzufassen.

Über den „Wert einer guten Disposition“ äußert sich Herder in einem seiner Briefe an einen jungen Theologen in folgender Weise: „Disposition ist das Hauptwerk der Rede, sie ist das Gebäude, ohne welches alle äußere Bekleidung nichts ist. Deshalb habe ich Sie, mein Freund, vor allem Auswendiglernen schöner Ausdrücke, bunter Floskeln und Sentenzen so ernstlich gewarnt. Diese locken ungemein ab vom Wege, und der Jüngling, der solchen Irrlichtern folgt, ist verloren. Ein Mensch, der nach schönen Worten hascht, der halbe Seiten von Modesentenzen ausschreibt, hat kaum mein Vertrauen mehr; er tut eine kopflose, kindische Arbeit. Alle Blumen des Vortrages müssen aus der Sache selbst, an diesem Orte, an dieser Stelle, wie Blumen aus dem Schoße ihrer Mutter Erde, hervorgehen; die Kunst des Gärtners pflanzte und wartete sie nur eben an der besten Stelle. Da muß kein Bild, kein Satz, kein Komma sein, das nicht aus diesem Thema wie ein Ast und sein Zweig oder wie eine Blüte und ein Blatt aus solcher Wurzel an solchem Stamme notwendig erwüchse. Wenn’s hier nicht steht, so stehe es nirgends; aber die Rede ist dann unvollständig, sie hat, wie man bei Gemälden sagt, ein Loch, eine Lücke. Alle Fehler verzeihe ich gern, nur die Fehler der Disposition nicht. Steht, was untereinander gehört, neben-, was nebeneinander gehört, untereinander, wiederholen sich die Teile auf die schnödeste Weise, so daß, wenn von der Gefangennahme Christi geredet werden soll, gefragt wird: 1. Wer ihn gefangen genommen hat, 2. von wem er gefangen genommen worden ist; weiß endlich der Verfasser gar keine Sätze herauszuziehen, sie weder unter- noch nebeneinander zu ordnen; weiß er durchaus nicht, was dieser, was[S. 64] jener Teil der Rede sei oder sein soll — o weh, weh! Gehe er hin und lerne Logik!

Zur Gewöhnung an Disposition ist die frühe Erlernung einer oder der anderen Wissenschaft, die es nämlich am füglichsten erträgt, in wohlgefügten Tabellen das beste Verfahren. Dem Auge und der Seele gibt sie unvermerkt einen logischen Anblick. Ich weiß es sehr wohl, daß krause Köpfe auch durch tabellarische Form nicht glatt werden; ich weiß es auch wohl, daß, wenn man in jeder Periode wieder unendlich klein disponiert, man ein moleste sedulus, ein improbe artificiosus werde, der vor lauter Deutlichkeit stockdunkel, vor lauter Ordnung verworren wird und zuletzt das Ganze gar aus dem Gesicht verliert. Mißbräuche einer Sache heben aber die Sache nicht immer auf; immer bleiben Logik und Disposition die Grundlage des Vortrages.

Eine ganz andere Frage ist’s, ob man die Disposition wie ein nacktes Gerippe hinstellen soll. Das tut die Natur nicht, und die arme eingeschränkte Nachahmerin derselben, die Kunst, soll’s noch weit minder. Die Natur hat’s nicht mangeln lassen an schönen Formen; feste Formen aber, richtige und gerade Linien machte sie überall zum Wesen der Sache, das sie mit Schlängelungen und Krümmen überkleidet. Wenn Wolfs und insonderheit des Philosophen Baumgarten Schriften auch kein Verdienst hätten, so wäre es das, daß sie Ordnung in den Begriffen und die letzteren eine spartanische Kürze und Strenge in Worten lehren. So sehr Bako den Witz liebte, so genau disponiert sind seine besten Schriften. Aristoteles ist ein fester Knochenmann wie der Tod, ganz Disposition, ganz Ordnung. Wenn Winckelmanns Geschichte der Kunst kein ander Verdienst hätte, so wäre es das, daß man in ihr wie in einem griechischen Tempel zwischen Säulen und schöngeordneten Aussichten über Zeiten und Völker wandelt; sie ist das schöne Ideal einer wohlausgeteilten, hochangelegten Kunstgeschichte. Solche Bücher lesen Sie, mein Freund, exzerpieren Sie dieselben und lernen Sie danach Ihre Gedanken ordnen. Wer nicht disponieren kann, kann weder lernen noch behalten noch wiederholen; noch weniger werden die’s können, die ihn hören. Es ist arena sine calce; die geflügelten Worte versausen.“

42. Die Chrie.

Die Chrie (χρεία, d. i. Gebrauch, Nutzanwendung), eine von dem Rhetor Aphthonius im vierten Jahrhundert erfundene Form, ist eine Abhandlung über ein Sprichwort oder eine Sentenz nach bestimmten Gesichtspunkten. Die Disposition der Chrie ist genau vorgeschrieben und ist für jede beliebige Sentenz immer dieselbe:

a) Eingang (Exordium). Gewöhnlich wird hier der Autor der Sentenz gerühmt, oder es werden, wenn der Autor unbekannt[S. 65] ist, allgemeine Gedanken angeführt, die zu dem speziellen Gedanken der Sentenz hinleiten. Am Schlusse der Einleitung wird das Thema wörtlich angeführt.

b) Erläuterung des Themas (Expositio). Es wird eine genaue Wort- und Sinnerklärung der Sentenz gegeben.

c) Begründung (Aetiologia oder Causa). Die Wahrheit der Sentenz wird durch Gründe erwiesen.

d) Gegenteil (Contrarium). Die entgegenstehenden Meinungen werden widerlegt.

e) Gleichnis (Simile oder Comparatio). Das, was in der Sentenz ausgesprochen ist, wird mit ähnlichen Erscheinungen aus der Natur verglichen.

f) Beispiel (Exemplum). Für die Wahrheit der Sentenz werden Fälle aus dem täglichen Leben oder aus der Geschichte angeführt.

g) Zeugnis (Testimonium). Es werden Aussprüche großer Männer, Sprichwörter, Sitten, Gebräuche usw. angeführt, welche die Wahrheit der Sentenz bestätigen.

h) Schluß (Conclusio). Das Gesagte wird noch einmal kurz zusammengefaßt (Recapitulatio) und eine Nutzanwendung daran geknüpft.

Die Chrie steht in der Mitte zwischen Erzählung und Abhandlung. Sie ist nur eine Schulform der Darstellung, die sich im Anfange, wenn dem Schüler die Fähigkeit selbständig zu disponieren noch mangelt, mit Vorteil anwenden läßt, die aber bald abgestreift werden muß, da im Leben weder Redner noch Schriftsteller von dieser Form Gebrauch machen.

43. Die Ausarbeitung.

Hat man das Thema nach allen Seiten hin durchdacht, den Stoff gesammelt und die Disposition entworfen, so geht man an die eigentliche Ausarbeitung. Hierbei sind vor allem die stilistischen Gesetze zu beobachten, die bereits in der allgemeinen Stilistik im einzelnen dargelegt sind. Man sage nichts, was nicht zur Sache gehört, gehe über Nebensächliches rasch hinweg und meide vor allem Weitschweifigkeit und leere Redseligkeit, die alle Gedankenkraft ersticken und den Aufsatz um jede Wirkung bringen. Besondere Aufmerksamkeit wende man den Übergängen zu, die sich zwischen den einzelnen Teilen nötig machen und dazu dienen, die Verbindung zwischen den einzelnen Teilen herzustellen. Hauptregel ist hier, daß die Übergänge in den Gedanken, nicht in bloßen Worten liegen müssen. Ein einziges Bindewort oder Umstandswort, oftmals auch bloß die Wortstellung genügen in der Regel, um sprachlich die Verknüpfung auszudrücken. Oftmals leitet eine Frage geschickt zu dem[S. 66] nächsten Teile über. Je leichter und natürlicher die Übergänge erscheinen, um so besser ist der ganze Aufsatz. Wortreichtum in den Übergängen ist aufs sorgfältigste zu meiden. Unerträglich sind Wendungen wie: „Nachdem wir nun die Phanerogamen betrachtet haben, gehen wir zu den Kryptogamen über“ oder: „Sehen wir uns nun die Kryptogamen näher an“ oder: „Es sind aber nicht nur die Phanerogamen zu betrachten, sondern auch die Kryptogamen“ usw. Je genauer das ganze Thema durchdacht worden ist, um so leichter und natürlicher werden sich die Übergänge gestalten.

44. Über die Kunst, seine Gedanken gut auszusprechen.

Justus Möser (1720–1794), der berühmte Verfasser der Osnabrückischen Geschichte und der patriotischen Phantasien, beantwortet in einem Aufsatze, der dem letztgenannten Werke entnommen ist, die Frage: „Wie gelangt man zu einem guten Vortrage seiner Empfindungen?“ „Ihre Klage, liebster Freund“, schreibt er, „daß Sie sich in Ausdruck und Vorstellung selten ganz vollkommen genug tun können, wenn Sie eine wichtig und mächtig empfundene Wahrheit anderen vortragen wollen, mag leicht gegründet sein; aber daß dieses eben einen Mangel der Sprache zur Ursache habe, davon bin ich noch nicht überzeugt. Freilich sind alle Worte, besonders die toten auf dem Papiere, welchen es wahrlich sehr an Physiognomie zum Ausdrucke fehlt, nur sehr unvollkommene Zeichen unserer Empfindungen und Vorstellungen, und man fühlt oft bei dem Schweigen eines Mannes mehr als bei den schönsten niedergeschriebenen Reden. Allein auch jene Zeichen haben ihre Begleitungen für den empfindenden und denkenden Leser, und wer die Musik versteht, wird die Noten nicht sklavisch vortragen. Auch der Leser, wenn er anders die gehörige Fähigkeit hat, kann an den ihm vorgeschriebenen Worten sich zu dem Verfasser hinauf empfinden und aus dessen Seele alles herausholen, was darin zurückblieb.

