The Project Gutenberg eBook of Reisescizzen und Tagebuchblätter aus Deutsch-Ostafrika, by Frieda von Bülow
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Title: Reisescizzen und Tagebuchblätter aus Deutsch-Ostafrika
Author: Frieda von Bülow
Release Date: February 07, 2021 [eBook #64483]
Language: German
Character set encoding: UTF-8
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK REISESCIZZEN UND TAGEBUCHBLÄTTER AUS DEUTSCH-OSTAFRIKA ***

Frieda Freiin von Bülow.

Reisescizzen
und
Tagebuchblätter
aus Deutsch-Ostafrika.

Berlin 1889.
Walther & Apolant.

Markgrafenstraße 60.

Alle Rechte vorbehalten.

Meinen
wackeren Freunden und Gefährten
in Ost-Afrika

mit herzlichem Gruße
zugeeignet.


Reise-Erinnerungen.

Der Markusplatz lag in hellem Sonnenglanz, welcher in all dem blanken Marmor und in der Goldmosaik der wunderbaren maurischen Kirche funkelte und blitzte. Auf den Marmorplatten wogte eine festtägliche Menge mit nur in Venedig möglicher Geräuschlosigkeit. Tausende von schönen Augen sahen erwartungsvoll nach der berühmten Uhr hinauf, die heute ihr schönstes Kunststück machte, denn es war am Tage der Himmelfahrt Christi. – Wir aber wandten uns, begleitet von einigen Kofferträgern nach der Piazzetta, von wo aus wir eine der langgeschnabelten schwarzen Gondeln bestiegen und nach dem Hafen hinausruderten. Dort lag, weit draußen, der große »Indienfahrer,« ein Dampfer der »Peninsular and Oriental Steam Navigation Company,« der uns nach Aden bringen sollte. Mein Onkel und seine junge Braut geleiteten uns noch an Deck, doch mußten sie uns bald das letzte Lebewohl sagen, denn die Abfahrtsstunde war gekommen. So lange wir die sich Entfernenden sahen, winkten wir mit den Tüchern. Dann nahm das Rasseln der Ankerkette, das Hin- und Herlaufen dunkelfarbiger Matrosen, die Commandorufe der Schiffsofficiere, der lange, klagende Pfiff und das Schnaufen der in Thätigkeit gesetzten Maschine unsere Aufmerksamkeit gefangen.

Schönes heiteres Wetter und ruhige See begleiteten uns bis Alexandria, wo uns dicht am Schiff bereits der Eisenbahnzug nach Suez erwartete. Wir hatten indessen bis zur Abfahrtszeit noch eine oder zwei Stunden zu warten. Sowie das Schiff still lag, kamen zahlreiche Aegypter an Bord, um uns ihre Dienste anzubieten, oder Waren feil zu halten. Ihr Mienenspiel und ihr gebrochenes Englisch erschienen mir überaus komisch. Einem englischen Oberst, der nach Indien reiste, fiel es ein, Volksreden zu halten. Damit schien er den Geschmack des braunen Auditoriums getroffen zu haben. Sie scharten sich um den Redner, lauschten seinen Worten mit Aufmerksamkeit und waren mit pfiffigen Gegenbemerkungen stets bei der Hand. Der würdige Oberst, ein vornehm und selbstbewußt dreinschauender alter Herr, sagte diesem »süßen Pöbel« übrigens keine Schmeicheleien. Er schalt sie vielmehr mit einer eines Bußpredigers würdigen Aufrichtigkeit aus wegen ihres Verhaltens gegen die Europäer während des letzten Aufstandes. Der Rede kurzer Sinn war ungefähr: »Ihr miserablen Kerls, schämt Ihr euch nicht, den Europäern das Geld abzunehmen und uns wie Fliegen zu umschwärmen, so lang ihr glaubt, noch etwas aus uns herausziehen zu können, und dann, wenn dieselben Europäer, denen Ihr Euren Lebensunterhalt verdankt, vor Euren Augen bedrängt werden, sie nicht mehr kennen zu wollen! Ihr nichtsnutzige Bande! Hat auch nur einer unter Euch Hand oder Fuß gerührt, um Euren Wohlthätern zu helfen?!« –

Der Oberst redete im Tone gerechtester Entrüstung und sparte nicht mit dem »for shame!« Seine Zuhörer, die von Zeit zu Zeit sehr intelligente Einwände laut werden ließen, lauschten im übrigen mit behaglichem Lächeln. Es war eine Scene, die in ihrer drastischen Komik einerseits, anderseits durch den historischen Ernst, den große Ereignisse wie einen Schatten darüber warfen, Shakespeare'schen Dramen entstiegen schien und zu mancherlei Betrachtungen Veranlassung gab.

Wir fuhren nun 12 Stunden lang per Schnellzug durch die Wüste, gegen deren gelben Sand wir uns vergeblich mittelst blauer Brillen und Tücher zu schützen suchten. In Suez angelangt, wurden wir bei sternenklarer Nacht auf einem Schlepper nach der weit außen liegenden »Malva« befördert. –

Das rothe Meer, in das wir am folgenden Tag gelangten, zeichnet sich, wie bekannt, durch eine Hitze aus, die nur noch von der Temperatur des persischen Meerbusens übertroffen werden soll. Die Herren suchten nachts auf dem Verdeck etwas Schlaf zu finden, die Damen auf der Tafel unter den »Sky lights«. Meine Gefährtin und ich hielten es in der Cabine aus und waren dabei doch die Einzigen, die schlafen konnten. – Ich habe auf dieser Reise übrigens die Engländer von der liebenswürdigsten Seite kennen gelernt. Unter den Passagieren befand sich ein Oberst, – nicht der Volksredner, – der ein und ein halbes Jahr als Gefangener des Königs von Abessynien in Ketten gelegen hatte. Dieser war auch vor Jahren einmal »political agent« in Zanzibar gewesen, hatte aber die Insel nicht in guter Erinnerung. Er beklagte mich meines Reiseziels halber und riet mir sofort und täglich Chinin zu nehmen. »Zanzibar is a sad place,« meinte er, »it has such a churchyardy feeling about it

Ein anderer Herr, von dem man mir sagte, er sei einer der ersten Rechtsanwälte in Bombay, wurde mir von den Officieren als »a radical man« bezeichnet. Die Dispute dieses Radikalen mit jenen, die äußerst loyal und conservativ gesinnt waren, amüsierten mich nicht wenig. Mir gegenüber liebte es der Radikale, Parallelen zwischen der deutschen und der englischen Nation zu ziehen und entwickelte dabei Ansichten, die mir bei einem Engländer neu waren. Er beklagte ernstlich, daß seine Landsleute an einem Uebermaß von Nationalgefühl krankten, welches schon mehr in verbohrte Beschränktheit ausgeartet sei. Engländer seien um kein Haar besser als irgend ein anderes Volk, vielmehr die menschlichen Fehler und Vorzüge überall die nämlichen. Ein vernünftiger Mensch müsse Kosmopolit sein, u. s. w.

Eines Abends zeigte mir der Oberst, der den Männern von Alexandria Moral gepredigt hatte, am Sternenhimmel das südliche Kreuz, welches ungefähr in der Mitte des roten Meeres zum ersten mal sichtbar wird. Ich erzählte ihm stolz und freudig, daß dies Kreuz auf der Flagge unserer Ostafrikanischen Kolonie prange. Da sah mich der Brite groß an und brach dann in lautes Lachen aus. Ich frug, warum er lache. »Sie haben Ihre Kolonialflagge ja recht bescheiden gewählt,« sagte er, und lachte von neuem. Ich erklärte ihm darauf sehr bestimmt, das Thema deutscher Kolonisation würde von nun an nicht mehr zwischen uns berührt werden, da ich Spott über diesen Gegenstand nicht annehmen könne und wolle. Der Oberst ließ es sich sehr angelegen sein, mich zu begütigen, aber ich blieb meinem Vorsatz treu. Im stillen dachte ich: Lacht ihr nur. Wer aber zuletzt lacht, lacht am besten.

Außer den Engländern befand sich ein Pfeifenhändler aus Ostfriesland, der seit Jahren in Indien lebte und naturalisierter Engländer geworden war, sowie der italienische Konsul Zanzibar's, Cavaliere Vincencio Filonardi, an Bord. Mit dem Friesen sprach ich so lange von seiner Heimat, bis er zu meiner Befriedigung den angenommenen Engländer fallen ließ, und die deutsche Eigenart vorkehrte. Er sang uns abends am Clavier deutsche Volkslieder vor und erntete allgemeinen Beifall.

In Aden trennten wir uns von den liebenswürdigen Reisegefährten, die ihren Cours nach Bombay fortsetzten und ließen uns in Begleitung des italienischen Konsuls nach dem Dampfer der British India Line fahren, der auf seiner Route nach Madagaskar Zanzibar anläuft. Leider machte sich das Schiff schon aus einiger Entfernung durch widerlichen Geruch bemerkbar. Diese nach Lamu, Mombassa, Zanzibar und Madagaskar fahrenden Dampfer nehmen für jene Orte in Aden eine große Ladung geräucherten Haifisches an Bord, von dessen üblem Geruch man sich kaum eine Vorstellung machen kann. Trotzdem ist der »papa« die Lieblingsspeise der Neger, Indier und Araber! Nun freilich, eine Schiffsladung aus Heringen und altem Käse bestehend möchte einen Nichtkenner dieser Delikatessen auch nicht durch ihr Parfüm anlocken. Während wir im Hafen lagen, kamen sieben algerische Mönche an Bord, die in langen, weißwollenen Gewändern, ebensolchen flatternden Mänteln, weiß überzogenen Korkhelmen und Kreuzen auf der Brust höchst malerische Gestalten waren. Wir begaben uns an Land, um uns die jetzt notwendig gewordenen Kork-Sonnenhüte zu kaufen. Der italienische Konsul, Herr Filonardi, bot uns Mangos an, eine beliebte Frucht, die leise nach Terpentin riecht und unter der dicken grünen Schale einen steifen, süßen orangegelben Crême enthält, den man mit dem Theelöffel ausißt. Wir konnten uns noch nicht mit dem Fremdartigen des Geschmacks befreunden.

Als wir uns abends auf unser Schiff zurückbegaben, hatte sich der große Sandplatz am Hafen in einen Schlafsaal verwandelt. Die Bewohner von Aden hatten dort ihre Betten aufgeschlagen, – nicht auf der Erde, sondern meist in richtigen Bettstellen – und lagen um uns her in guter Ruhe.

Am folgenden Morgen kamen mehrere deutsche Herren an Bord, die bis Aden mit dem Bremer Lloyd gefahren waren und nun in diesem schattenlosen Felsennest auf uns hatten warten müssen. Unter diesen Herren befanden sich der zur Vermessung der geplanten Eisenbahnlinie von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ausgesandte Regierungsbaumeister Wolf und sein Adjutant, Herr von Hake, etwas Amerikaner im Äußeren, von Gesinnung aber so deutsch, wie nur diejenigen es werden, die im Ausland unter dem steten zu kurz kommen der Unsrigen zu leiden gehabt haben.