Eher möchte ich sagen, daß Sie Ihre Empfindungen und Gedanken selbst nicht genug entwickelt hätten, wenn Sie solche vortragen wollen. Die mehrsten unter den Schreibenden begnügen sich damit, ihren Gegenstand mit aller Gelassenheit zu überdenken, sodann eine sogenannte Disposition zu machen und ihren Satz danach auszuführen, oder sie nützen die Heftigkeit des ersten Anfalles und geben uns aus ihrer glühenden Einbildungskraft ein frisches Gemälde, was oft bunt und stark genug ist und doch die Wirkung nicht tut, welche sie erwarteten. Aber so nötig es auch ist, daß derjenige, der eine große Wahrheit mächtig vortragen will, dieselbe vorher wohl überdenke, seinen Vortrag ordne, und seinen Gegenstand, nachdem er ist, mit aller Wärme behandle, so ist dieses doch noch der eigentliche Weg nicht, worauf man zu einer kräftigen Darstellung seiner Empfindung gelangt.

[S. 67]

Mir mag eine Wahrheit, nachdem ich mich davon aus Büchern und aus eigenem Nachdenken unterrichtet habe, noch so sehr einleuchten, und ich mag mich damit noch so bekannt dünken, so wage ich es doch nicht, sogleich meine Disposition zu machen und sie danach zu behandeln; vielmehr denke ich, sie habe noch unzählige Falten und Seiten, die mir jetzt verborgen sind, und ich müßte erst suchen, solche soviel möglich zu gewinnen, ehe ich an irgendeinen Vortrag oder Disposition und Ausführung gedenken dürfe. Diesem nach werfe ich zuerst, sobald ich mich von meinem Gegenstande begeistert und zum Vortragen geschickt fühle, alles, was mir darüber beifällt, aufs Papier. Des anderen Tages verfahre ich wieder so, wenn mich mein Gegenstand von neuem zu sich reißt, und das wiederhole ich so lange, als das Feuer und die Begierde zunimmt, immer tiefer in die Sache einzudringen. So wie ich eine Lieferung auf das Papier gebracht und die Seele von ihrer ersten Last entledigt habe, dehnt sie sich nach und nach weiter aus und gewinnt neue Aussichten, die zuerst noch von näheren Bildern bedeckt wurden. Je weiter sie eindringt und je mehr sie entdeckt, desto feuriger und leidenschaftlicher wird sie für ihren geliebten Gegenstand. Sie sieht immer schönere Verhältnisse, fühlt sich leichter und freier zum Vergleichen, ist mit allen Teilen bekannt und vertraut, verweilet und gefällt sich in deren Betrachtung, und hört nicht eher auf, als bis sie gleichsam die letzte Gunst erhalten hat.

Und nun, wenn ich so weit bin, womit insgemein mehrere Tage und Nächte, Morgen- und Abendstunden zugebracht sind, indem ich bei dem geringsten Anscheine von Erschlaffung die Feder niederlege, fang’ ich in der Stunde des Berufs an, mein Geschriebenes nachzulesen und zu überdenken, wie ich meinen Vortrag einrichten wolle. Fast immer hat sich während dieser Arbeit die beste Art und Weise, wie die Sache vorgestellt sein will, von selbst entdeckt, oder wo ich hierüber noch nicht mit mir einig werden kann, so lege ich mein Papier beiseite und erwarte eine glücklichere Stunde, die durchaus von selbst kommen muß, und leicht kommt, nachdem man einmal mit einer Wahrheit so vertraut worden ist. Ist aber die beste Art der Vorstellung, die immer nur einzig ist, während der Arbeit aus der Sache hervorgegangen, so fang’ ich allmählich an, alles, was ich auf diese Art meiner Seele abgewonnen habe, danach zu ordnen, was sich nicht dazu paßt, wegzustreichen und jedes auf seine Stelle zu bringen.

Insgemein fällt alles, was ich zuerst niedergeschrieben habe, ganz weg, oder es sind zerstreute Einheiten, die ich jetzt nur mit der herauskommenden Summe zu bemerken nötig habe. Desto mehr behalte ich von den folgenden Operationen, worin sich alles schon mehr zur Bestimmung geneigt hat, und der letzte Gewinn dient mehrenteils nur zur Deutlichkeit und zur Erleichterung des Vortrages.[S. 68] Die Ordnung oder Stellung der Gründe folgt nach dem Hauptplan von selbst, und das Kolorit überlasse ich der Hand, die, was die erhitzte Einbildung nunmehr mächtig fühlt, auch mächtig und feurig malt, ohne dabei einer besonderen Leitung zu bedürfen.

Doch will ich nicht eben sagen, daß Sie sich sogleich hierin selbst trauen sollen. Jeder Grund hat seine einzige Stelle, und er wirkt nicht auf der einen, wie auf der anderen. Gesetzt, ich wollte Ihnen beweisen, daß das frühere Disponieren sehr mißlich sei, und finge damit an, daß ich Ihnen sagte: „Garrick bewunderte die Clairon als Frankreichs größte Aktrice, aber er fand es doch klein, daß sie jeden Grad der Raserei, worauf sie als Medea steigen wollte, vorher bei kaltem Blute und in ihrem Zimmer bestimmen konnte“, so würden Sie freilich die Richtigkeit der Vergleichung leicht finden, aber doch nicht alles dabei fühlen, was ich wollte, daß Sie dabei fühlen sollten. Garrick disponierte seine Rolle nie zum voraus, er arbeitete sich nur in die Situationen der Personen hinein, welche er vorzustellen hatte, und überließ es dann seiner mächtigen Seele, sich seiner ganzen Kunst nach ihren augenblicklichen Empfindungen zu bedienen. Und das muß ein jeder tun, der eine mächtige Empfindung mächtig ausdrücken will.

Das Kolorieren ist leichter, wenn man es von der Haltung trennt, aber in Verbindung mit derselben schwer. Hierüber lassen sich nicht wohl Regeln geben; man lernt es bloß durch eine aufmerksame Betrachtung der Natur und viele Übung, was man entfernen oder vorrücken, stark oder schwach ausdrücken soll. Das mehrste hängt jedoch hierbei von der Unterordnung in der Gruppierung ab, und wenn Sie hierin glücklich und richtig gewesen sind, so wird die Verschiedenheit des Standortes, woraus die Leser, wofür Sie schreiben, Ihr Gemälde ansehen, nur eine allgemeine Überlegung verdienen.

Unter Millionen Menschen ist vielleicht nur ein einziger, der seine Seele so zu pressen weiß, daß sie alles hergibt, was sie hergeben kann. Viele, sehr viele haben eine Menge von Eindrücken, sie mögen nun von der Kunst oder von der Natur herrühren, bei sich verborgen, ohne daß sie es selbst wissen; man muß die Seele in eine Situation versetzen, um sich zu rühren; man muß sie erhitzen, um sich aufzuschließen, und zur Schwärmerei bringen, um alles aufzuopfern. Horaz empfahl den Wein als eine gelinde Tortur der Seele, andere halten die Liebe zum Gegenstande für mächtiger, oder den Durst zu Entdeckungen; jeder muß hierin sich selbst prüfen. Rousseau gab nie etwas von den ersten Aufwallungen seiner Seele. Wer nur diese und nichts mehr gibt, der trägt nur solche Wahrheiten vor, die dem Menschen insgemein auffallen und jedem bekannt sind. Er hingegen arbeitete oft zehnmal auf die Art, wie ich es Ihnen vorgeschlagen habe, und hörte nicht auf, solange noch etwas[S. 69] zu gewinnen übrig war. Wenn dieses ein großer Mann tut, so kann man so ziemlich sicher sein, daß er weiter vorgedrungen sei, als irgendein anderer vor ihm. So oft Sie sich mächtiger in der Empfindung als im Ausdrucke fühlen, so glauben Sie nur dreist, Ihre Seele sei faul, sie wolle nicht alles hervorbringen. Greifen Sie dieselbe an, wenn Sie fühlen, daß es Zeit ist, und lassen sie arbeiten. Alle Ideen, die ihr jemals eingedrückt sind und die sie sich selbst aus den eingedrückten unbemerkt gezogen hat, müssen in Bewegung und Glut gebracht werden; sie muß vergleichen, schließen und empfinden, was sie auf andere Art ewig nicht tun wird, sie muß verliebt und erhitzt werden gegen ihren großen Gegenstand. — Aber auch für die Liebe gibt es keine Disposition; kaum weiß man es nachher zu erzählen, wie man von einer Situation zur anderen gekommen ist.“[25]

[24] Eingehend handelt über die Disposition: Deinhardt, in seinen Beiträgen zur Dispositionslehre, die allen empfohlen seien, die sich weiter über den Gegenstand unterrichten wollen. Wir folgen hier im allgemeinen den nämlichen Grundsätzen, wie sie schon von Quintilian und Cicero dargelegt worden sind.

[25] Mösers sämtl. Werke, neu geordnet und aus dem Nachlasse gemehrt durch B. R. Abeken. 2. Ausg. 1858, IV. S. 5.

Anhang zur Stilistik.