Auch unser Missionar, Herr Pastor Greiner, mit seiner Frau und Nichte kam auf die Mecca und noch ein schwindsüchtig aussehender englischer Missionar. Der Kapitän, ein sehr behaglicher, wohlwollender alter Herr, schüttelte den Kopf über so viel »Propheten« – es waren in der That neun geistliche Herren an Bord, – und sagte: »das wird eine stürmische Fahrt werden.« Als ich es mir mittags schmecken ließ, sagte er halb wehmütig: »Essen Sie nur, Baronesse; morgen werden Sie es nicht mehr können.«

Vorläufig beunruhigte meine Gefährtin und mich der Sturm weit weniger, als die Unsauberkeit dieses Schiffes. Besonders graute uns vor den Kokerutschen, einer etwa zehnfachen vergrößerten Auflage der heimischen Küchenschwaben, die raschelnd überall umherliefen, leider auch scharenweise an den Wänden unserer Kabine. Diese Ungetüme machten uns große Not und wir wurden obendrein noch ob unseres Entsetzens ausgelacht. Indessen zogen sich die Tiere etwas zurück, als wir, den Golf von Aden verlassend, die hohe See erreichten. Zugleich aber, nämlich am Cap Gardafui, kamen wir in den Südwestmonsum. Die Mecca tanzte zwischen Wellenbergen, die das Schiff von allen Seiten ansprangen, weshalb der Kapitän meinte, wir seien in die letzte Wellenbewegung eines Cyclon gekommen. Ich war so krank, daß ich zeitweise sogar die Besinnung verlor und dann glaubte ich mich stets in einer Waldschlucht meiner Thüringer Heimat. Eines Abends zogen mich der Kapitän und der Schiffsarzt fast mit Gewalt auf's Verdeck, wo ich in einen mit Tauen befestigten Schiffsstuhl gelegt wurde. Es bot sich mir ein ganz eigentümlicher Anblick. Rings um das auf und nieder steigende Fahrzeug standen dunkle Wasserberge, die den Horizont dicht vor uns abgrenzten. Sonst war nichts zu sehen. Sturzwellen kamen von allen Seiten über das Verdeck und spülten zahllose Silberfische an Bord, die von dem Kapitän und den Matrosen mit den Händen gefangen wurden zum delikaten Frühstück. Der Kapitän lief mit dick verbundenen Füßen umher. Er war so unvorsichtig gewesen, wegen des auf Deck stehenden Wassers und der Schlüpfrigkeit Stiefel und Strümpfe wegzulassen, aber ehe er sich dessen versah, hatte ihm die Tropensonne arg schmerzende Brandwunden zugezogen. Die Passagiere lagen in kläglichstem Zustand umher, besonders litten die weißen Priester stark durch die Seekrankheit. Am tapfersten hielt sich der Regierungsbaumeister Wolf aufrecht, doch meinte auch dieser, so schlecht sei es ihm in seinem Leben noch nicht ergangen. Einige junge Deutsche (nachmals Angestellte der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft), die zweiter Cajüte fuhren, boten übrigens den Unbilden der stürmischen Fahrt mit beneidenswertem Frohsinn Trotz. Ich hörte sie täglich singen und jodeln. Jede Sturzwelle wurde mit ausgelassenem Hurrah begrüßt. Der erste Offizier, der die jungen Leute gelegentlich wegen der positiven Gefahr des Überbordgespültwerdens in die Cabine nötigte, konnte nicht umhin dieser unverwüstlichen Laune Bewunderung zu zollen. »'pon my word«, rief er aus, »I never saw such a jolly set!«

Am zehnten Tag unserer Fahrt langten wir vor Lamu an. Sowie die Schraube zu arbeiten aufhörte, fühlte ich mich frisch und munter, so daß ich mich ungesäumt auf Deck begab. Vom Lande her nahte sich ein Boot unter deutscher Flagge, das indessen des hohen Seegangs wegen nur langsam vorwärts kam. Bald konnten wir auch zwei weißgekleidete Europäer neben den schwarzen Ruderknechten erkennen. Es waren die Herren Gustav Denhardt und Lieutnant Ramsay, welche kamen, um ihre Postsachen zu holen. Sie konnten uns die neuesten Nachrichten von den Freunden in Zanzibar geben und wir mußten ihnen von Berlin erzählen.

Zwei Tage später machten wir noch eine Ruhepause in dem reizenden Hafen von Mombassa, um dann ohne weitere Unterbrechung unserem Ziele zuzusteuern.


Tagebuchblätter.

Zanzibar, den 16. Juni 1887.

Gestern Abend näherte sich unsere Mecca, nachdem sie am Morgen fünf Stunden auf einer Sandbank im Kanal von Pemba festgelegen, endlich der Stadt Zanzibar.

Stundenlang, ehe diese noch sichtbar, standen wir am Rande des Schiffes und sahen durch die Ferngläser nach dem bläulichen Küstenstreifen der Insel. Bald konnten wir Waldungen erkennen und die auf einem Landvorsprung errichtete Signalstange, deren Flagge dem Wächter auf dem Sultansturm unser Nahen frühzeitig ankündigte. Als es dunkelte, leuchtete vor uns das große electrische Licht auf, mit dem der Sultan in mondlosen Nächten seine Umgebung erhellt.

Kurz nach Sonnenuntergang ließ der Kapitän noch außerhalb des Hafens Anker werfen, da ihm das Einlaufen zwischen Korallenriffen und Sandbänken bei Nacht nicht ratsam schien. »The captain believes in safety«, sagten seine minder geduldigen Offiziere lächelnd.

Ich sehnte mich, festes Land unter den Füßen zu fühlen, aber von unseren Deutschen war nichts zu hören und zu sehen. Darum nahm ich es gern an, als Herr Filonardi dem Schiffsarzt, einem Irrländer namens Roß, und mir vorschlug, mit ihm an Land zu fahren, um wenigstens etwas spazieren zu gehn. Die italienische Kolonie, bestehend aus vier Herren, war pünktlich und vollzählig erschienen, um ihren Konsul zu begrüßen. In Gesellschaft dieser lebhaften Romanen ließen wir uns durch den Hafen rudern, wo zahlreiche Lichtchen auf den Schiffen grüßten, während die electrische Flamme auf dem Turm einen breiten Silberstreifen über die dunkle Wasserfläche warf.

Nachdem wir auf nassem Sand und Korallen gelandet, wurden wir durch die Stadt geführt. Die engen, krummen, dunklen und holperigen Gassen entsprachen nicht dem Bild, das die reich illuminierte Häuserreihe am Meer vom Hafen aus geboten. Ich war auch ermattet von der anstrengenden Seefahrt und stolperte jeden Augenblick über Schutt und Gerümpel oder versank bis zum Fußgelenk in irgend eine Vertiefung. Eingefaßt waren die Gassen von hohen, fensterlosen Mauern. Eine Seitenstraße, ebenso schön wie die anderen, wurde uns unter fröhlichem Lachen als »Boulevard des Italiens« vorgestellt. Wir bogen in dieselbe ein und befanden uns auf einmal in einem von hohen Mauern umgebenen Hof, der in dem matten Licht einiger durch eine halboffene Gallerie schimmernder Lampen ganz romantisch aussah. – Unter einem hohen Baum lagen Warenballen aufgeschichtet und eine Steintreppe führte von außen nach dem zweiten Stock des Hauses auf die einem Klosterkreuzgang ähnliche Gallerie. Ich sah mich verwundert um und frug, wo wir wären. Das ist unser Konsulat, sagten die Italiener. Ich forderte Mr. Roß auf, nun mit mir nach dem Schiff zurückzukehren, davon wollte aber der Konsul nichts hören. Ich müsse mich nach dem beschwerlichen Gang zunächst etwas ausruhen, meinte er, er werde uns dann selbst auf die Mecca zurückfahren.

Dr. Roß und ich freuten uns übrigens, bei dieser Gelegenheit gleich ein zanzibaritisches Intérieur kennen zu lernen. Wir stiegen unter Führung der Italiener die steile Treppe hinan und traten von der Gallerie aus in einen hellerleuchteten hohen Raum, dessen Einrichtung – buntgewirkte Teppiche und Decken, schwere seidne Vorhänge, große Vasen, indisches Schnitzwerk und bequeme Sessel aus Rohrgeflecht – ganz das von europäischem Geschmack durchsetzte orientalische Gepräge trug. Man rückte uns die behaglichsten Sitze zurecht und dann brachte ein schwarzer Diener auf den Wink des Hausherrn Champagnerschalen, in die unser Wirt italienischen Schaumwein goß. Zu meiner besonderen Freude machte ein schöner Bernhardiner, der dem Vicekonsul, Herrn Pietro Ferrari gehörte, seine Aufwartung. Erwähnter Herr, der uns durch den Konsul als Musikfreund und Inhaber einer schönen Stimme verraten wurde, mußte sich auf unsere Bitte an das Piano setzen und uns einige Arien vortragen, was er ungern, dann aber mit echt italienischer Lebhaftigkeit absolvierte. Nach einer auf solche Weise sehr angenehm verflossenen halben Stunde traten wir den Rückweg an. Noch einmal mußten wir beim Rascheln der Kokerutschen an Bord der Mecca übernachten und das sanfte Plätschern der an die Schiffswand schlagenden Dünung sang uns das Schlaflied.

Zanzibar, den 17. Juni 1887.

Gestern Morgen beeilte ich mich an Deck zu kommen, da um unser Schiff her, in starkem Gegensatz zu der gewohnten Stille auf hoher See, ein gewaltiges Lärmen und Treiben herrschte. Wir waren beim ersten Morgengrauen in den Hafen eingelaufen und befanden uns zwischen einer Menge großer Schiffe, Daus und Boote, ziemlich dicht an der Landungstreppe. Stadt und Hafen glitzerten in einer Flut hellen Sonnenlichts. Es war ein Bild, in dem als Farbe ein blendendes Weiß vorherrschte, eine Landschaft wie Wereschagin sie malt. Die weißen algerischen Mönche von Zanzibar kamen angerudert, um ihre Ordensbrüder in Empfang zu nehmen. Auch andere Europäer in weißem Anzug und weiß umhülltem Korkhelm näherten sich. Ich stand in unbehaglicher Empfindung des Alleinseins am Schiffsrand und sah hinunter auf die sich andrängenden Boote mit ihren lärmenden schwarzen, braunen und gelben Insassen, als auf einmal eine mir wohlbekannte Stimme »guten Morgen, Baronin!« heraufrief. Da bemerkte ich in einem der Boote den Freiherrn von Gravenreuth, der mich mit seinen lustigen blauen Augen ganz so übermütig anlachte wie vormals in Berlin, wenn es galt eine Extratour zu tanzen. Meine trübe Stimmung war verschwunden. Es ist wahr, daß man sich sofort zu Hause fühlt, wo man Gesinnungsgenossen und Freunde findet.

Außer Herrn von Gravenreuth hatte Herr Dr. Peters die mir nur dem Namen nach bekannten Herren Braun und von St. Paul geschickt und das Konsulat seinen Dragoman, Mr. Michalla, der leider kein Wort deutsch spricht. Während sich nun die Herren Braun und von St. Paul der neuangekommenen Beamten und des nach der Duane zu dirigierenden Gepäcks annahmen, fuhren wir mit Herrn von Gravenreuth nach der steinernen Landungstreppe am Schloßplatz, von wo aus wir uns unter des Barons Führung nach dem einzigen anständigen Hôtel der Stadt begaben, dem am Meere gelegenen Hôtel d'Afrique Centrale.