I. Übungsbeispiele zur Wiederholung der Syntax.

1. Und wenn die anderen Regimenter alle sich von dir wenden, wollen wir allein dir treu sein, unser Leben für dich lassen, denn das ist unsere Reiterpflicht, daß wir umkommen lieber, als dich sinken lassen. Schiller. — 2. Jede öffentliche Entscheidung Egmonts war ein Triumphzug; jedes Auge, das auf ihn geheftet war, erzählte sein Leben; in der Ruhmredigkeit seiner Kriegsgefährten lebten seine Taten; ihren Kindern hatten ihn die Mütter bei ritterlichen Spielen gezeigt. Schiller. — 3. Zwar sichert uns die Macht vor der Verfolgung, und wenn der Gegner nicht auch Flügel hat, so fürcht’ ich keinen Überfall, dennoch bedarf’s der Vorsicht, denn wir haben es mit einem kecken Feind und sind geschlagen. Schiller. — 4. Ihr kanntet ihn, wie er mit Riesenschritte den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß, durch Zeit und Land der Völker Sinn und Sitte, das dunkle Buch mit heiterm Blicke las; doch wie er atemlos in unsrer Mitte in Leiden bangte, kümmerlich genas, das haben wir in traurig schönen Jahren, denn er war unser, leidend miterfahren. Goethe. — 5. Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar, wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im stillen besitzen. Goethe. — 6. Liegt nun eine solche Richtung entschieden in unserer Natur, so[S. 70] wird mit jedem Schritt unserer Entwickelung ein Teil des ersten Wunsches erfüllt, bei günstigen Umständen auf dem geraden Wege, bei ungünstigen auf einem Umwege, von dem wir immer wieder nach jenem einlenken. Goethe. — 7. Nun gesellen sich aber zur menschlichen Beschränktheit noch so viele zufällige Hindernisse, daß hier ein Begonnenes liegen bleibt, dort ein Ergriffenes aus der Hand fällt und ein Wunsch nach dem anderen sich verzettelt. Goethe. — 8. Waren aber diese Wünsche aus einem reinen Herzen entsprungen, dem Bedürfnis der Zeit gemäß, so darf man ruhig rechts und links liegen und fallen lassen und kann versichert sein, daß nicht allein dieses wieder aufgefunden und aufgehoben werden muß, sondern daß auch noch gar manches Verwandte, das man nie berührt, ja woran man nie gedacht hat, zum Vorschein kommen werde. Goethe. — 9. Sehen wir nun während unseres Lebensganges dasjenige von anderen geleistet, wozu wir selbst früher einen Beruf fühlten, ihn aber mit manchem anderen aufgeben mußten, dann tritt das schöne Gefühl ein, daß die Menschheit zusammen erst der wahre Mensch ist und daß der einzelne nur froh und glücklich sein kann, wenn er den Mut hat, sich im Ganzen zu fühlen. Goethe. — 10. Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen, bess’re, sanftere Luft, wenn er Gedanken winkt, im sokratischen Becher, von der tauenden Ros’ umkränzt; wenn er dringt bis ins Herz und zu Entschließungen, die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt, wenn er lehret verachten, was nicht würdig des Weisen ist. Klopstock. — 11. Mag es sein, sprach der Schlaf, daß ich den Unglücklichen erwünscht bin, denen ich die Last ihrer Sorgen entnehme und sie mit milder Vergessenheit tränke, mag es sein, daß ich dem Müden gefällig komme, den ich doch auch nur zu mühseliger neuer Arbeit stärke: aber was bin ich denen, die nie ermüden, die von keiner Sorge des Lebens wissen, denen ich immer nur den Kreis ihrer Freuden störe? Herder. — 12. Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheu’n, den letzten Schritt, den äußersten zu meiden; doch eh’ ich sinke in die Nichtigkeit, so klein aufhöre, der so groß begonnen, eh’ mich die Welt mit jenen Elenden verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt, eh’ spreche Welt und Nachwelt meinen Namen mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung für jede fluchenswerte Tat! Schiller. — 13. Es begegnet mir von Zeit zu Zeit ein Jüngling, an dem ich nichts verändert noch gebessert wünschte; nur macht mir bange, daß ich manchen vollkommen geeignet sehe, im Zeitstrome mit fortzuschwimmen, und hier ist’s, wo ich immerfort aufmerksam machen möchte: daß dem Menschen in seinem zerbrechlichen Kahn eben deshalb das Ruder in die Hand gegeben ist, damit er nicht der Willkür der Wellen, sondern dem Willen seiner Einsicht Folge leiste. Goethe. — 14. Für das größte Unheil unserer Zeit, die nichts reif werden läßt, muß ich halten, daß man im nächsten Augenblick den vorhergehenden verspeist, den Tag im Tage[S. 71] vertut und so immer aus der Hand in den Mund lebt, ohne irgend etwas vor sich zu bringen. Goethe. — 15. Die gegenwärtige Welt ist nicht wert, daß wir etwas für sie tun; denn die bestehende kann in dem Augenblick abscheiden. Für die vergangene und künftige müssen wir arbeiten; für jene, daß wir ihr Verdienst anerkennen, für diese, daß wir ihren Wert zu erhöhen suchen. Goethe. — 16. Nicht die Sprache an und für sich ist richtig, tüchtig, zierlich, sondern der Geist ist es, der sich darin verkörpert, und so kommt es nicht auf einen jeden an, ob er seinen Reden und Gedichten die wünschenswerten Eigenschaften verleihen will: es ist die Frage, ob ihm die Natur hierzu die geistigen und sittlichen Eigenschaften verliehen hat; die geistigen: das Vermögen der An- und Durchschauung; die sittlichen: daß er die bösen Dämonen ablehne, die ihn hindern könnten, dem Wahren die Ehre zu geben. Goethe. — 17. Wenn ich das Aufklären und Erweitern der Naturwissenschaften in der neuesten Zeit betrachte, so komme ich mir vor wie ein Wanderer, der in der Morgendämmerung gegen Osten ging, die heranwachsende Helle mit Freuden, aber ungeduldig anschaute und die Zukunft des entscheidenden Lichtes mit Sehnsucht erwartete, aber doch bei dem Hervortreten desselben die Augen wegwenden mußte, welche den so sehr gewünschten und gehofften Glanz nicht ertragen konnten. Goethe. — 18. Der Mensch ist so geneigt, sich mit dem Gemeinsten abzugeben, Geist und Sinn stumpfen sich so leicht gegen Eindrücke des Vollkommenen ab, daß man die Fähigkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte; denn einen solchen Genuß kann niemand entbehren, und nur die Ungewißheit, etwas Gutes zu genießen, ist Ursache, daß viele Menschen schon am Albernen und Abgeschmackten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden. Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen. Goethe. — 19. So viel Überwindung es dem Prinzen von Oranien und seinen Freunden bei ihrer Denkungsart schon kosten mußte, in diesem Streite nicht Partei zu nehmen, so sehr schon ihr natürlicher Freiheitssinn, ihre Vaterlandsliebe und ihre Begriffe von Duldung unter dem Zwange litten, den ihr Posten ihnen auferlegte: so sehr mußte das Mißtrauen Philipps gegen sie, die wenige Achtung, mit der ihr Gutachten seit langer Zeit pflegte aufgenommen zu werden, und das zurücksetzende Betragen, das ihnen von der Herzogin widerfuhr, ihren Diensteifer erkälten und ihnen die Fortsetzung einer Rolle erschweren, die sie mit so vielem Widerwillen und so wenigem Danke spielten. Schiller. — 20. Am allertiefsten erniedrigt es uns vor dem Auslande, wenn wir uns darauf legen, demselben zu schmeicheln. Es fehlt uns nämlich in dieser Verrichtung an aller dem Ausländer eigenen Feinheit; um doch ja nicht überhört zu werden, werden wir plump und übertreibend und heben[S. 72] mit Vergötterungen und Versetzungen unter die Gestirne gleich an. Dazu kommt, daß es bei uns das Ansehen hat, als ob es vorzüglich der Schrecken und die Furcht sei, die unsere Lobeserhebungen uns auspressen, aber es ist kein Gegenstand lächerlicher, denn ein Furchtsamer, der die Schönheit und Anmut desjenigen lobpreist, was er in der Tat für ein Ungeheuer hält, das er durch diese Schmeichelei nur bestechen will, ihn nicht zu verschlingen. Fichte.

II. Rektionslehre.

A. Rektion der Verben.

1. Verben, die den Akkusativ regieren.

a) Den Akkusativ regieren alle transitiven Verben (vgl. Teil I, S. 162). Besonders hervorzuheben sind hier: 1. Die mit den Präpositionen durch, über, hinter, unter, um und mit voll untrennbar zusammengesetzten Verben, sowie die Verben mit der Vorsilbe be, z. B.: ein Buch durchblättern, einen Schrank durchsuchen, eine Schrift übersetzen, einen Brief überbringen, den Freund hintergehen, einen Vertrag unterschreiben, einen Schüler unterweisen, einen umringen, eine Arbeit vollenden, eine Tat vollbringen, einen Befehl vollziehen, einen bewundern, beweinen, berühren usw.[26] 2. Die Verba causativa (vgl. Teil I, S. 171 flg.), z. B.: einen Baum fällen, Holz flößen, einen Wagen fahren (d. i. führen), die Pferde tränken, den Hut schwenken, Geld verschwenden usw. — 3. Eine große Zahl formelhafter Redewendungen, in denen der Begriff des Verbums erst durch den Akkusativ eines Substantivs vollständig gemacht wird. Gewöhnlich sind diese Wendungen Umschreibungen eines einfachen Verbums, z. B.: Abbitte tun (d. i. abbitten), Abbruch, Schaden, einen Hieb, einen Fall, einen Schlaf, einen Gefallen tun; eine Rede, Ruhe, Maß halten; Frieden, Unruhe stiften; den Mut, das Herz, die Freundlichkeit, die Gnade haben; Abschied, Urlaub, Schaden, die Freiheit, ein Ende nehmen; den Anfang, sein Glück, Spaß machen usw. — Sogar zu intransitiven Verben kann auf diese Weise ein Akkusativ treten, z. B.: Er schläft den ewigen Schlaf. Schiller.Einen guten Kampf hab’ ich gekämpfet. Luther. — Ich muß fliegen den kühnen Flug. Klopstock. Man nennt solche Akkusative innere Objekte (vgl. I, S. 163 Anm.).

Außer dem Akkusativobjekte haben viele transitive Verben auch noch ein Dativ- oder Genitivobjekt bei sich. Zu dem Akkusativ[S. 73] der Sache tritt gewöhnlich ein Dativ der Person, und zu dem Akkusativ der Person tritt ein Genitiv der Sache, z. B. Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken. Schiller.Drei Tage will ich dir schenken. Schiller. — Ihr zwangt mit frechem Possenspiel die Richter, den Schuldigen des Mordes loszusprechen. Schiller. — Nichts kann ihn seines Schwurs entbinden. Wieland. — Mein Freund versicherte mir seinen Beistand. Mein Freund versicherte mich seines Beistandes.