Der Weg vom Landungsplatz zum Hôtel ist kurz, aber charakteristisch. Vor allem bietet er an Schmutz und Unordnung, was man von arabischer Straßenpflege irgend erwarten kann. Gegenüber dem Residenzschloß steht am Meere die Menagerie seiner Hoheit, bestehend aus sechs bis acht morschen Käfigen, in welchen sich ein ziemlich zahmer Löwe, eine Löwin, ein Stachelschwein, ein Jaguar und drei bis vier andere Tiere befinden. Die Straßenluft wird durch diese Sehenswürdigkeit natürlich nicht verbessert. Unter dem Schlafgemach des Sultans, einem frei, auf hohen Säulen stehenden Haus, ist ein Panther als Kettenhund angebunden, den die Vorübergehenden mit ihren Stöcken ärgern. An das Schlafhaus schließt sich der Harem, ein langer Bau mit himmelblau angestrichenen Fensterläden, der durch einen blütenreichen Garten von der Straße getrennt wird. Der Sultan läßt grade vor diesen Garten eine Mauer in Gestalt eines unförmlichen Schiffes bauen, die eine Wasserleitung in sich birgt mit nach der Straße gerichteten Krähnen zur Nutznießung der Gläubigen. Das ist einer seiner originellen Einfälle, der indessen in der Ausführung durch seine Geschmacklosigkeit gradezu erschreckt. Nasser Kalk, Lehm- und zackige Korallensteine, die zum Bau verwendet werden, bedecken den Weg in seiner ganzen Breite. Neben dem Harem steht noch ein Palast mit himmelblauen Fensterläden. Es ist die Residenz von Schwestern und sonstigen weiblichen Verwandten des Sultans. Auf der anderen Seite der Straße am und im Meer sahen wir eine Menge verrostetes Eisen liegen, Anker, Faßreifen, unbrauchbare Maschinenteile u. s. w., das wird hier abgelagert und dem rasch zerstörenden Einfluß der Witterung preisgegeben. Wir überschritten eine Art von Platz und kamen nun an die Fabriken Seiner Hoheit, eine für das electrische Licht und eine für die Bereitung von Eis. Diese Fabriken bestehen aus offenen Schuppen. Davor sitzen auf der Straße in Reihen oder Gruppen aneinander gekettete Neger, welche Holz spalten zur Heizung der Maschinen. Das sind Diebe oder Leute, die ihren Contract gebrochen haben oder ihrem Herrn entlaufen sind, kurz harmlose Übelthäter, die hier zur Strafe mit eisernem Ring um den Hals an die Genossen festgeschmiedet arbeiten müssen. Sie sehen sehr schmutzig aus, aber ganz vergnügt. Quer über die Straße laufen den Fabriken entfließende offene Abzugskanäle, die sich zu Pfützen von widerlicher Farbe und Geruch verbreitern. Man muß, um zu dem Hôtel zu kommen, über die schmutzigen Rinnsale voltigieren und dabei Acht geben, daß man nicht den dicht umherhockenden Sträflingen auf Hände oder Füße tritt.

Das Hôtel d'Afrique Centrale, gehalten von Mr. Chabot, einem Marseiller, ist ein Teil eines großen arabischen Privathauses. Wir traten von der Straße aus in einen kühlen, nach Sitte der Araber mit Marmor-Wandbänken versehenen Flur und gelangten, eine Holztreppe hinaufsteigend auf die Gallerie, die mit ihren auf massigen Steinpfeilern ruhenden Rundbögen einen Hof umschloß. In diesem Innenhof blüht ein alter Oleanderbaum und um ein Wasserbassin schwirrt es von allerhand Geflügel: Truthühner, Enten, Perlhühner u. s. w. Auch Affen verschiedener Größe und Art treiben ihr Spiel daselbst, so daß wir den kleinen Affen Hassan, den uns Herr Filonardi zum Schutz gegen die Kokerutschen in Mombassa gekauft, gleich in ein für ihn passendes Quartier bringen konnten. Von der mit schönen Blattgewächsen geschmückten Gallerie gelangt man in die Gaststuben, große isolierte Zimmer, deren es im ganzen nur vier giebt, abgesehen von zwei oder drei Holzbaracken auf dem Dach. Letztere werden von einigen Reisenden vorgezogen der frischeren Luft wegen; dagegen sollen dort fette Ratten sehr ungeniert ihr Wesen treiben.

Die Araber in Zanzibar scheinen ihre Häuser nach Art unserer alten Schlösser zu bauen. Zwischen dicken Mauern sind die Zimmer sehr hoch und mit kleinen Fenstern versehen. Auf diese Weise werden Räume geschaffen, in denen die Luft circulieren kann und die dabei von der Außentemperatur möglichst abgeschlossen sind. Kühlt abends die Luft ab, so öffnet man die Läden einer bis zum Fußboden reichenden Fortsetzung der Fenster, die mit zierlichem eisernen Schutzgitter versehen ist, und läßt den erfrischenden Seewind ein. Diese Bauart erscheint mir ebenso hübsch als zweckmäßig.

Zanzibar, den 18. Juni.

Gestern Abend ließen wir uns nach der Mecca hinausrudern, um dem freundlichen Kapitän und unserem besonderen Freund Dr. Roß vor ihrer Weiterreise nach Madagaskar noch einmal Lebewohl zu sagen. Dr. Roß hatte uns im Hôtel aufgesucht und erzählt, der Kapitän habe noch immer von den Brandwunden an seinen Füßen zu leiden, so daß er nicht in Stiefel, also auch nicht ans Land kommen könne. Wir waren aber kaum zehn Minuten an Bord der Mecca, als Herr von Gravenreuth uns nachgefahren kam. Er und Herr Dr. Peters hatten uns im Hôtel abholen wollen und nicht angetroffen. Nun ersuchte uns der Baron, unseren Besuch auf dem Schiff abzukürzen und ihn nach dem sogenannten neuen Usagarahaus zu begleiten, in welchem sich am Freitag Abend die ganze deutsche Kolonie zum offnen Abend einzustellen pflegte. Unsere englischen Freunde waren freilich nicht mit dieser Abkürzung unseres gemütlichen Beisammenseins zufrieden, dennoch zögerten wir nicht uns dahin zu verfügen, wo wir von rechts wegen hin gehörten, nämlich zu den Deutschen. Das neue Usagarahaus ist ebenso wie das Hôtel d'Afrique Centrale ein alter arabischer Steinbau, mit dicken Mauern, tiefen Nischen, umfangreichen Pfeilern, Rundbogen und verschiedenen Terrassen. Auch hier umgiebt den Innenhof eine halboffene Gallerie, die sich zur geräumigen Halle erweitert. Hier waren Wände und Säulen mit Flaggen geschmückt und an der Hauptwand befindet sich auf blumenumkränzter Console eine Büste unseres geliebten Kaisers.

Die deutsche Kolonie hatte sich ziemlich vollzählig eingefunden, wenigstens war sowohl unser Consulat, wie auch die verschiedenen Kaufmannshäuser: O'Swald, Strandes, Meyer und was noch hier haust, vertreten.

Ich erkundigte mich eingehend nach Dar-es-Salaam. Diesen deutschen Vertragshafen hatte man in Berlin als Centralplatz der auf dem Festland eingerichteten Stationen ins Auge gefaßt, daher gedachten wir dort die Einrichtung eines Krankenhauses zu beginnen. Inzwischen hatte sich aber Dar-es-Salaam als zu einem Verkehrsmittelpunkt ungeeignet herausgestellt, weshalb unser erster Plan geändert werden mußte. Indessen meinte Herr Dr. Peters, wenn wir auch von einem Haus in Dar-es-Salaam nunmehr absehen müßten, so sei eine geordnete Krankenbesorgung in der Hand einer gelernten Pflegerin dort sehr erwünscht, da grade jetzt in Dar-es-Salaam wegen der Mangrovensümpfe und der Umarbeitung des Bodens viel Krankheitsfälle vorkämen. Mit dem Quartier sei es vielleicht noch nicht so bestellt, wie er es für uns gewünscht habe, indessen riete er mir die nächste günstige Fahrgelegenheit zu benutzen, um mich selbst umzusehen und daraufhin weitere Dispositionen zu treffen.

d. 19. Juni.

Gestern Nachmittag besuchte mich auf Veranlassung des Kapitäns der Mecca die Leiterin der hiesigen englischen Missionsstation »Mkunazini« und lud mich ein, heute in der Mission zu dinieren. Ich frug, ob ich meine junge Krankenpflegerin mitnehmen könne, doch schien deren gesellschaftliche Stellung der schwerfälligen Britin nicht klar genug zu sein, und sie antwortete vorsichtig in verneinendem Sinn. Ich schickte daher Bertha, die ohnehin nicht englisch versteht, zu dem Missionar Greiner und dessen Familie, mit welcher sie auf der Reise schon gut bekannt geworden. Ich selbst wurde von einem jungen deutschen Kaufmann abgeholt, der viel bei den Damen von Mkunazini verkehrt, und dort »lieb Kind« ist. Wir durchwandelten die Stadt in ihrer Ausdehnung vom Meere nach dem landeinwärts vorgelegenen Negerviertel, wobei wir die mit den grellsten Farben bemalten Quartiere der reichen Indier passierten. Daß hier und in anderen Straßen ein Pflaster überhaupt existiert, verdankt die Stadt dem ehemaligen englischen Generalconsul Sir John Kirk. Dieser ließ eines Tages den indischen Unterthanen Ihrer Majestät sagen: Wenn nicht bis zum dritten Tag von heute jeder Hausbesitzer vor seinem Hause pflastern ließe, so würde er selbst es machen lassen, aber auf ihre Kosten. Das soll ungemein rasch gewirkt haben.

Aus den Indierstraßen gelangten wir zwischen die mit Palmzweigen gedeckten Hütten der Neger und bogen zuletzt in ein Mauerpförtchen ein. Mit dieser Biegung verwandelte sich die Scene vor uns wie durch Zauber. Mitten in Neger-Armseligkeit, indischen von Unsauberkeit strotzenden Kramläden und arabischen Schutthaufen sieht man auf einmal ein Stück Englands vor sich mit seiner blanken in voll entfalteter Blüte stehenden Kultur. Erstaunen, Bewunderung und nationale Eifersucht erfüllten mich bei dem überraschenden Anblick. »Wenn wir doch erst so weit wären!« rief ich. »Das wird wohl noch einige Jahrzehnte dauern,« meinte lächelnd mein Führer, »hier steckt viel englisches Geld darin und jahrelange Arbeit.«

Links von uns stand eine schöne steinerne Kirche, ein durchaus vornehmer Bau, durch dessen gothisch verzierte Fenster Licht schimmerte. Im Innern erklang aus vielen Stimmen und mit Orgelbegleitung der bekannte rhythmische Hymnengesang. An dieser Kirche vorüber führt ein sehr sauber gehaltener Weg durch Gartenanlagen nach den Missionshäusern. Hier hatte das britische Vermögen, das Gepräge der eignen Art dem vorgefundenen Fremden aufzuzwingen, es fertig gebracht, arabische Bauten in heitere englische »cottages« mit Loggien, blumengefüllten Erkern etc. umzuwandeln. Auf der Freitreppe begrüßten uns die Damen der Mission, die mir mit der liebenswürdigsten Gastfreundschaft entgegenkamen. Sie trugen, dem Klima angemessen, leichte weiße Kleider mit schwarzen Gürteln. Geschmackvoll angebrachte frische Blumen erhöhten das freundliche dieses Anzugs. Die interessanteste unter den Damen ist Miß Allen, eine corpulente, behaglich aussehende Frau in mittleren Jahren, die eine seltene Sprachkenntnis besitzt. Sie schreibt, liest und spricht: Deutsch, französisch, englisch, italienisch, arabisch und Suaheli. Auch latein und griechisch soll sie beherrschen. Wegen der bei einer Europäerin seltenen Kenntnis des Arabischen verkehrt sie freundschaftlich mit der Sultanin. Auch erhält sie öfters Besuch von vornehmen Arabern, mit denen sie liest. Diese litterarischen Freunde haben ihr mächtige und kostbar eingebundene arabische Handschriften zum Geschenk gemacht. So hausmütterlich aber gerade diese Miß Allen aussieht, steht sie dem Hause nur geistig vor, während die Sorge für das Materielle der sehr mageren und thätigen Miß Smith überlassen ist, der Dame, die mich gestern aufsuchte. Außer diesen Pfeilern des Hauses sah ich eine ältliche Missionarsfrau mit Hörrohr und großer Brille bewaffnet, eine junge Lehrerin, die sich wegen eines hartnäckigen Fußleidens tragen lassen mußte und die liebenswürdige Krankenpflegerin, Miß Shaw.

Nachdem die Missionszöglinge, – die Station Mkunazini erzieht nur Knaben, – ihre Gesangsübungen in der Kirche beendet hatten, versammelte man sich in der im Hochparterre gelegenen Halle zum Diner. Auch die Väter der Mission, die ein Haus für sich bewohnen, waren in mönchartigen langen Gewändern erschienen. Diese Herren haben hier, unbeschadet ihres halb geistlichen Amtes, einen gewissen Ruf als Sportsmänner. Im tennis, kricket, football und im Schnelllaufen sind sie den anderen hiesigen Engländern über.

In der Halle waren drei lange Tafeln gedeckt, eine für die älteren Knaben, eine für die Kleinen und eine für die Hirten und Hirtinnen der Herde und deren Gäste. Die Zöglinge tragen sämtlich lange weiße Hemden und feuerrote Jäckchen, was zu der schwarzen Hautfarbe sehr gut aussieht. Reiche Damen in England nähen diese Anzüge in ihren Missionsmeetings und schicken sie in so großer Anzahl nach Zanzibar, daß die sämtlichen auf der Insel und auf dem Festland gelegenen Stationen der Missionsgesellschaft versorgt werden und Ueberfluß haben.

Es wird der englischen Mission in Zanzibar zum Vorwurf gemacht, daß sie die Schwarzen zu jungen Herren erzieht, statt zu tüchtigen Arbeitern oder Dienern. Die aus der Anstalt entlassenen Jünglinge gelten hier als privilegierte Nichtsthuer und Taugenichtse. Solange sie unter der liebevollen Pflege der Damen sind, fühlen sie sich allerdings sehr wohl und der Zweck der Missionsgesellschaft, »to make the negroes happy« ist momentan wenigstens erfüllt. »Our boys are very happy little chaps!« sagte Miß Allen, als sie mir nach der reichlichen und guten Mahlzeit einzelne ihrer Lieblinge vorstellte. Sie versicherte mir: »wir wollen die Neger keineswegs zu Engländern machen, sondern zu Christen. Im übrigen sollen sie die Eigentümlichkeit ihrer Race behalten. Wir studieren darum sorgfältig ihre Gebräuche und ihre Sprache. Allen Unterricht erteilen wir in Kisuaheli.«

Zanzibar, den 20. Juni 1887.

Jetzt haben wir das Ende des Ramadan, des mohamedanischen Bet- und Fastenmonats miterlebt. Es ist dies Ende der Fastenzeit, welches mit dem Erscheinen des neuen Mondes zusammenfällt, zugleich das Neujahrsfest der Araber. Gegen Sonnenuntergang marschierten des Sultans sämtliche Truppen heran mit klingendem Spiel oder rhythmischem Kriegsgesang und nahmen auf dem Schloßplatz und dem angrenzenden »Boulevard sur mer« vom Palast bis ziemlich zu unserem Hôtel Aufstellung. Einen schönen Anblick bieten die »irregulären« Truppen. Das sind junge, meist mit edlen Gesichtszügen und sehr schlanken Gestalten ausgestattete Araber in dem durch Illustrationen aus der Zeit der Kreuzzüge bekannten überaus malerischen Kostüme: um den Kopf die hellseidene Keffie die tief in den Nacken herabhängt, ein bis über die Kniee reichender, meist weißer Waffenrock, darüber in dem schärpenartigen breiten Gurt eine Menge von Dolchen, Messern etc. Übrigens trägt auch von diesen Irregulären jeder Mann ein Gewehr. Die Berittenen tragen den Burnus der Beduinen und jagen mit ausgelegter Lanze in gestrecktem Galopp meist auf wundervollen Vollblutpferden durch die Straßen. Wie sie das bei der hiesigen Pflasterung möglich machen, ist mir unklar.

Am Meeresstrande sind, soweit der Blick reicht, Kanonen aufgefahren. Die Sultansschiffe prangen im reichsten Fahnenschmuck und das Volk der Araber, Indier, Perser, Aegypter, Goanesen und Suaheli erfüllt im Festtagsgewand Straßen und Plätze. Ich sah vom Fenster aus Neger-Dandies in schneeweißem, wallendem Hemd mit kupferfarbener, rotgoldner oder grünspanfarbener seidner Weste. Von dem Glanz dieser aus Indien stammenden Farben macht man sich in Europa kaum einen Begriff. Dazu tragen die Neger weiße gestickte mit zahlreichen Löchern versehene Mützchen, ein kostspieliger Artikel, und Spazierstöckchen in der Hand.

Auf dem Turm des Sultans, von den Europäern seiner Form und Beleuchtung wegen, der Weihnachtsbaum genannt, stand der Wächter und schaute nach der Himmelsgegend, in welcher der neue Mond sichtbar wurde. Unten herrschte große Aufregung, denn wenn sich der Mond an diesem Abend nicht sehen läßt, müssen die Gläubigen noch vierundzwanzig Stunden länger fasten und beten.

Wir überschritten gerade in Gesellschaft von Herrn Dr. Peters, Herrn Braun und Baron Gravenreuth den Schloßplatz, als vom Turme aus der Signalschuß gegeben wurde, der das Erscheinen des ersehnten Gestirns ankündigt. Sofort begannen die sämmtlichen Kanonen zu donnern, auch von den Schiffen her, und die gesammte Reichsarmee schoß die mit Pulver überladenen Gewehre auf einmal ab. Einen schlimmeren Lärm habe ich in meinem Leben nur einmal gehört, als ich, per Courierzug durch den Gotthardttunnel fahrend, auf der Außengallerie des Eisenbahnwagens stand. Damals fürchtete ich ernstlich für mein Gehör; aber auch heute verging mir im ersten Moment Hören und Sehen.

Bald nach Sonnenuntergang, sowie die frühe Tropennacht das groteske Straßenbild verhüllte, wurden die Schiffe illuminiert, so daß die Formen des Takelwerks sich in weißen Lichtperlen von dem Wasser abzeichnen. Das Schießen dauert immer fort.

Den 21. Juni.

Heute ist erster Neujahrsfeiertag. Wir haben in Gesellschaft der deutschen Herren einen Spaziergang landeinwärts gemacht, um die Tänze der Schwarzen zu sehen. In den Straßen wird fortwährend geschossen.

Den 22. Juni.

Heute, am zweiten Feiertag, war großer Empfang beim Sultan für die Europäer. Wer im Besitz eines schwarzen Überrocks oder Fracks ist, macht in Begleitung des betreffenden Konsuls dem Sultan seine Aufwartung und wünscht Glück zum neuen Jahr. Nach beendigter Audienz besprengt ein Hofbeamter die Gäste mit Rosenöl. Man riecht es in Folge dessen den Europäern meist noch tagelang an, daß sie an Hof gewesen waren. Als Nachspiel erhält jeder Besucher eine Schüssel Confect in's Haus geschickt. Die Herren aus dem Usagara-Haus überließen mir liebenswürdig einen Teil der ihnen gewordenen Geschenke, allein da diese arabischen, aus Sewsam, Honig und Mandel bereiteten Süßigkeiten in Hammeltalg gebacken sind, konnten sie mein Herz wenig erfreuen.

Den 23. Juni.

Miß Shaw, die in ihrer Apotheke jeden Morgen und jeden Abend schwarze Patienten empfängt, hat mir bereitwilligst Erlaubnis erteilt, ihr mit meiner Gefährtin bei diesem Vornehmen zu assistieren. Heute Morgen wanderten wir zu diesem Zweck, geführt von einem unserer schwarzen Kellner, nach der Mission. Die Apotheke im Missionshaus ist ein hoher Raum, in welchen das Licht durch ein fast an der Decke befindliches Fenster fällt. Der Fußboden ist mit Steinplatten ausgelegt, auch befindet sich ein Wasserbehälter mit Hahn und Schlauchspritze da.

Die zu Miß Shaw pilgernden Patienten litten, so viel ich ihrer heute gesehen habe, an durch Unsauberkeit verschleppten Geschwüren oder offenen Wunden.

Zu meiner Verwunderung zeigten sie sich bei den durch Schneiden, Auswaschen und Verbinden verursachten Schmerzen sehr tapfer. Kaum daß Einer zuckte, oder das Gesicht verzog. Ein etwa sechsjähriges Kind litt an den Augen und erhielt Einspritzungen. Er war erst seit acht Tagen in Mkunazini. Wie alle Missionszöglinge hier, war auch er ein kleiner Sclave, den englische Kreuzer (die eigens zu diesem Zweck das Meer absuchen) arabischen Sclavenschiffen weggekapert und der Mission überantwortet hatten. Am Tage seiner Ankunft, erzählte Miß Shaw, hatte sie ihn sofort seiner sehr entzündeten Augen wegen vorgenommen. Abends bekam er dann zum Nachtisch eine Apfelsine. Anstatt diese aber zu essen, bat er vor Schlafengehen seine Wärterin, die Apfelsine der Dame zu bringen, die ihm »Daua« (Medizin) für seine Augen gegeben habe. – Es ist gewiß irrtümlich, den Negern Undankbarkeit vorzuwerfen und ich glaube keinesfalls, daß dieser Mangel eine Charakteranlage ist. Wenn Europäer sich über Undankbarkeit der Schwarzen beschweren, so hat es wahrscheinlich meistens den Grund, daß die vermeintlich erteilten Wohlthaten nicht als solche empfunden worden sind.

Heute Nachmittag holte mich Herr v. Gravenreuth zu einem Besuch im französischen Hospital ab. Diese Schöpfung des Ordens vom heiligen Geist und vom heiligen Herzen Mariä hat ein viel ernsteres Gepräge, als die anmutige Niederlassung der Engländer. Das Kloster liegt dicht am Meer, dessen Brandung hier an Korallenriffe schlägt, so daß das dumpfe Brausen der anprallenden Wellen die Kranken in den Schlaf singt. Eine einsame Palme neigt die schönen Zweige wie trauernd dem Wasser zu. In dem ernsten, fast düsteren Klosterhof steht ein Gartenhäuschen nahe der Eingangspforte, dessen innerer Raum mit Heiligenbildern und Holzstühlen ausgestattet ist, wie ein Beetsaal. Das ist das Empfangszimmer. Die Schwestern in ihrer schwarzen Nonnenkleidung treten leise auf und sprechen mit gedämpfter Stimme. Sie sind zum größten Teil Creolinnen aus St. Mauritius und daher an das Klima besser gewöhnt als wir Nordländerinnen. Dennoch erzählen ihre bleichen, eingefallenen Gesichter und die tiefliegenden Augen von Nachtwachen und Betübungen, die den Geist vielleicht auf Kosten des Körpers fördern. Aber dies Kloster ist für alle in diese Landstriche verschlagenen Europäer zu einer Stätte des Segens geworden, von der sie mit inniger Dankbarkeit und Ehrfurcht sprechen. Wie manches Mal hat mein Bruder hier schon Heilung von schwerer Krankheit gefunden!