Wird neben dem Ganzen, auf welches sich die Tätigkeit eines transitiven Verbums richtet, noch ein besonderer Teil des Ganzen genannt, der zunächst von der Tätigkeit getroffen wird, so tritt entweder das Ganze in den Dativ und der Teil in den Akkusativ, z. B.: Er schnitt mir das Haar, ich wasche mir die Hände; oder der Teil wird durch eine Präposition angeknüpft und das Ganze tritt, je nachdem die Beziehung eine engere oder weniger enge ist, in den Akkusativ oder in den Dativ, z. B.: Er schlug mich oder mir auf den Rücken, er trat mich oder mir auf den Fuß, er traf mich ins Gesicht, er sah mir ins Gesicht, er nahm mich bei der Hand, er sah mir auf die Hände usw.

b) Einige unpersönliche oder unpersönlich gebrauchte Verben haben einen Akkusativ der Person (zuweilen auch einen Akkusativ der Sache) bei sich, z. B.: es hungert mich, oder mich hungert, dürstet, friert, verlangt, gelüstet u. a. Hierher gehören Wendungen wie: es gibt einen schweren Kampf, es gilt schnellen Rat, es hagelt todbringende Geschosse, es regnet Steine u. a. — Verwandt sind Konstruktionen, in denen irgendeine Sache, die auch durch die Pronomina das oder es ausgedrückt sein kann, Subjekt ist, während die Person in den Akkusativ tritt, z. B.: Diese Angelegenheit verdrießt mich, oder: das verdrießt mich, es wundert, ärgert, freut, betrübt, jammert mich usw. Wie jammert mich das edle Herz! Goethe.

c) Das Reflexivpronomen steht bei den meisten reflexiven Verben im Akkusativ, z. B.: ich wundere mich, schäme mich, erinnere mich, sehne mich, erbarme mich, fürchte mich usw.

d) Einige Verben werden mit einem doppelten Akkusativ verbunden, und zwar 1. mit zwei Objektsakkusativen:

lehren[27], z. B.: Wer lehrte dich diese gewaltigen Worte? Lessing. — Und lehr’ du mich mit Fleiß und Acht, wie[S. 74] man die guten Schwerter macht. Uhland. — Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen. Luther. — Du willst Wahres mich lehren. Schiller. — Statt der passiven Form von lehren gebraucht man in den Fällen, in welchen die Person mit genannt wird, die in einer Sache unterwiesen wird, am besten andere entsprechende Wendungen, wie: „Ich werde in einer Sache unterrichtet, unterwiesen, ich lerne eine Sache.“ Will man aber doch die passive Form von lehren anwenden, so ist der Ausdrucksweise: „Ich werde etwas gelehrt“[28] der Vorzug zu geben vor der Wendung: „Mir wird etwas gelehrt.“ Das Schlimmste, was uns widerfährt, das werden wir vom Tag gelehrt. Goethe. — Zu tadeln ist die Konstruktion: „Mich wird etwas gelehrt“ (statt: Ich werde etwas gelehrt), die sich auch bei einzelnen Schriftstellern findet.

fragen: Der doppelte Akkusativ steht nur dann, wenn die Sache, nach der jemand fragt, durch ein Pronomen oder unbestimmtes Zahlwort ausgedrückt wird, sonst wird das sachliche Objekt durch die Präposition nach angeknüpft, z. B.: er fragte mich etwas, das fragst du mich? er fragte mich vieles, eins frage ich dich. Ihr habt mich nichts zu fragen, Thekla? Schiller. Dagegen: Er fragte mich nach meinem Berufe, er fragte ihn nach seiner Herkunft. — Bei der passiven Form gebraucht man die Konstruktion: Er wurde etwas oder nach etwas gefragt. Er wurde nach seiner Herkunft gefragt. Das bin ich nicht gefragt worden. — Auch bei bitten kann ein doppelter Akkusativ stehen, wenn die Sache, um die man bittet, durch ein Pronomen oder unbestimmtes Zahlwort ausgedrückt ist, z. B.: Das bitte ich dich, eins bitte ich dich u. ähnl. Sonst aber bedient man sich bei bitten der Präposition um, z. B.: Die Feinde baten ihn um Frieden.

2. mit einem Objektsakkusativ und einem prädikativen Akkusativ:

nennen, heißen, schelten, schimpfen, taufen, z. B.: Man nannte, hieß ihn den Wohltäter des Volkes; man schimpfte, schalt ihn einen Verräter; man taufte den Knaben Karl. Man nennt mich hier Don Philipps Sohn. Schiller. — Bei der Umwandlung in die passive Form treten beide Akkusative in den Nominativ, z. B.: Er wurde der Wohltäter des Volkes genannt usw.

Anmerkung 1. Bei den Verben lehren, nennen, heißen steht an Stelle des zweiten objektiven oder prädikativen Akkusativs oft auch ein Infinitiv, z. B.: Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen. Goethe.[S. 75] Das nennst du Wort halten. Er lehrt mich schreiben. — Ebenso werden die Verben machen, hören, sehen, finden, fühlen oft mit einem Akkusativ oder einem Infinitiv verbunden, z. B.: Der Kasus macht mich lachen. Goethe. Noch keinen sah ich fröhlich enden. Schiller. Ich hörte ihn kommen, ich fand ihn vor der Tür sitzen, er fühlte die Gefahr herannahen usw. Bei den letztgenannten fünf Verben steht der Infinitiv an Stelle des ersten Partizips, das daher zuweilen mit dem Infinitiv wechselt, z. B.: Ich fand ihn schlafend u. ähnl. — Die Stelle des zweiten (prädikativen) Akkusativs nimmt oft auch ein Adjektiv ein, z. B.: Man schalt ihn töricht, man nannte ihn weise, wir preisen dich glücklich u. a. — Häufig wird auch der prädikative Akkusativ durch eine Konstruktion mit als ersetzt, z. B.: Sie priesen ihn als ihren Befreier. Man bezeichnete ihn als den Wohltäter des Volkes. Ich achte ihn als treuen Ratgeber usw.

Anmerkung 2. Über lassen, heißen, sehen, hören usw. in Verbindung mit transitiven Verben s. Teil I, S. 186 Anm. 1. — Wenn der Akkusativ von dem Infinitiv regiert wird, erhält dieser passive Bedeutung. Der Satz: „Er ließ mich tragen“ kann einen doppelten Sinn haben, entweder bedeutet er: „Er befahl, daß ich etwas trage“ oder: „Er befahl, daß ich getragen werde.“ Im letzten Falle hängt der Akkusativ mich von dem Infinitiv tragen ab, und der Infinitiv hat daher passive Bedeutung. Er ließ ein Glas Wasser holen, d. i. er befahl, daß ein Glas Wasser geholt werde; ich hörte dich preisen, d. i. ich hörte, daß du gepriesen wurdest usw.

Anmerkung 3. Seit dem vorigen Jahrhundert findet sich in unserer Sprache das Verbum heißen nicht selten mit dem Dativ und Infinitiv (in aktiver Bedeutung) verbunden. Diese Konstruktion ist als fehlerhaft zu vermeiden, man muß also sagen: „Wer hat dich das tun heißen?“ nicht: „Wer hat dir das tun heißen?“ — Der Dativ ist nur gestattet, wenn er von dem Infinitiv abhängig ist, und der Infinitiv hat dann immer passive Bedeutung, z. B.: Er hieß mir ein Glas Wasser bringen, d. h.: Er befahl, daß mir ein Glas Wasser gebracht werde. Dagegen: Er hieß mich ein Glas Wasser bringen = Er befahl, daß ich ein Glas Wasser bringe. — In derselben Weise unterscheidet man bei lassen: „Er ließ mir ein Glas Wasser bringen“, und: „Er ließ mich ein Glas Wasser bringen.“ Oder: „Laß ihn nichts merken!“ heißt: „Bewirke, daß er nichts merkt.“ „Laß dir nichts merken!“ dagegen heißt: Bewirke, daß dir nichts angemerkt wird.

2. Verben, die den Dativ regieren.

a) Den Dativ regieren die intransitiven Verben: einem ähneln, danken, dienen, drohen, fehlen, fluchen, folgen, frönen, frommen, gleichen, glücken, helfen, huldigen, mangeln, nahen, nützen, passen, schaden, scheinen, schmecken, schmeicheln, steuern, trauen, trotzen, wehren, weichen, winken, ziemen, zürnen u. a. Auch viele zusammengesetzte Intransitiva werden mit dem Dativ verbunden: einem abgehen, abhelfen, abraten, anhängen, anliegen, auffallen, auflauern, aufpassen, aufwarten, aushelfen, ausweichen, beifallen, beikommen, beipflichten, beispringen, beistehen, beistimmen, einfallen, einleuchten, entgegengehen,[S. 76] nachdenken, nacheifern, nachfolgen, nachgeben, nachgehen, nachsehen, nachstehen, nachstellen, vorarbeiten, vorbeugen, vorgehen, vorkommen, vorstehen, widerfahren, widersprechen, widerstehen, zufallen, zufließen, zugehören, zuhören, zukommen, zusehen, zustehen, zutrinken, zuwinken usw. Ferner: gebühren, gebrechen, gefallen, gehören, gehorchen, gelingen, gereichen, mißfallen, mißglücken, mißlingen, mißtrauen, begegnen, behagen, bekommen, erliegen, erscheinen, verfallen, entfahren, entfallen, entfliehen, entgehen, entkommen, entlaufen, entrinnen, entsagen, entsprechen, entspringen, entwachsen, entweichen, entwischen u. a.

b) Viele transitive Verben können neben dem Akkusativ der Sache einen Dativ der Person bei sich haben, z. B.: einem etwas borgen, bringen, geben, glauben, gönnen, klagen, weigern, weihen, widmen, zeigen u. a. (Vgl. S. 73.)