Die Oberin ist eine zarte, distinguirte Erscheinung, »petite, avec de grands yeux«. Sie stammt aus altfranzösischer Adelsfamilie und ist schon dreizehn Jahre im Dienst der Krankenpflege thätig. Wir sprachen über die Gefahren des Klimas und sie resümirte ihre Erfahrungen in dem Ausspruch: »l'énergie, c'est tout. Avec de l'énergie on vit ici, sans cela, on meurt«.

d. 24. Juni.

Heute Morgen, als ich aus meinem Zimmer trat, um zu frühstücken, stand auf der Galerie ein Herr in Joppe, Kniehosen und Gamaschen, dem Costüm, in dem die Herren auf dem Continent zu reisen pflegen. Ohne näher hinzusehen, wollte ich an ihm vorüber zu dem Kaffeetisch, als er mit einer mir sehr vertrauten Stimme: »Guten Morgen, Frieda,« sagte. Da erst erkannte ich meinen Bruder, den ich seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen hatte. Und heute ist gerade sein Geburtstag! Albrecht hat einen par force-Marsch von Usungula nach Bagamoyo gemacht. Er befindet sich körperlich und geistig sehr wohl und äußert sich durchaus zufrieden mit den Schwarzen, mit denen er jetzt, nachdem er ihre Eigentümlichkeiten kennen gelernt hat, gern verkehrt und leicht fertig wird. Das Kisuaheli spricht er zwar nicht so correct wie Baron St. Paul, der in alle Feinheiten der Grammatik eingedrungen ist, aber geläufig und mit echter Neger-Betonung.

d. 25. Juni.

Miß Shaw hat uns diesen Morgen in Hütten einzelner weiblicher Patienten mitgenommen.

Man mußte sich bücken, um durch die Thür in den dunklen Raum zu gelangen, der das Innere der Hütten bildet. Den Fußboden darin bildet die festgetretene Erde; die Einrichtungen, die wir heute sahen, bestanden aus einer einzigen Kitanda. Das indische Holzschemelchen, auf dem Miß Shaw bei ihrer Arbeit zu sitzen pflegt, trugen wir mit umher. Die Patientinnen boten ziemlich schwere Fälle von durch Unreinlichkeit und unordentliches Leben entstandenen fressenden Geschwüren, deren energische Behandlung aber auch diese Weiber mit dem größten Stoicismus über sich ergehen ließen. Wenn der active Mut den Suaheli-Negern fehlt, so scheint dafür der passive, der sich im Dulden äußert, desto reichlicher vorhanden.

Den 26. Juni.

Gewöhnlich gehen wir nachmittags mit Herrn von Gravenreuth oder meinem Bruder spazieren, aber zuweilen hat keiner der Herren Zeit für uns, und allein wagen wir uns nicht auf die Straße. Um uns dann die in diesem feuchtheißen Klima unerläßliche Körperbewegung zu verschaffen, klettern wir, wenn die Sonne untergeht, auf das flache Dach unseres Hôtels. Dies ist von so hohen Mauern umgeben, daß man nach keiner Seite hin Aussicht hat, also auch selbst nicht gesehen wird. Wir exercieren dann ganz stramm und machen turnerische Freiübung, was uns vortrefflich bekommt. Unterhaltender und reizvoller sind freilich die Gänge durch die Stadt, besonders abends. Ich habe als Kind mit Vorliebe die Märchen von tausend und einer Nacht durchblättert, die mein Vater in einer vier Foliobände starken Prachtausgabe mit unzähligen Illustrationen besaß. Jetzt scheint mir diese orientalische Märchenwelt vor meinen Augen lebendig geworden, so oft ich Gelegenheit habe, nachts die Gassen zu durchwandern. Wir biegen dicht bei unserem Hôtel in eine enge, finstere Gasse ein. Die altersgeschwärzten Hausmauern zu beiden Seiten sind ganz fensterlos. In einem tiefnischigen Pförtchen steht unbeweglich eine weiß verschleierte Araberin. Sie scheint jemanden zu erwarten. Wir gehen an ihr vorüber, ohne daß sie uns zu beachten scheint. Hinter uns ertönt, aus einer Seitengasse sich nahend, der einförmige rhythmische und gellende Wechselgesang schwarzer Lastträger und das gleichmäßige Getrappel ihrer nackten Füße. Sie holen während des Singens rasch und mühsam Atem, weil sie mit der schweren Last nicht gehen, sondern laufen.

Wir biegen aber bald in eine belebtere Straße ein. Aus einer Moschee ertönt der Chorgesang andächtiger Mohamedaner. Wir erlauben uns vor der offenen Eingangspforte des Tempels einen Augenblick Halt zu machen. Da knieen die Betenden in langen Reihen dicht hintereinander, d. h. sie hocken auf den kreuzweis untergeschlagenen Beinen und singen unter beständigen Verneigungen und nach Vorschrift ausgeführten eigentümlichen Handbewegungen ihre Responsen ab. Zahlreiche Krystall-Lampen, die von der Decke hängen, beleuchten scharf die schwarzen, braunen und gelben Gesichter. Die Schwarzen haben übrigens unbeschadet ihrer Andacht sämtlich die Gesichter uns zugekehrt und betrachten uns mit derselben Neugier, wie wir sie. Um sie nicht ferner zu zerstreuen, setzen wir unsern Weg fort. An der nächsten Straßenecke strömt uns süßer Blütenduft entgegen. Es ist die sogenannte Jasminecke. Hier werden in den Abendstunden auf niederen indischen Holzschemeln große Haufen von Jasminblüten feilgehalten. Die vornehmen Araberinnen bestreuen mit diesen Blüten vor Schlafengehen ihr Lager. Ihre Kopfnerven müssen anders geartet sein, als die der Europäerinnen. Wir befinden uns an der Jasminecke auf einem mit wildem Grün überwucherten Platz. Vor uns steht als malerische Ruine ein zerfallenes Araberhaus; einzelne maurische Bögen sind erhalten. Was hier zusammenfällt, bleibt als Trümmerhaufen liegen und wenn's in der belebtesten Straße der Stadt ist. Auf dem Gemäuer wachsen schlankstämmige Melonenbäume, »papaï«, unter deren zierlicher Blätterkrone die melonenförmigen Früchte hängen, hier eine beliebte Speise. Stammartige Wurzeln klettern außen an dem Gestein herunter auf die Straße nieder. Nicht weit von uns sitzen indische Jungen um ein kleines Holzkohlenfeuer, auf dem sie in einem Pfännchen Weihrauch verbrennen. Die Indier haben regelmäßige Gesichtszüge und träumerische zuweilen sehr schöne Augen. Aber die schlotterige Gestalt, die schlechte Haltung und die trägen Bewegungen tragen den Stempel der Weichlichkeit in unangenehmer Weise. Die männlichen Indier tragen weiße bis an die Knöchel reichende Hosen, Westen und kurze weiße Jacken. Nichts sitzt bei ihnen malerisch, oder zeigt hübschen Faltenwurf, wie es bei den Schwarzen häufig und bei den Arabern fast durchgängig der Fall ist. Auch sind ihre in's Auge fallenden Charakterzüge, Habgier und Geiz, auf den Gesichtern der älteren Männer mit erschreckender Deutlichkeit ausgeprägt. Die Knaben vor uns sehen freilich im rötlichen Schein ihres Feuerchens hübsch genug aus. An einem anderen Feuer sitzen alte Weiber und rösten Erdnüsse. Der vor uns hergehende Diener läßt sich für ein paar Pesa sein rotes Fez damit anfüllen. Man entfernt die geröstete Schale und der Kern schmeckt unseren Haselnüssen ähnlich, nur darf er nicht beim Rösten angebrannt sein.

Den 29. Juni.

Ich habe nun auch die zwei einzigen deutschen Damen hier in Zanzibar kennen gelernt. Frau Strandes, die nach dreijährigem Aufenthalt hier jetzt zum ersten mal unter dem Klimafieber leidet, hat einen prächtigen blonden und blauäugigen kleinen Sohn. Dem Kind scheint die Tropenluft vorläufig ganz vortrefflich zu bekommen. Freilich ist seine Mama auch eine musterhaft verständige kleine Frau, deren consequentes Erziehungssystem mir Achtung abnötigt.

Am vergangenen Sonntag haben wir schon zum zweiten mal Morgengottesdienst im Usagara-Haus gehabt. Starke Gewitterregen haben die Gassen Zanzibars unter Wasser gesetzt. Man hat nur die Wahl von Stein zu Stein zu voltigieren oder durch die Wasserbäche zu waten.

Unser Geistlicher, Herr Missionar Greiner, erschien deshalb am Sonntag in kurzer Joppe, in die Stiefel gesteckten Beinkleidern und hohen Reiterstiefeln von gelbem Leder. So angethan, stand er vor der kleinen Gemeinde und las die milden Worte des Gleichnisses vom verlornen Sohn. Man glaubte sich in eine Hussiten- oder Hugenottenandacht aus den Zeiten der Glaubenskriege versetzt, als der Prediger des lauteren Wortes ritterlich gewappnet, die Bibel in der einen und das Schwert in der anderen Hand seiner Herde voranzugehen hatte. Wir sangen wieder den Choral: »Nun danket alle Gott«, dessen großartige Melodie immer und überall die Herzen erhebt.

Nun ist Pastor Greiner mit seiner Frau und Nichte per Dau nach Dar-es-Salaam gesegelt, ein kühnes Unterfangen in Hinblick auf die Frauen, denn wir haben noch vollen Süd-Westmonsum. Der Sturmwind weht grade von der Richtung, nach welcher das Segelbot seinen Cours halten muß, es kommt daher unter beständigem Kreuzen im besten Fall nur sehr langsam von der Stelle, und die Reisenden riskieren, tagelang in dem schmutzigen, cajütenlosen Segelboot auf den Wellen herumgeworfen zu werden. Was mich betrifft, so würde ich mich einer Daureise gegen Wind und Wellen nur im äußersten Notfall aussetzen. Ich habe die Ärmsten mit inniger Teilnahme zur Einschiffungsstelle begleitet, wo sie, der Ebbe wegen, auf den Schultern schwarzer Lastträger nach dem elenden Fahrzeug geschleppt wurden. Möchten sie die Reisetage erst überstanden haben!

Den 30. Juni 1887.

Gestern fanden auf der großen Wiese an der Mnasimoja turnerische Spiele statt, ausgeführt von der Mannschaft des hier liegenden englischen Kriegsschiffes zur Feier des Regierungsjubiläums der Königin von England. Wir waren in der höflichsten Form von dem englischen Generalconsulat eingeladen. Mr. Holmwood ließ Herrn Dr. Peters in seiner eigenen Equipage abholen, was Aufmerksamkeit erregte. Die ganze beau monde Zanzibars war auf der mit zahlreichen Flaggen geschmückten Festwiese erschienen.

»Wer kennt die Völker, zählt die Namen,
Die gastlich hier zusammen kamen?!«

Man sah die Vertreter der europäischen Regierungen, von Deutschland, England, Frankreich, Italien, Portugal, Belgien, wie auch von Amerika; die Vertreter der Handelsgesellschaften und kaufmännischen Firmen, die verschiedenen Missionen, die Truppen seiner Hoheit, die reichen Indier mit ihren in goldleuchtenden Seidenfetzen eingewickelten Weibern und Kindern, die ernst dreinschauenden Parsen mit Brillen auf der Nase und hohen Mützen, ähnlich denen griechischer Popen u. s. w.