c) Einige unpersönliche und unpersönlich gebrauchte Verben nehmen den Dativ zu sich, z. B.: es graut mir, es fehlt, gebricht oder mangelt mir an etwas, mir ist daran gelegen oder liegt daran, es schaudert mir, es ahnt, scheint, beliebt, bangt, bekommt mir usw. Hierher gehören auch die Redewendungen wie: Mir geht es gut, mir ist übel zumute, mir wird bange, wohl, weh usw.

d) Einige zusammengesetzte Ausdrücke, welche an Stelle eines einfachen Verbums stehen, regieren den Dativ, z. B.: einem zu Hilfe kommen, einem Hohn sprechen, einem zuteil werden, einem kund tun, einem Schaden tun usw.

e) Einige reflexive Verben haben das Reflexivpronomen im Dativ[29] bei sich, z. B.: ich bilde mir ein, ich maße mir an, ich nehme mir vor, ich verbitte mir, ich bitte mir aus, ich getraue mir, ich stelle mir vor, wage mir, gebe mir Mühe usw.

f) Der Dativ vertritt oft die Stelle eines Possessivpronomens oder eines possessiven Genitivs, z. B.: Er lag ihm zu Füßen (statt: zu seinen Füßen). Er warf sich mir in die Arme (statt: in meine Arme). Das Wasser netzt ihm den (statt: seinen) nackten Fuß. Goethe. Dem Freunde zittert die Hand = Die Hand des Freundes zittert. (Vgl. S. 73.)

g) Zuweilen kann das Dativobjekt auch durch eine präpositionale Wendung umschrieben werden, z. B.: ich schreibe dir oder an dich, ich gebe dieser Familie oder an diese Familie Geld, ich zahle, schenke, gebe dieser Gesellschaft oder an diese Gesellschaft eine Summe, ich habe ihm oder an ihn Geld geliehen usw. Der Dativ hebt immer die unmittelbare persönliche Beziehung hervor, während die präpositionale Umschreibung nur ein Richtungsverhältnis angibt und eine entferntere, bloß mittelbare Beziehung andeutet.[S. 77] Zuweilen jedoch werden dadurch noch weiter gehende Unterschiede der Bedeutung bezeichnet, z. B.: ich verrate dir etwas oder: ich verrate an dich etwas. Die zweite Wendung schließt immer die bewußte Absicht des Auslieferns oder Überlieferns mit ein, während die erste Wendung auch dann gebraucht werden kann, wenn das Verraten unabsichtlich geschieht. Er hat mich an meine Feinde verraten. Durch seine Unbedachtsamkeit hat er meinen Feinden alles verraten.

Anmerkung 1. Um die persönliche Teilnahme an einem Ereignis mit besonderer Lebendigkeit hervorzuheben, fügt man oft den Dativ eines persönlichen Fürwortes in einen Satz ein, z. B.: Das war dir eine Pracht. — Das waren mir selige Tage! — Es sind Euch gar trotzige Kameraden. Schiller, u. ähnl. Man nennt diesen Dativ den ethischen Dativ. — Der Dativ steht ferner oft statt der Präposition für mit dem Akkusativ, z. B.: Wie herrlich leuchtet mir die Natur (d. i. für mich). Goethe. Die Uhr schlägt keinem Glücklichen. Was Thukydides für Hellas, Tacitus für Rom, das war er (Joh. v. Müller) seinem Vaterlande. König Ludwig von Bayern. Dieser Dativ heißt der Dativus commodi.

Anmerkung 2. In dichterischer Sprache steht der Dativ oft da, wo in Prosa eine präpositionale Wendung gebraucht wird, z. B.: Nie hab’ ich dem Tod gezittert (statt: vor dem Tod). Grillparzer. Ich will lachen seinem Wüten (statt: über sein Wüten). Derselbe.

3. Verben, die den Genitiv regieren.

a) Den Genitiv regieren die intransitiven oder intransitiv gebrauchten Verben: einer Sache achten, bedürfen, begehren, brauchen, gedenken, entbehren, entgelten, entarten, ermangeln, erwähnen, fehlen (d. i. nicht treffen), genießen, gewahren, harren, hüten, lachen, mangeln, pflegen, schonen, sparen, spotten, vergessen, wahren, wahrnehmen, walten, warten u. a. Beispiele: Die dieser Welt brauchen, daß sie derselben nicht mißbrauchen. Luther. — Niemand weiß, wie lange er des Ackers entbehrt, und des Gartens, der ihn ernährt. Goethe. — Du sollst meines Volkes Israel hüten. Luther. — Wie ich eines Felsenriffs gewahre, schrie ich den Knechten, handlich zuzugehen. Schiller. — Und Euer wahrlich! hätt’ ich nicht gefehlt. Schiller. — Jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruhe. Schiller. — Gott hat die Menschen so gebildet, daß sie der Gaben seiner Gnade mit Ergötzung genießen können. Gellert. — O nimm der Stunde wahr, eh’ sie entschlüpft. Schiller. — Zu ihr bring’ ich dich jetzt, sie wartet deiner. Schiller. — Einige Intransitiva haben nur in gewissen formelhaften Wendungen einen Genitiv bei sich, z. B.: des guten Glaubens, der Hoffnung leben, Hungers sterben, des Todes sterben u. ähnl.

Die meisten der genannten Verben werden gegenwärtig jedoch nur in dichterischer Sprache noch mit dem Genitiv verbunden, in prosaischer Sprache werden sie zum größten Teile transitiv gebraucht[S. 78] und regieren den Akkusativ, oder sie bleiben auch da intransitiv und nehmen ein präpositionales Objekt zu sich. So sagt man gewöhnlich: auf etwas achten, eine Sache begehren, brauchen, an etwas gedenken, eine Sache entbehren, erwähnen, fehlen, genießen, gewahren, auf etwas harren, eine Sache hüten, über etwas lachen, es mangelt mir an etwas, über etwas spotten, eine Sache schonen, sparen, vergessen, wahren, wahrnehmen, über etwas walten, auf etwas warten, einen Kranken warten (d. i. pflegen). Pflegen wird nur in den Wendungen: des Rates, des Umgangs, der Ruhe pflegen mit dem Genitiv verbunden, sonst mit dem Akkusativ, z. B. einen Kranken pflegen (vgl. I, 169). — Auch bedürfen kann mit dem Akkusativ verbunden werden.

b) Viele transitive Verben haben neben dem Akkusativ der Person einen Genitiv der Sache bei sich (vgl. S. 73), z. B.: ich klage dich eines Verbrechens an, ich beraube dich einer Sache, ich belehre dich eines Besseren (sonst gewöhnlich: einen über etwas belehren), er beschuldigt ihn eines Verbrechens, er entbindet mich meines Versprechens (oder: von meinem Versprechen), er entblößte ihn aller seiner Habe, er enthob mich aller Sorgen, man entkleidete ihn seiner Würde, man entließ ihn seines Amtes (oder: aus seinem Amte), man entledigte ihn seines Gepäcks, man entsetzte ihn des Amtes, man entwöhnte ihn aller Furcht, das gemahnt mich vergangener Zeiten (oder: an vergangene Zeiten), man sprach ihn des Mordes los (gewöhnlich von dem Morde), er mahnt mich meines Versprechens (oder: an mein Versprechen), man überführte ihn des Verbrechens, er überhob mich aller Sorge, er überwies mich eines Fehlers, er versicherte mich seiner Dankbarkeit, er würdigte mich keines Wortes, er zeiht mich einer Sünde.

c) Einige unpersönlich gebrauchte Verben regieren neben dem Akkusativ der Person einen Genitiv der Sache, z. B.: Mich erbarmt dieses Unglücklichen, mich reut dieses schlimmen Handels, ihn jammerte des Volkes, es verdrießt mich der Mühe nicht, es lohnt sich der Mühe. Gewöhnlich konstruiert man jedoch die Ausdrücke persönlich (mit Ausnahme von sich lohnen, das am besten immer mit dem Genitiv verbunden wird) und setzt also statt des Genitivs den Nominativ, z. B.: Dieser traurige Zustand erbarmt mich, das Volk jammert mich, der Weg verdrießt mich, dieser unüberlegte Schritt reut mich. Neben: „Mich gelüstet einer Sache“ sagt man gewöhnlich: „Mich gelüstet nach einer Sache.“

d) Viele reflexive Verben regieren den Genitiv, z. B.: sich einer Sache anmaßen (gewöhnlich: sich eine Sache anmaßen), sich jemandes annehmen, sich einer Sache bedienen, sich einer[S. 79] Sache befleißigen, begeben, bemächtigen, bemeistern, bescheiden, sich einer Sache entäußern, enthalten, entschlagen, entsinnen, erbarmen (gewöhnlich: sich über etwas erbarmen), sich einer Sache erdreisten, erfrechen, erfreuen (oder: sich an etwas erfreuen), erinnern, erkühnen, erledigen, erwehren, freuen, getrösten, rühmen, schämen, unterfangen, vergewissern, vermessen, versehen, versichern, weigern, verwundern (gewöhnlich: sich über etwas wundern). Einige Reflexiva werden nur noch in formelhaften Wendungen mit dem Genitiv verbunden, z. B.: sich eines Besseren besinnen, sich Rats erholen, sich seiner Haut wehren u. a.

e) Statt des Genitivs gebraucht man gewöhnlich Präpositionen bei folgenden Verben:

An mit dem Dativ bei: mangeln, sich erfreuen, z. B.: Du ließest es an gutem Rat nicht mangeln. Ich erfreue mich an dem Grün der Wiesen.

An mit dem Akkusativ bei: denken, gedenken, sich erinnern, gemahnen, mahnen, z. B.: Denke an die vergangene Zeit! Erinnere dich an dein Versprechen. Das gemahnt mich an die alte Freundschaft.

Auf mit dem Akkusativ bei: achten, harren, warten, sich besinnen. Ich achte auf diese Erscheinung, harre, warte auf dich usw.