Unter den Spielen interessierte mich ein Wettrennen, das zwischen englischen Matrosen und schwarzen Sultanssoldaten stattfand.

Die Schwarzen liefen gleich beim Starten die Bahn dahin wie ein Trüppchen flüchtiger Antilopen und gewannen sofort einen ganz bedeutenden Vorsprung. Bald aber blieb einer nach dem anderen zurück. Die Engländer änderten ihr weit mäßigeres Tempo nicht. Sie hatten bald die sämtlichen Schwarzen eingeholt und erreichten lange vor jenen das Ziel.

Auch mein Bruder, dessen Muskelkraft einen gewissen Ruf hat, und der turnerisch sehr gewandte Herr Consul O'Swald beteiligten sich an einigen der Spiele mit den englischen Marine-Offizieren.

Der Generalconsul, Mr. Holmwood stellte mir die beiden indischen Geldfürsten vor, die der englischen Regierung 100000 Rupies überwiesen haben, zur Errichtung eines Hospitals für Arme. Wir hatten übrigens an diesem Nachmittag die Genugthuung wahrzunehmen, daß wir Deutschen zur Zeit hier die bevorzugteste gesellschaftliche Stellung einnehmen. Die besonders gegen Herrn Dr. Peters und seine Gesellschaft offiziell bekundete Zuvorkommenheit der hier immer noch dominierenden Engländer ist geradezu staunenerregend.

d. 2. Juli.

Mein Bruder ist mit der Wolf'schen Eisenbahnexpedition abgereist, zunächst nach Dar-es-Salaam, wo er die nötigen Träger mieten soll. Vielleicht sehen wir uns dort bald wieder.

Nacht vom 7. zum 8. Juli.

Ich sitze am Lager einer fieberkranken jungen Östreicherin, deren Mann im Innern zum besten der Wissenschaft Schmetterlinge fängt. Sie ist ihm voll Enthusiasmus hierhergefolgt mit der Absicht, ihn auf allen seinen Streifzügen zu begleiten. Nun haben Entbehrungen und Anstrengung in dem ungewohnten Klima die Arme niedergeworfen. Die Hütte, in der sie wohnt, liegt im Garten eines Portugiesen von Goa. Sie enthält, wie die Negerhütten, einen einzigen Raum, dessen Plafond das Dach und dessen Parket der Erdboden ist. Fenster sind nicht vorhanden, deshalb steht auch nachts die Thüre auf, so daß ich von meinem Sitz am Krankenbett hinaussehe in die »mondbeglänzte Zaubernacht – die den Sinn gefangen hält.« Draußen stehn mächtige Kokospalmen mit felsblockartigen Stämmen; dem Pförtchen gegenüber eine Banane, deren schöne Riesenblätter der Nachtwind raschelnd durcheinanderwirft. Auf einem steinernen Tisch unter den Bäumen steht ein Thonkrug, wie eine etruskische Vase geformt, mit Trinkwasser. Die Portugiesin, der der Garten gehört, hat es für mich hingestellt. Auf einer Steinbank liegt vor der Hütte schlafend ein etwa zehnjähriger Negerknabe. Er muß gelegentlich für die Kranke einen Gang thun. Dann wecke ich ihn, und er springt dienstbereit auf die Beine, ohne sich einen Augenblick zu besinnen. Zu meinen Füßen liegt ein wackerer Rattenfänger, ein kluges, freundliches Tier. Iessy, so heißt er, schläft auch; aber wenn eine Ratte ihre Aufwartung macht, ist er schnell genug bei der Hand. Ich habe, auf dringendes Bitten meines Bruders, einen geladenen Revolver neben mir liegen, aber ich kann mich noch immer nicht mit dem Gedanken vertraut machen, zu einer derartigen Waffe meine Zuflucht nehmen zu müssen. Wir deutschen Frauen sind gewohnt, unsere Sicherheit gerade in unserer Waffenlosigkeit zu sehen.

Meine Kranke habe ich mit einem Palmenwedel gefächelt, bis sie eingeschlafen ist. Lange wird der ihr so nötige Schlummer, fürchte ich, nicht dauern. Mittlerweile habe ich beim sanften Schein des Nachtlämpchens mein Tagebuch vorgenommen, um durch Schreiben die Schläfrigkeit zu überwinden. Ein Kanonenschuß am Hafen verkündet eben die zehnte Stunde, (vier Uhr morgens.) Muskitos umschwärmen mich mit singendem Sausen und erregen durch ihre Hartnäckigkeit meinen grimmigen Zorn. Diese blutgierigen Ungeheuer nötigen mich beständig um mich zu schlagen, wobei ich gewöhnlich mich selbst, aber nicht die Muskitos treffe. Eben läuft ein grünes Eidechschen die weiße Wand entlang, und nicht weit davon bewegt eine Riesenspinne ihre dicken haarigen Beine, ein greulicher Anblick.

d. 8. Juli. Vormittag.

Herrlich war der Morgenhimmel vor uns nach Sonnenaufgang im Garten des Portugiesen. Ganz prächtig zeichneten sich die edlen Linien der Palmen von dem lichtgoldenen Hintergrund ab. Die Hähne krähten in den benachbarten Gehöften, da sprang der kleine Diener von seinem harten Lager auf, wusch sich an der nahen Cisterne und kehrte dann die Wege des Gartens. Dann machte er ein Holzfeuerchen auf dem Kochherd, der unter einem Schutzdach von Palmzweigen an der Hinterwand des Hauses im Freien angebracht ist. Bald kam auch die Portugiesin aus dem Vorderhaus und kochte Kaffee, der meiner Kranken ebenso gut schmeckte wie mir. Gegen sieben Uhr kamen zwei von den französischen Klosterschwestern und versicherten mir, trotz des momentanen verhältnißmäßigen Wohlbefindens der jungen Frau könne dieselbe an diesem ungesunden Aufenthaltsort das Fieber nicht loswerden. Sie wollten die Kranke daher gegen Mittag in das Hospital bringen lassen und sie dort bis auf weiteres verpflegen.

Um acht Uhr kam dann meine junge Gefährtin, Bertha, und löste mich ab.

Heute veranstalten die Indier ein glänzendes Fest zu Ehren der Königin von England bez. Kaiserin von Indien. Die ganze Stadt ist zur Illumination mit bunten Lämpchen versehen; man hat zahlreiche Triumphbögen und Transparente angebracht, eine Schiffsladung voll Feuerwerk von Bombay kommen lassen und die sonst so schmutzigen rumpelkammerartig zugerichteten Verkaufsstraßen gleichen heute Laubengängen aus Palmzweigen.

Ich sagte zu dem französischen Viceconsul und dessen Freund, die mit uns im Hotel essen, die Engländer zeigten sich heute wieder als loyale Nation, worauf die Franzosen antworteten: »Die haben eine Königin. Sie sollten einmal sehen, was wir thun würden, wenn wir eine Königin hätten!«

Ich mußte an Marie Antoinette denken. –

Übrigens habe ich ein starkes Verlangen nach Schlaf und werde den abendlichen Zauber Anderen überlassen.

Den 9. Juli.

Ich habe meinen Vorsatz doch nicht ausgeführt, mich vielmehr mit Bertha den Franzosen: Dr. Marseille und seiner Frau und den Herren vom Konsulat angeschlossen. Wir gingen am Sultanspalast vorüber zwischen der alten Festung und der Duane nach dem umzäunten Festplatz. Jetzt entstieg starker Kokosnuß-Ölgeruch den tausenden von brennenden Lämpchen. Eine große Menschenmenge umringte uns, die sich aber weit stiller verhielt, als daheim das brave Volk bei ähnlichen Gelegenheiten. Man belästigte uns nicht im Geringsten. Andere Europäer fanden sich bald mit uns zusammen. Am Meere stand eine große überdachte Festhalle. Dort hatte vormittags der englische Generalconsul Mr. Holmwood auf einem prächtigen goldenen Thronsessel sitzend, großen Empfang abgehalten und eine Festansprache geredet. An dem wie ein Triumph-Bogen hergerichteten Eingangs-Thor standen parsische und indische Comitee-Mitglieder, die der andrängenden Menge von Schwarzen den Eintritt verwehrten, Indier, Parsen, Goanesen und Europäer dagegen einließen. Die Europäer wurden als Ehrengäste ganz besonders höflich eingeladen, doch näher zu treten. Meiner bemächtigte sich ein vornehmer Parse, den eine rotblauweiße Schleife als zum Festcomitee gehörend bezeichnete. Er nötigte mich in die Halle nach einer Reihe von Stühlen, die den ersten Rang vorstellte. Dort wies er mir einen Sitz an neben drei Damen, die er mir mit Stolz als »parseen ladies« vorstellte, die hübscheste und jüngste als seine Frau. Diese Parsinnen sind klein. Ihr Anzug gleicht der indischen Nationaltracht, nur zeigt er einen besseren Geschmack. Meine Nachbarinnen trugen weiße reich mit weißem Schmelz benähte Unterkleider von Seidendamast mit in sehr bunter Seide kunstvoll gestickten Bordüren. Darüber shawlartige Überwürfe von schwerem gelben Seidenstoff, die den Hinterkopf bedeckten und die glänzend schwarzen Scheitel freiließen. Die hübsche Frau meines Führers begann in fließendem englisch Conversation zu machen. Sie habe mich neulich bei den Spielen auf der Mnasimodja gesehen, sagte sie, und den Wunsch gefaßt, meine Freundin zu sein. Deshalb habe ihr Mann mich hergebracht so bald sie mich am Eingang bemerkt habe. Sie sei jung verheiratet und erst seit wenig Wochen von Bombay herübergekommen, da fühle sie sich in Zanzibar noch recht einsam u. s. w. Zuletzt frug sie: are you english or french. Ich versicherte ihr mit Selbstgefühl, daß ich eine Deutsche sei, was sie einen Augenblick zu überraschen schien. Sie faßte sich aber sogleich und bemerkte: »O, wenn Sie eine Deutsche sind, dann sind Sie natürlich sehr musikalisch.« Also von dieser Seite kannte sie uns.

Mittlerweile hatte sich um uns her die ganze europäische Gesellschaft eingefunden, so daß man nach links und rechts und ringsumher Grüße und heitere Bemerkungen auszutauschen hatte. Auch die Consuln waren erschienen und zwar in Uniform. Mr. Holmwood hatte die Consuln und Herrn Dr. Peters zu einem feierlichen Diner bei sich gehabt. Als die glänzendste Erscheinung unter ihnen fiel der junge Herr O'Swald auf, der in der roten Uniform der kaiserlich österreichischen Konsuln mit dreieckigem Hut und stolzem weißen Federbusch an einen englischen General aus der Zeit des Herzogs von Wellington erinnerte und den Orientalen gewaltig imponierte. Vor uns am Strande des Meeres wurden nun Raketen und Mongolfieren steigen gelassen, und sprangen Frösche, Feuerräder etc.

Zum Schluß spielte die Goanesenkapelle des Sultans: Heil dir im Siegerkranz, bez. God save the queen. Man führte schließlich die Damen an ein Büffet und bot ihnen in Eis gekühlten Champagner, Thee und Confect. Es herrscht bei solchen Festen seitens der Festgeber unbeschränkte Gastfreundschaft.

Ich war schon recht ermüdet, als wir den Heimweg antraten in Gesellschaft unserer deutsch-ostafrikanischen Herren, und der Herren vom italienischen Consulat.