Nach bei: verlangen, es gelüstet mich. Auch begehren, das meist mit dem Akkusativ verbunden wird (vgl. S. 78), regiert in der Bedeutung: „sehnend verlangen“ ein präpositionales Objekt, das durch nach angeknüpft wird.

Über mit dem Akkusativ bei: walten, lachen, spotten, belehren, sich erbarmen, sich freuen, sich wundern.

Von bei: entbinden, entblößen, entledigen, entsetzen, entwöhnen, sich enthalten. Überzeugen, das früher auch mit dem Genitiv verbunden wurde, wird jetzt nur noch mit einem präpositionalen Objekte verbunden: einen von etwas überzeugen.

Bei anderen Verben bedient man sich in der prosaischen Rede statt des Genitivs einer Umschreibung durch den Infinitiv mit zu, z. B.: Er erdreistet, erfrecht, erkühnt sich zu kommen. Er vermißt sich, das Werk zu vollbringen; er unterfängt, unterwindet sich, mit ihm zu reden; er weigert sich zu gehen usw. Die Verben sich entblöden[30] und sich unterstehen, die früher auch mit dem[S. 80] Genitiv verbunden wurden, lassen gegenwärtig nur noch die angegebene Konstruktion zu, z. B.: Du solltest dich entblöden (d. i. dich scheuen, schämen), aus diesem Ton zu reden. Wieland. Ich werd’ mich unterstehen, euch das zu wehren. Schiller. In der Frage: „Was unterstehst du dich?“ ist der Akkusativ an die Stelle des älteren Genitivs getreten: „Wes unterstehst du dich?“ Ebenso in: Das (früher: des) unterstehst du dich!

f) Über den prädikativen Genitiv, der mit dem Objektsgenitiv nicht verwechselt werden darf, vgl. I, 183 Anm. 1.

4. Verben mit schwankender Rektion.

angehen (in der Bedeutung: betreffen) ist mit dem Akkusativ, nicht mit dem Dativ zu verbinden. Das geht dich (nicht: dir) nichts an. Unrichtig sagt also Fichte: Das geht dem Weibe nichts an.

ankommen (in der Bedeutung: befallen) regiert den Akkusativ, z. B.: Es wird dich Angst ankommen. Luther. Da kam mich Furcht und Zittern an. Luther. Doch kommt mich bald die Lust zu schreiben wieder an. Opitz. Doch hat sich neben dem Akkusativ allmählich auch der Dativ eingebürgert; dieser findet sich bei Goethe, Schiller, Herder, Bürger u. a. Man kann daher auch sagen: Mir kommt ein Grauen an.

ankommen (in der Bedeutung: werden, verbunden mit Adverbien) regiert den Dativ, z. B.: es kommt mir sauer an (d. i.: es wird mir sauer), es kommt mir leicht, schwer, hart an.

anwandeln regiert den Akkusativ: Was wandelte den Ritter an? Schiller. — Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, mit dieser Dirne geradehin zu handeln. Goethe. Mich wandelt Furcht, Angst, eine Schwäche usw. an. — Neben dem Akkusativ findet sich wie bei ankommen auch der Dativ, z. B.: Wenn ihr nur nicht ein unzeitiger Appetit anwandelt. Weiße. — Es wandelte ihr plötzlich eine kleine Schwachheit an. Lessing. — Namentlich in den Formen, die mit[S. 81] sein gebildet werden, wird der Dativ gebraucht: Ich weiß nicht, was ihm angewandelt ist. Doch kann man auch hier sagen: Ich weiß nicht, was ihn angewandelt ist.[31]

anfechten ist nur mit dem Akkusativ zu verbinden. Was ficht dich an?

sich anmaßen wird mit dem Dativ der Person und Akkusativ der Sache verbunden, z. B.: Ich maße mir ein Vorrecht an. — Doch findet sich in dichterischer Sprache auch der Akkusativ der Person und der Genitiv der Sache, z. B.: Nicht unwürdig hab’ ich mich des Bundes angemaßt mit deiner Tochter. Schiller. Der Konstruktion mit dem Dativ ist der Vorzug zu geben.

anliegen ist nur mit dem Dativ zu verbinden, z. B.: Lag sie mir an mit unabläss’gem Flehn. Schiller. Der Akkusativ, der sich bei Lessing, Klopstock, Jean Paul, Putlitz u. a. findet, ist unrichtig und nicht zu gestatten.

begegnen regiert nur den Dativ und wird mit sein konjugiert, z. B.: Ich bin dir begegnet. Andere Konstruktionen, die bei Lessing, Schiller u. a. sich finden, sind nicht gut zu heißen.

belieben wird gewöhnlich unpersönlich konstruiert, z. B.: es beliebte dir, nicht zu kommen. Doch ist auch die persönliche Konstruktion nicht ungebräuchlich: Du beliebtest nicht zu kommen. Beide Konstruktionen sind statthaft.

bedeuten (in dem Sinne von: belehren, unterweisen) wird mit dem Akkusativ verbunden, z. B.: Therese bedeutete den Verwalter in allem; sie konnte ihm von jeder Kleinigkeit Rechenschaft geben. Goethe. — In dem Sinne: „zu verstehen geben“ regiert bedeuten den Dativ, z. B.: er ließ mir bedeuten, daß ich schweigen sollte.

beneiden regiert den Akkusativ: einen beneiden, einen um etwas beneiden. Um dies Vergnügen muß mich ein Prinz beneiden. Gellert. — Früher wurde beneiden zuweilen auch mit dem Dativ der Person und dem Akkusativ der Sache verbunden, z. B.: Die ganze Welt wird dir dein Glück beneiden. Ich beneide ihm diese Lobsprüche nicht. Lessing. Diese Konstruktion ist veraltet.

betten (d. i. ein Bett machen, eine Schlafstätte bereiten) regierte ursprünglich den Dativ. Stehe auf und bette dir selber. Apostelgesch. 9, 34. — Seit Goethe hat sich dagegen der[S. 82] Akkusativ eingebürgert, so daß betten so viel heißt wie: zu Bett legen, z. B.: Du bettest dich auf Stroh, man hat ihn schlecht gebettet usw. Beide Kasus sind statthaft.

bezahlen wird entweder bloß mit dem Akkusativ der Person verbunden, z. B.: ich bezahle dich noch heute, oder mit dem Dativ der Person und dem Akkusativ der Sache, z. B.: ich bezahle meine Schuld, ich bezahle dir meine Schuld.

dünken (deuchte, gedeucht, vgl. I, 167) regiert den Akkusativ: Mich dünkt. Der Dativ ist zu verwerfen.

ekeln. Man sagt entweder unpersönlich: Mir (besser als: mich) ekelt vor einer Sache; oder reflexiv: Ich ekle mich vor einer Sache; zuweilen kommt auch die Konstruktion vor: Die Sache ekelt mich (gewöhnlich: Die Sache ekelt mich an).

gelten (in der Bedeutung: betreffen, auf etwas gerichtet sein, etwas zum Ziele haben) wird mit dem Dativ verbunden, z. B.: Der Anschlag galt deinem Leben, die Kugel galt dir usw. Wird dagegen gelten unpersönlich gebraucht in der Bedeutung: es kommt an auf —, oder: es steht auf dem Spiele, so tritt die Sache, auf die es ankommt oder die auf dem Spiele steht, in den Akkusativ, z. B.: es gilt dein Leben, dein Vermögen, einen festen Entschluß, einen harten Kampf, eine rasche Entscheidung usw.

getrauen. Man sagt besser: „Ich getraue oder traue mich, etwas zu tun“, als: ich getraue mir, etwas zu tun.

helfen wird mit dem Dativ verbunden. Dein Glaube hat dir geholfen. Luther. — Früher wurde es mit dem Dativ nur in der Bedeutung: „beistehen, Hilfe leisten“ verbunden, dagegen in der Bedeutung: „fördern, weiter bringen“ mit dem Akkusativ. Was hilft dich’s, daß du in Ägypten zeuchst? Luther. All mein Wirken und Schonen hilft mich nichts. Goethe. Doch ist auch in dieser zweiten Bedeutung jetzt nur der Dativ üblich, z. B.: Das hilft dir alles nichts.

kleiden regiert nur den Akkusativ, auch in der Bedeutung: passen, stehen. Also: Dieser Hut kleidet dich (nicht: dir) gut.

kosten (in der Bedeutung: zu stehen kommen) kann sowohl mit dem Dativ, als auch mit dem Akkusativ verbunden werden: Dieses Werk hat mir oder mich viel Anstrengung gekostet, das Fest kostet ihm oder ihn viel Geld. Es kostet mich viel Zeit. Lessing. Es kostet dir ein einzig Wort. Schiller. Diese Tat kostet ihm oder ihn das Leben. — Ebenso wird: zu stehen kommen mit dem Dativ oder Akkusativ verbunden, z. B.: Diese Erkenntnis kommt ihm oder ihn teuer zu stehen.

liebkosen regiert ursprünglich den Dativ: Der Vater liebkost dem Knaben, ebenso in passivischer Form: Dem Knaben wird[S. 83] von dem Vater geliebkost. Der Gebrauch hat aber das Verbum in ein transitives verwandelt und gibt dem Akkusativ den Vorzug: Der Vater liebkost den Knaben und: Der Knabe wird von dem Vater geliebkost. Da sich der Akkusativ einmal eingebürgert hat, sind beide Kasus zu gestatten.

lohnen regiert den Dativ der Person und den Akkusativ der Sache, z. B.: Er hat mir meine Dienste übel gelohnt. — Es wird jedoch auch bloß mit dem Dativ der Person oder der Sache (die dann personifiziert erscheint) verbunden, z. B.: Ihm lohnt der Ton, der aus der Kehle dringt. Chamisso. Gott lohnt dem Fleiße. — Ferner kann lohnen auch bloß den Akkusativ der Sache oder der Person regieren, z. B.: Der Erfolg lohnt die Mühe, den Fleiß nicht. Wer hohen Muts sich rühmen kann, den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang. Bürger. — Das unpersönliche: es lohnt oder es lohnt sich dagegen wird mit dem Genitiv verbunden, z. B.: es lohnt der Mühe, es lohnt (oder verlohnt) sich nicht der Mühe.

nachahmen regiert den Dativ der Person und den Akkusativ der Sache: ich ahme dir etwas nach. — Es kann nun auch der bloße Dativ der Person stehen: er ahmt dem Horaz nach, oder der bloße Akkusativ der Sache: er ahmt die Oden des Horaz nach. — Doch kann auch die Person in den Akkusativ treten, und hier gilt folgende Regel: Bedeutet nachahmen so viel wie: „einem Vorbilde nachstreben“, so wird es mit dem Dativ verbunden, z. B.: das Kind ahmt dem Vater nach, er ahmt den größten Dichtern nach usw.; heißt es aber so viel wie: „nachbilden, kopieren“, so regiert es den Akkusativ, z. B.: der Schauspieler ahmt auf der Bühne täuschend einen Kranken, einen Dichter, einen Franzosen usw. nach. „Er ahme ihnen (den Menschen), aber nicht wie jener amerikanische Vogel, der die Stimme anderer Vögel nachahmt, unverständig und knechtisch nach.“ Herder.

nachsuchen ist intransitiv. Man sagt: ich suche um etwas nach. Doch findet sich nachsuchen auch transitiv gebraucht: ich suche etwas nach. Dem intransitiven Gebrauche ist aber der Vorzug zu geben.

rufen kann mit dem Dativ oder Akkusativ der Person verbunden werden. Mit dem Dativ heißt es: einem zurufen, d. h. einem durch laute Stimme ein Zeichen geben, daß er aufmerke, z. B.: Der Herr rief dem Samuel, dem Moses. Wer ruft dem Heer der Sterne? Gellert. — Mit dem Akkusativ dagegen heißt es: einen herbeirufen, d. h. einem durch laute Stimme zu verstehen geben, daß er sich uns nähere, z. B.: Der Vater hat dich gerufen, d. h. du sollst[S. 84] zu ihm kommen. Der König rief den Sänger zu sich. Die Glocke ruft dich zur Kirche. Die Trompete ruft die Krieger zur Schlacht.

überwiegen regiert den Akkusativ. Der Tadel überwog das Lob. Der Dativ, der auch bei einigen Schriftstellern vorkommt, ist nicht zu empfehlen.

sich unterstehen regiert den Akkusativ der Person. Man darf also nur sagen: Was unterstehst du dich? nicht: Was unterstehst du dir?

sich unterziehen regiert vorwiegend den Dativ, z. B.: er unterzieht sich dem Auftrage, besser als: des Auftrages.

versichern regiert entweder den Akkusativ der Person und den Genitiv der Sache: ich versichere dich meines Schutzes; oder den Dativ der Person und den Akkusativ der Sache: ich versichere dir meinen Schutz. Man darf also sagen: „Das versichere ich Ihnen“ oder: „Dessen versichere ich Sie“, falsch aber ist es zu sagen: Das versichere ich Sie! — Wird die Sache durch einen Nebensatz ausgedrückt, so kann die Person sowohl in den Dativ als auch in den Akkusativ treten. Ich kann also sagen: „Ich versichere Ihnen, daß ich die Wahrheit sage“ und: „Ich versichere Sie, daß ich die Wahrheit sage.“ Im ersten Falle vertritt der Nebensatz ein Akkusativ-, im zweiten Falle ein Genitivobjekt. — In der Form: „Ich bin versichert“ nimmt das Wort den Genitiv zu sich: Ich bin deines Schutzes versichert, sei meines Beistandes versichert. Der Genitiv kann hier jedoch auch durch die Präposition von umschrieben werden: Du kannst von der Wahrheit meiner Aussage versichert sein.

sich zeigen. Der prädikative Zusatz mit als, der zu diesem Verbum zu treten pflegt, kann sowohl im Nominativ, als auch im Akkusativ stehen; doch ergibt sich dabei ein Unterschied der Bedeutung: sich zeigen mit dem Nominativ heißt: „in die Erscheinung treten“, und zwar wird dadurch das Unabsichtliche hervorgehoben; sich zeigen mit dem Akkusativ dagegen heißt: „in die Erscheinung treten lassen“, und zwar wird dabei das Absichtliche betont. Demnach unterscheide man: er zeigte sich als Held (der er war), und er zeigte sich als Helden (für den man ihn bis dahin nicht gehalten hatte, oder: als den er sich erweisen wollte). In derselben Weise wechseln in der Konstruktion die Verben: sich erweisen, sich ankündigen, sich darstellen, sich empfehlen, sich beweisen u. a. Er erweist sich als mein Freund, er erweist sich als meinen Freund usw.

[26] Ausnahmen sind die intransitiven Verben: hinterbleiben, unterbleiben, beharren, beruhen, bestehen, begegnen, behagen, bekommen, es beliebt, unterliegen.

[27] Lehren (got. laisjan, Kausativum zu got. lais, d. i. weiß) heißt eigentlich „wissen machen“. Einige Schriftsteller verbinden lehren mit dem Dativ der Person, z. B.: Da hat er den Franzosen das Schwimmen gelehrt. Arndt. — Lehr’ unser deutsches Recht dem Franzmann im Gefecht. Rückert. Dieser Gebrauch ist nicht gut zu heißen. Vgl. Heyse-Lyon, S. 303 flg.

[28] Vgl. mhd.: ich bin den site gelêret.

[29] Grimm nennt nur die Verben reflexive, die das Reflexivpronomen im Akkusativ bei sich haben. Man könne daher die, die es im Dativ bei sich haben, genauer unechte Reflexiva nennen.

[30] Sich entblöden bedeutet eigentlich „in den Zustand des Blödeseins eintreten“; die Vorsilbe ent ist hier nicht privativ, sondern inchoativ, d. h. sie drückt das Eintreten in einen Zustand aus, wie in: entblühen, entblößen, entschlafen usw. — Gegenwärtig ist von sich entblöden hauptsächlich die Verneinung „sich nicht entblöden“ in Gebrauch, und zwar in der Bedeutung: „sich nicht scheuen, sich erdreisten.“ Frisch in seinem Deutsch-lateinischen Wörterbuche I, 111 c und Grimm (Wörterbuch III, 499) erklären sich gegen diesen Sprachgebrauch; sie fassen die Vorsilbe ent- in entblöden als das privative ent- (im Sinne von weg, los) auf und legen infolgedessen dem Worte entblöden die gerade entgegengesetzte Bedeutung: „die Blödigkeit benehmen, beherzt machen“ bei. Zwar wird sich entblöden von einigen Schriftstellern in dieser letzteren Bedeutung gebraucht, z. B. von Wieland, Gleim u. a.; doch dieselben Schriftsteller wenden sich entblöden auch in der oben angeführten Bedeutung von „sich scheuen“ an, und der heutige Sprachgebrauch kennt nur noch diese Bedeutung, die zugleich die ursprüngliche ist. Vgl. hierzu meine Bearbeitung des Artikels „Entblöden“ in Eberhards synonymischem Handwörterbuche, 16. Aufl. S. 375 flg.

[31] Noch Adelung (Wörterbuch, 2. Aufl. I, S. 400) ließ bei anwandeln nur den Dativ gelten, während Heyse, Becker u. a. nur den Akkusativ zulassen. Es sind jedoch beide Kasus zu gestatten, obwohl dem Akkusativ der Vorzug zu geben ist.

[S. 85]

B. Rektion der Verbalsubstantive.

Die Verbalsubstantive, die von einem transitiven Verbum gebildet werden, regieren den Genitiv. Der Akkusativ, mit dem die transitiven Verben verbunden werden, verwandelt sich also in den Genitiv, z. B.: eine Stadt erbauen: die Erbauung der Stadt; eine Burg erobern: die Eroberung der Burg; ein Denkmal errichten: die Errichtung eines Denkmals. Man nennt diesen Genitiv den Genitivus objectivus, zum Unterschiede von dem Genitivus subjectivus; der letztere bezeichnet die Person oder Sache, der etwas gehört, an der sich etwas befindet, oder von der etwas ausgeht, z. B.: das Haus meines Freundes, die Früchte des Baumes, die Heldentaten Siegfrieds.

Zu den Verbalsubstantiven, die von intransitiven Verben gebildet werden, tritt das Genitiv- oder Dativobjekt des Verbums in der Regel nicht im Genitiv oder Dativ hinzu, sondern es wird durch eine Präposition angeknüpft, z. B.: er erinnerte sich vergangener Stunden: die Erinnerung an vergangene Stunden; er gehorchte dem Gesetze: der Gehorsam gegen das Gesetz; er stimmte meinem Vorschlage zu: die Zustimmung zu meinem Vorschlage; er zürnte dem Freunde: der Zorn gegen den Freund usw. — Diejenigen Verbalsubstantive natürlich, die von Verben stammen, die auch transitiv gebraucht werden (wie hauptsächlich die Verben, die außer dem Genitiv auch den Akkusativ regieren, vgl. S. 78), können das Objekt auch im Genitiv zu sich nehmen, z. B.: das Bedürfnis der Ruhe, die Erwähnung dieses Vorfalls, der Genuß geistiger Getränke, die Wahrnehmung dieser Zustände, die Entbehrung des Notwendigsten usw. Nach Maßgabe dieser Bildungen hat man auch das Wort Erinnerung mit dem Genitiv verbunden, z. B.: die Erinnerung vergangener Zeiten, die Erinnerung jener Stunden usw.[32] — Im übrigen aber ist die Regel festzuhalten, daß ein objektiver Genitiv nur zu solchen Verbalsubstantiven treten kann, die von transitiven Verben gebildet sind.