Unterwegs trafen wir die Damen der englischen Mission, die ebenfalls mit befreundeten Herren lustwandelten. Miß Smith rief uns zu, wir möchten ja nicht versäumen das Haus des Pira Dawtchee (Oberhof- und Küchenmeister Seiner Hoheit) zu besuchen, es sei der Mühe wert. Wir ließen uns wirklich verlocken den Engländerinnen dorthin zu folgen. Gruppenweise schlenderten wir durch die phantastisch erleuchteten Laubengänge, Palmblätter über uns, Palmblätter an beiden Seiten und Palmblätter unter den Füßen.

Der edle Pira ist im gewöhnlichen Leben neben seinem Hofamt Besitzer eines großen Eckladens mit offenen Bogenthüren nach zwei Gassen hin. Jetzt zeigte sich uns statt des Ladens ein glänzender Salon im indischen Geschmack. Der Fußboden mit kostbaren Teppichen ausgelegt, an den Wänden blumenumgebene Transparente, in der Mitte des Raumes als Prunkstück eine Drehorgel. Rings herum eine Reihe europäischer Rohrstühle. Wir folgten gleich Schafen immer mechanisch denen, die vor uns hergingen und kamen so in den Salon, wo wir zu unserer großen Belustigung halb Europa schon versammelt fanden. Da saßen sie ernst, mit heldenhaft verhaltenem Lächeln, die Herren vom deutschen, vom französischen, vom belgischen Consulat, die Kaufherren, die englischen Marine-Offiziere, und was von Damen vorhanden ist. Wir setzten uns mit Würde dazu. Sogar der vielbeanspruchte Mr. Holmwood beglückte den Pira durch seine Gegenwart. Letzterer, ein dicker und kolossaler Indier stand majestätisch in der Mitte seiner Besucher, angethan mit langem weißen Kaftan, kirschrotem Überkleid, welches vorn auseinander fällt und goldverbrämtem festen Turban. Grabesernst und im erhebenden Bewußtsein der ihm werdenden Auszeichnung überwachte er die Schwarzen, die den distinguirten Gästen Thee, Kaffee und feines Gebäck herumreichten.

Erst nach Mitternacht gelangten wir in unser Gasthaus zurück.

Den 13. Juli.

Das Essen hier im Hôtel läßt viel zu wünschen übrig. Wir stehen oft so hungrig vom Tisch auf, wie wir uns hingesetzt haben und würden diese Mängel noch mehr empfinden, wenn unsere Tischgenossen, die Franzosen, es nicht meisterhaft verständen, durch geistvolle und liebenswürdige Conversation ein kärgliches Mahl zu würzen.

Als wir heute um zwölf Uhr beim Frühstück saßen, ertönte draußen der dumpfe, langgezogene und heulende Ton eines Signalhorns. Die Herren fuhren von ihren Sitzen auf mit dem einstimmigen Freudenruf: »c'est la mail!« Die freudige Erregung, die sich sofort auf meine Bertha und mich fortpflanzte, bemächtigt sich bei diesem an sich greulichen Signalgeheul der ganzen europäischen Einwohnerschaft Zanzibars. Der Wächter auf dem Sultansturm hat die Signalflagge auf der entfernten Landzunge gesehen, die der guten Stadt meldet, daß der europäische Postdampfer in Sicht ist. Etwas später wird auf dem »Weihnachtsbaum« eine weiße Flagge mit drei schwarzen Kreuzen gehißt zum Zeichen, daß der entfernte Wächter in dem nahenden Dampfer wirklich das Postschiff erkannt hat. Es dauert dann noch beinah vier Stunden, bis die »mail« im Hafen eintrifft. Immer wieder bin ich in den Salon gegangen, der mit sechs Fenstern das Meer beherrscht, und habe erst durch das Opernglas, dann mit unbewaffneten Augen nach dem schwarzen Punkt am Horizont gesehen, der auch gar nicht größer werden wollte! Als dann endlich gegen vier Uhr der brave British-India-Dampfer sich bedächtig zwischen im Hafen liegende Schiffe schob und seinen Salutschuß abfeuerte, empfanden wir Beide ein so heftiges uns selbst unerklärliches Gefühl der Freude, daß uns die Thränen in die Augen traten. Das Schiff kommt eben aus der Heimat und war für uns der erste Gruß.

d. 14. Juli.

Da das Postschiff um vier Uhr erst gekommen, durften wir unsere Briefe nicht vor heute Morgen erwarten, was uns recht langweilig erschien. Dafür kamen gegen fünf Uhr die Herren Consul O'Swald und Baron Gravenreuth und forderten uns auf, mit ihnen eine Bootfahrt nach Mtoni, einem zerfallenen Sultansschloß, zu unternehmen. Wir waren mit Vergnügen bei der Partie, und bestiegen von der steinernen Sultanstreppe aus das mit der östreichischen Flagge geschmückte Boot des Consuls. Der Himmel war bedeckt, und es wehte ein leiser angenehmer Seewind. So glitt das Boot, welches mit vier schwarzen Ruderern bemannt war, an der Insel hin, zuweilen auf so seichtem Wasser, daß man meinte mit ausgestrecktem Arm den Meeresboden erreichen zu können. Diese flachen Stellen zeichnen sich als milchiggrüne Flecke von der metallfarbenen Wasserfläche ab.

Mtoni ist bekannt durch die Schilderungen der Frau Ruete, »Bibi Salime«, die dort ihre Kindheit unter den zahlreichen Frauen ihres Vaters und noch zahlreicheren Geschwistern verlebte. Jetzt freilich heißt es auch von diesem Palast:

»seine Dächer sind zerfallen
und der Wind streicht durch die Hallen.«

Die Ruine des wahrhaft fürstlichen Baus liegt etwa zwanzig Schritt vom Meeresufer entfernt in einer Wildnis von Grün. Ein alter Araber, der hier als Burgwart haust, schloß uns das Eingangspförtchen auf und ließ uns ein in das Labyrinth halbverfallener Gemächer, in deren Mauern Bäume Wurzel geschlagen haben und deren Wände die prächtigste Naturtapete aus blühenden Schlingpflanzen zeigen. Wir kletterten steinerne Treppen hinauf bis zu den höchsten Terrassen und hatten von dort in der Umrahmung eines erhaltenen Bogenfensters einen Blick auf die ferne Stadt, die mit ihren weißleuchtenden Häusern und Palästen auf weit in's Meer ragender Landspitze sich in scharfen Contouren von dem metallfarbenen Hintergrund abhob, ein wunderbares und ganz ideales Landschaftsbild.

Unter dem Dach fanden wir eine Menge umfangreicher Glaskruken in halb verwitterten Flaschenkörben steckend. Herr von Gravenreuth konnte nicht umhin zu bedauern nicht wenigstens einige derselben mit Münchener Hofbräu gefüllt zu sehen. Weil wir alle mehr oder minder durstig waren, pflückten wir von einem herrlichen mit Goldorangen überladenen Baumriesen, der im Hofe stand, einige der Früchte, aber einer nach dem anderen warf mit verzogenem Angesicht die lockenden Apfelsinen in's Gras. Sie waren verwildert und schmeckten bitter wie Chinin.

Zanzibar d. 15. Juli.

Ich war nachmittags im Usagara-Haus und habe mich dort länger als zwei Stunden aufgehalten, da es eine Menge Neuigkeit aus der Heimat zu berichten und Meinungen darüber auszutauschen gab. Auf den einen Tag nach Ankunft des Postschiffs häuft sich alles Interessante, was es für die im Herzen noch mit der Heimat zusammenhängenden Europäer in Zanzibar giebt, und dieser eine Tag erscheint nur einmal in vier Wochen. Dafür ist die gegenseitige Teilnahme eine so warme und natürliche, wie sie in Deutschland längst nicht mehr existiert.

Herr von Gravenreuth ist heute Morgen abgesegelt, um eine Besichtigung der Kinganistationen vorzunehmen. Es thut mir sehr leid, daß dieser tactvolle und stets hülfsbereite Freund uns nun auch verlassen hat. Mit ihm würde der Kaiser Mark Aurel zufrieden gewesen sein, denn nie hören seine Freunde das gebräuchliche: »ich habe keine Zeit.« Er selbst war gestern sehr vergnügt. Bei seiner Beweglichkeit und der Vorliebe für das Umherstreichen in Wald, Feld und Bergen, zieht er die Unbequemlichkeiten einer Daufahrt und den Fußmarsch durch die Rufu-Niederungen der Büreauarbeit weit vor. Ich habe ihm gestern noch seinen Korkhelm mit einem dichten und auch das Genick schützenden Schleier umnäht. Dabei saßen wir zwischen wahren Gebirgen von Zeitungsblättern. Ich finde es sehr beklagenswert, daß hier so oft die Notwendigkeit vorliegt, wertvolle Kräfte um irgend einer kleinen Sache willen Gefahren an Leben und Gesundheit auszusetzen. Herr Dr. Peters meinte freilich, das sei ebenso unvermeidlich als natürlich und selbstverständlich, aber er ermahnte doch in meiner Gegenwart den Baron aufs ernstlichste, keine der gebotenen Vorsichtsmaßregeln außer acht zu lassen. »Wir können Sie vorläufig nicht entbehren,« sagte er in seiner verbindlichen Weise.

d. 17. Juli.

Jetzt machen sich hier die Portugiesen breit. Ein Kriegsschiff liegt im Hafen; mit der letzten Post von Süden ist ein außerordentlicher Bevollmächtigter hier eingetroffen und in unserem Hotel logiert ein portugiesischer Afrikadurchquerer, Mr. Capello, mit einem sehr liebenswürdigen Begleiter italienischer Abstammung. Jeden Abend, wenn wir beim Essen sitzen, stürmt es mit großem Gepolter die Treppe hinauf. Das sind der Viconte de Castilho und der Kommandant des Kriegsschiffs, die ihre Landsmänner besuchen. Diese Portugiesen zeichnen sich gesellschaftlich durch ein sehr ungezwungenes Wesen und Beweglichkeit aus. Ihre Redeweise übertrifft an Verbindlichkeit noch die der Franzosen. Die Unterhaltung ist immer allgemein, so lange ich anwesend bin wenigstens, und wird in französischer Sprache geführt.

Heute, am Sonntag, habe ich dem Gottesdienst in der katholischen Kapelle beigewohnt. Die Stille in dem halbdunklen bis auf den letzten Platz gefüllten Raum, der Chorgesang und das sanfte Spiel einer nicht sichtbaren Orgel wirkten wohlthuend und stimmten zur Andacht. Chorsänger und Chorknaben waren schwarze Missionszöglinge.

Nach der Kirche besuchte ich die kranke Östreicherin im Hospital und da ich grade ihren portugiesischen Arzt, den Dr. Augusto Bras de Souza fand, der als Goanese nur englisch spricht, konnte ich Dragomansdienste thun. Was die Kranke deutsch sagte, wiederholte ich dem Doktor englisch und übersetzte dessen englische Vorschriftsmaßregeln der Klosterschwester ins französische.

Herr von St. Paul rüstet eine größere Expedition in die entlegensten Teile des deutschen Gebietes aus.

d. 18. Juli.