Anmerkung. Wenn zu Verbalsubstantiven, die von intransitiven Verben stammen, ein Genitiv tritt, so ist dies ein subjektiver, nicht aber ein objektiver Genitiv, z. B.: der Zorn des Freundes, d. i. der Zorn, den der Freund empfindet (nicht: der Zorn gegen den Freund), der Gehorsam des Soldaten (d. i. der Gehorsam, den der Soldat zeigt) usw.

[32] Viele Beispiele dieser Art führt Andresen (Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit, 7. Aufl. S. 182) aus Goethes Werken an.

[S. 86]

C. Rektion der Adjektive.

1. Adjektive, die den Dativ regieren.

Mit dem Dativ werden verbunden die Adjektive: einem ähnlich sein, einem abtrünnig werden, einem angeboren sein, angehörig, angelegen, angemessen, angenehm, anstößig, bedenklich, begreiflich, behaglich, behilflich, bekannt, bequem, beschieden, beschwerlich, bewußt, böse, dankbar, dienstbar, dienlich, deutlich, eigen, eigentümlich, ergeben, entbehrlich, erfreulich, erinnerlich, erklärlich, ersprießlich, feil, feind, fremd, furchtbar, fürchterlich, gefährlich, gehorsam, geläufig, gemäß, gemeinsam, genehm, gesund, getreu, geneigt, gewogen, gewachsen, gleich, gleichgültig, gnädig, gram, günstig, heilsam, hold, abhold, hinderlich, kund, lästig, leicht, leid, lieb, möglich, nachteilig, nahe, nötig (not), nützlich (nütze), peinlich, recht, schädlich, schmerzlich, schrecklich, schuldig, teuer, treu, tröstlich, überlegen, verantwortlich, verbunden, verderblich, verhaßt, verwandt, wichtig, widrig, widerwärtig, willkommen, zugänglich, zugehörig u. a. Namentlich auch viele Adjektive, die mit der Vorsilbe un- gebildet werden, gehören hierher, z. B.: unangenehm, unähnlich, unbegreiflich, unbehaglich, unvergeßlich usw.

Oft wird das Dativobjekt durch eine Präposition umschrieben, z. B.: er ist böse auf mich (statt: er ist mir böse); es ist gefährlich, schrecklich, schmerzlich, verderblich, notwendig usw. für mich.

Anmerkung. Wenn ich die Wörtchen zu, allzu, genug zu einem Adjektivum setze, so kann ich mit jedem Adjektivum den Dativ verbinden, z. B.: Das ist mir zu hoch, zu schwer, allzugewöhnlich; das ist ihm nicht gut genug usw.

2. Adjektive, die den Genitiv regieren.

Mit dem Genitiv werden verbunden die Adjektive: ansichtig, bar (aller Freuden bar), bedürftig, benötigt, bewußt, eingedenk, fähig, froh, gedenk, geständig, gewahr, gewärtig, gewiß, gewohnt, habhaft, kundig, ledig, leer, los, mächtig, müde, quitt, satt, schuldig, sicher, teilhaftig, überdrüssig, verdächtig, verlustig, voll, wert, würdig, und die mit un- gebildeten Verneinungen dieser Adjektive, soweit sie sich bilden lassen, z. B.: unbewußt, uneingedenk, unkundig u. a. — Manche werden nur noch in bestimmten formelhaften Wendungen mit dem Genitiv verbunden, z. B.: Handels einig, Handels eins, eitler Ehre geizig. — Statt des Genitivs gebraucht man auch Präpositionen, z. B.: froh über etwas (statt: einer Sache froh), voll, leer, ledig, los von etwas usw.

Wenn man sagt: ich bin es müde, satt, gewiß, wert, geständig, bedürftig usw., so ist dieses es nicht der Akkusativ, wie ältere[S. 87] Grammatiker angenommen haben, sondern der Genitiv. Ursprünglich heißt nämlich der Genitiv Sing. des Pronomens der dritten Person (für das männliche und sächliche Geschlecht) ës (got. is). An die Stelle des alten ursprünglichen Genitivs trat später der Genitiv des reflexiven Pronomens sîn (d. i. sein, seiner). Der alte Genitiv es wurde dadurch verdrängt, erhielt sich aber noch in einzelnen Wendungen. Zu diesen gehören die oben angeführten, sowie die Ausdrücke: er hat es sich unterstanden; du wirst mir es dank wissen; er will es nicht Wort haben; ehe er es sich versah; wir haben es nicht Ursache; wir sind es nicht gewohnt usw.

Anmerkung. In Wendungen wie: keinen Pfennig wert, einen Taler wert, einen Groschen schuldig u. ähnl. ist der Akkusativ nicht ein von den Adjektiven wert, schuldig usw. regiertes Objekt, sondern ein adverbialer Akkusativ des Wertes, vgl. I, 189.

D. Rektion der Präpositionen.

Über den Kasus, den die einzelnen Präpositionen regieren, vgl. I, S. 120–132. Hier sei nur auf einige Schwankungen im Gebrauche der Präpositionen hingewiesen:

Unweit, unfern. Diese Präpositionen werden am besten immer mit dem Genitiv verbunden. Der Dativ, der sich auch findet (z. B. bei Schiller, Grimm u. a.), ist nicht zu empfehlen.

Während, ungeachtet, wegen sind nur mit dem Genitiv, nicht mit dem Dativ zu verbinden. Fehlerhaft ist es also, zu sagen: demungeachtet (statt des richtigen: dessen ungeachtet), während dem (statt des richtigen: während dessen), wegen dir (statt: deinetwegen)[33] u. ähnl. — Es kommt zuweilen vor, daß der Genitiv äußerlich nicht erkennbar ist, z. B.: während acht Tage, während zehn Jahre, wegen Scheltworte; ebenso bei einigen anderen Präpositionen, z. B.: er hat statt Bösen Gutes empfangen, innerhalb drei Jahre usw. In solchen Fällen pflegt gewöhnlich der Dativ als Ersatz des Genitivs verwendet zu werden, und man sagt: während acht Tagen, während zehn Jahren, wegen Scheltworten, er hat statt Bösem Gutes empfangen, innerhalb drei Jahren usw. Empfehlenswert ist es, in solchen Fällen ein Wort, an dem der Genitiv deutlich zutage tritt, einzuschieben und etwa zu sagen: während eines Zeitraumes von acht Tagen, wegen heftiger Scheltworte, er hat statt des Bösen Gutes empfangen, innerhalb einer Zeit von drei Jahren usw.

[S. 88]

Statt ist als Präposition immer mit dem Genitiv zu verbinden. Doch kann das Wort, wie außer (vgl. hierüber I, 128 flg.), auch als Konjunktion stehen und regiert dann gar keinen Kasus; der Dativ oder Akkusativ, der dann gewöhnlich auf statt folgt, ist von dem Verbum und nicht von statt abhängig, z. B.: „Er hat mir geschrieben, statt dir; er hat das Schreiben an mich geschickt, statt an dich; er hat mich angesprochen, statt dich usw.“

Über längs, zufolge, trotz, sowie über entlang s. I, 122, 123 u. 125, desgl. über bei S. 124 Anm.

Ohne ist immer mit dem Akkusativ zu verbinden. Lessing, Herder und Goethe haben, dem Beispiele Luthers folgend, zwar zuweilen die Präposition ohne mit dem Dativ verbunden, doch ist dieser Gebrauch veraltet und daher heute zu vermeiden.

Bis wird in der Regel noch mit einer anderen Präposition verbunden, z. B. Es war ein König in Thule gar treu bis an das Grab. Goethe. — So konnte die ganze Ebene mit flachen Schiffen bis fast unter die Mauer von Antwerpen befahren werden. Schiller.Bis auf wenige Reste hat das Feuer alles verzehrt. Er kletterte bis zum Gipfel des Baumes empor. Blücher drang bis über den Rhein vor und folgte dem Feinde bis nach Paris. Der Feind wurde bis hinter die Verschanzungswälle zurückgetrieben. Er wurde von der schlimmen Nachricht bis ins Innerste getroffen.

Nur vor Adverbien und Ortsnamen ohne Artikel, sowie zwischen Zahlwörtern steht bis für sich allein, z. B.: Bis hierher und nicht weiter! — Bis heute, bis morgen, bis dahin, bis dorthin; zwölf bis vierzehn, in acht bis vierzehn Tagen, zwei- bis dreimal usw. Ich fuhr bis Leipzig, bis Rußland, bis Frankreich usw.

Bei zu und um ist zu merken, daß sie nur mit einem Kasus stehen, nämlich zu immer mit dem Dativ, mag es nun den Ort (wo), z. B. zu Worms, zu Aachen, zu Haus, zu Wasser und zu Lande, zur Rechten, zur Linken, zu beiden Seiten usw.; die Richtung (wohin), z. B. von Ort zu Ort, von Haus zu Haus, zur Kirche, zur Schmiede, zur Schule gehen, zur Hölle fahren, zur Ruhe kommen usw.; die Verbindung von Dingen, z. B. er goß Wasser zum Wein, er aß Fleisch zum Gemüse, Butter zum Brote usw., oder ein Größenverhältnis bezeichnen, z. B. zum Teil, zur Hälfte, zu dritt, wir waren zu vier, zu fünf, zu hunderten, zu tausenden; ich habe Fleisch, das Pfund zu einer Mark, gekauft usw. Um dagegen steht immer nur mit dem Akkusativ, mag es den Ort (wo), z. B. der Feind lagerte um die Stadt, die Soldaten lagen um das Feuer, wir saßen um den Tisch, oder die Richtung (wohin) bezeichnen, z. B. wir gingen um die Stadt, um das Haus, die Feinde stellten sich um das Gebäude usw. Fehler gegen diese einfachen Regeln kommen nicht selten vor, es ist daher notwendig, besonders darauf aufmerksam zu machen.

[33] Deinetwegen weist wie meinetwegen, seinetwegen usw. auf die ursprüngliche Form der Präposition wegen zurück, vgl. I, 252. Das Wort enthält den Plural des Possessivpronomens und heißt eigentlich: von dînen wegen.







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the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    gbnewby@pglaf.org

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.