Wir haben einen Diener gemietet, Theodor mit Namen. Er ist ehemaliger englischer Missionszögling und Christ, daneben aber Soldat des Sultans und als solcher muß er jeden Morgen Dienst thun, d. h. im Laufschritt unter heulendem Gesang die Straßen durchziehn, oder gar auf der Wiese an der Mnasimodja Übungen machen. Nachdem der Staatsdienst absolviert, hält er sich aber bis acht oder halb neun Uhr abends zu unserer Verfügung. Wir haben ihm zunächst ein menschenwürdiges Kostüm gekauft, nämlich ein Negerhemd, eine weiße Mütze und einen Stock. Nun können wir, ohne auf die besondere Gefälligkeit der befreundeten Herren angewiesen zu sein, auch nach Sonnenuntergang spazieren gehen. Diese Abendgänge gewähren den größten Genuß. Auf dem Sultansplatz findet nach Sonnenuntergang kleine Truppenrevue statt, mit Musikübungen, beides, vokal und instrumental. Sejid Bargash bin Said steht umringt von vornehmen Greisen auf der Veranda seines Palastes und sieht sich die Sache an. Wir gehen an dem aus der Portugiesenzeit stammenden Festungsbau vorüber, mit seinem rundbogenförmigen Zinnenkranz. Von einem der massiven Türme erschallt der langgezogene, melodische Ruf des Postens und der gleiche Ruf antwortet schwermütig ausklingend in der Entfernung. Hier führt uns die Hauptstraße durch das Konsulatviertel nach der Mnasimodja. Im Hintergrund eines mit Trümmern und blühendem Strauchwerk bedeckten Rasenplatzes erhebt sich ein klosterähnlicher langer Steinbau, an dessen hell erleuchteten Bogenfenstern wir Gestalten in wallenden weißen Gewändern vorüberhuschen sehen. Man könnte meinen, es seien Mönche. Das Haus ist aber ein von dem englischen Fleischermeister gehaltenes Restaurant und die weißen Mönche sind die Kellner in ihren Negerhemden. Der Romantik des Bildes thut diese Wahrheit keinen Abbruch.

Weiterhin unter einem kleinen Vordach von Kokosblättern sitzt auf steinerner Bank ein Schwarzer und spielt auf seiner Kürbismandoline eine sanfte, eintönige Melodie. Dazu singt er. Kein Zuhörer ist zu entdecken. Als ein echter Künstler übt er seine Kunst um ihrer selbst willen aus.

d. 19. Juli.

Heute sah der Hôteldiener Amadi, der mir sehr zugethan ist, auf meinem Tisch das Bild des Fürsten Bismarck stehen. Er betrachtete es aufmerksam, zeigte mit dem Finger darauf und fragte: »Das ist wohl Euer Sultan?« Das Bild steht zwischen verschiedenen anderen Porträts. Amadi muß es entweder schon gekannt haben oder sein natürlicher Scharfblick hat ihn darauf gebracht in Haltung und Zügen des Fürsten den großen Mann zu vermuten. Ich sagte ihm: »unser Sultan ist es nicht, aber ein sehr großer Herr.« Da schlug sich Amadi als Zeichen verständnisinniger Ehrerbietung auf die Brust und meinte: »ich weiß schon! alle Eure großen Häuser, O'Swald und Hansing und Meyer stehen unter ihm!« Ich sagte: »jawohl«. – Mit diesem Schwarzen unterhalte ich mich in einem greulichen Durcheinander von Suaheli und englisch, aber wir können uns doch verständigen.

d. 21. Juli.

Gestern ließ mir Herr Dr. Peters sagen, wenn ich mir die Quartiere in Dar-es-Salaam anzusehen wünsche, so sollte ich mich bis zu heute Abend reisefertig machen. Die günstige Reisegelegenheit, die ich erwartete, hat sich gefunden. Der Sultan hat zu einer Besichtigung des Vertragshafens Dar-es-Salaam seinen Dampfer Barawa zur Verfügung gestellt und den Herren Consul O'Swald und Dr. Peters sagen lassen, sie möchten auf keinen Fall Mundvorrat an Bord nehmen, für die Bewirtung werde er allein sorgen. In Zanzibar, wo jeder dem Nachbar aufpaßt und dessen Angelegenheiten mit allen Einzelheiten erfährt, machen diese noch nie dagewesenen Erfolge der Deutschen großes Aufsehen. Ich bin zufälliger Weise in der angenehmen Lage, die Spitzen des hier vertretenen Europa's d. h. die Herren vom englischen, französischen, italienischen und portugiesischen Consulat darüber zu hören. Wenn diese Herren das Gespräch auf das flotte Vorgehen der Deutschen bringen, stelle ich mich ebenso unwissend als gleichgültig. Darüber höre ich manche mich interessierende Äußerung ihrerseits.

Miß Smith und Frau Wendt (die Frau eines deutschen Sultanskapitäns) haben für unsere gemeinschaftliche Schutzbefohlene, die Östreicherin, ein Quartier gefunden, welches allerdings in einer Handelsgasse einer Matrosenkneipe gegenüber liegt, aber mehr Räumlichkeiten hat und weniger ungesund ist, als das malerische Gartenhäuschen der Portugiesen. Die junge Frau, die sich im französischen Hospital rasch erholt hatte, ist dorthin übergesiedelt, aber sofort wieder erkrankt. Die Ärmste, deren Mittel ebenso gering sind wie ihre Körperkräfte, kann sich nicht die notwendige Bedienung schaffen und überanstrengt sich, sowie sie sich selbst überlassen wird. Ihre Lage ist in der That eine sehr schwierige, da sie, unfähig das Bett zu verlassen, gänzlicher Hülflosigkeit preisgegeben ist, so lange wir nicht nach ihr sehen. Ich habe darum heute meine Bertha, die bei aller jugendlichen Lebhaftigkeit eine geübte und gewissenhafte Krankenpflegerin ist, bei der jungen Frau einquartiert. Die Bettwäsche, die wir hier genäht haben, sowie einen Korb Rotwein haben wir heute hinüberbefördert. Bertha ist mit Geldmitteln und genauen Instructionen versehen; zudem haben Miß Smith und Frau Wendt versprochen, sie gegen Abend täglich auf eine Stunde abzulösen; dann soll sie unter dem Schutz des Dieners Theodor, der sich nach wie vor zu ihrer Verfügung halten muß, spazieren gehn. So ist die arme Kranke vorläufig in guten Händen.

d. 25. Juli.

Am Abend des 21. Juli begaben wir uns in dem für uns bereitstehenden Sultansboot nach der Barawa, wo wir die Nacht im Hafen liegend zubringen mußten. Ich wurde in die Sultanskabine einquartiert, die etwas geräumiger ist, als die anderen, ein rotes Plüsch-Sopha enthält, und an den weißgestrichenen Wänden Goldverzierungen im Muschelgeschmack der Rokokozeit mit roten Fähnchen in den Medaillons. Indessen trieben Kockerutschen und Spinnen auch in diesem Prunkgemach ihr Wesen.

Um halb fünf Uhr am Sonnabend Morgen begann die Schraube zu tosen und wir dampften von hinnen. Es befanden sich neun Deutsche an Bord, nämlich außer dem Kapitän und dem Ingenieur: Herr Dr. Peters, Herr Consul O'Swald, Herr Missionar Greiner, Herr Friedrich Schroeder von der Plantagengesellschaft, Herr Flemming, Schwester Rentsch und ich. Herr Missionar Greiner war nach Zanzibar gekommen, um die ihm von seiner Missionsgesellschaft zugeschickte Krankenpflegerin abzuholen. Da der Südwestmonsum noch immer bläst und zwar grade aus der Richtung, der wir entgegenfuhren, konnte ich bei meiner allzu wenig seetüchtigen Constitution die Annehmlichkeiten der Seekrankheit einmal wieder durchkosten. Ein schwacher Trost war es, daß Herr Schroeder sich wenigstens unbehaglich fühlte. Alle anderen erfreuten sich eines gediegenen Wohlbefindens.

Um drei Uhr nachmittags rief man mich energisch an Deck. Ich wankte hinauf und sah, daß wir in den schönen Hafen von Dar-es-Salaam einfuhren. Die Fahrt hatte also bei ungünstigem Wind zehn und eine halbe Stunde gedauert.

Sobald wir festlagen, stieß ein Boot vom Lande ab, in dessen europäischen Insassen wir bald den Chef der Station, Herrn Leue, unter einem vertrauenerweckenden Sonnenschirm, und am Steuer meinen Bruder erkannten. An der Schiffstreppe stehend, begrüßten wir die Freunde aufs herzlichste. Ich frug meinen Bruder, wie man denn in Dar-es-Salaam schon von unserem Besuch wisse? und erhielt die stehende Antwort: »der Telegraph in Afrika arbeitet rascher, als der in Europa.« – Es ist mir in der That ganz unbegreiflich, mit welcher Geschwindigkeit sich ohne Post- und Eisenbahnverkehr die Nachrichten hier verbreiten. Wenn in Usungula ein paar der dort arbeitenden Menschenfresser dem Stationschef entlaufen, erzählt man sich das in Zanzibar auf den Straßen, lange ehe die pünktlich abgesandte schriftliche Meldung eintrifft.

Unsere Gesellschaft teilte sich schon an der Landungsstelle. Während die Herren Leue, Schroeder und Flemming Herrn Dr. Peters auf dessen Rundgang mit Mohamed bin Salim und dem Wali begleiteten, unternahm Herr O'Swald eine einsame Kunstreise mit seinem photographischen Apparat. Herr Greiner dagegen begab sich mit Schwester Rentsch zu den seiner harrenden Damen und mich führte mein Bruder nach dem malerischen Zeltlager, in dem er mit den Herren der Eisenbahnexpedition Quartier genommen hatte. Die Herren hatten sich in den von üppigem Grün umgebenen Zelten wirklich sehr behaglich eingerichtet und waren ganz erbaut von ihren Wohnungen. Herr Regierungsbaumeister Wolf trat uns in heiterer Stimmung entgegen, umringt von Hunden und Affen. Seine vielen wissenschaftlichen Instrumente und Bücher lagen teils auf den improvisierten Tischen, teils auf der Erde und verliehen dem Bilde das Ansehen eines Generalstabszeltes. Aber in einem anderen Zelt lag Herr von Hake an einem schweren Fieber danieder. Albrecht führte mich zu ihm. Das Bett stand auf der notdürftig festgestampften Erde und der Kranke lag angekleidet darauf mit glühendem Gesicht und phantasierte. Er erkannte mich zwar, als ich ihn begrüßte, doch mußte ich zu meinem Leidwesen bemerken, daß meine Anwesenheit nicht wohlthätig wirkte. Herr von Hake schien das dumpfe Gefühl zu haben, als müsse er höfliche Conversation machen und seine Anstrengungen, die hergebrachten Redensarten herauszubringen, thaten mir in der Seele weh! Ich bat ihn, den jedenfalls ungesunden Aufenthalt im Zelt zu verlassen und im Haus der Stationsbeamten Unterkunft zu suchen, aber er wehrte fast ängstlich ab und wollte nichts davon hören. Da er in seiner gezwungenen Haltung verharrte, verließ ich ihn, um nicht bei allem guten Willen Schaden anzurichten. Herr Dr. Peters hat übrigens eine Stunde später die ihm eigene ungewöhnliche Gabe, den Willen Anderer zu bestimmen, mit Erfolg angewandt. Während Herr Leue, Missionar Greiner und andere Herren ebenso wie ich vergeblich versucht hatten, den Fieberkranken zu einem Ortswechsel zu bewegen, zeigte sich der Patient Dr. Peters gegenüber plötzlich gefügig und ließ sich von diesem ohne Widerstreben nach der Beamtenwohnung führen.

Nach dieser Wohnung, die aus mehreren sehr primitiven Indierhäusern zusammengesetzt ist, war ich indessen auch mit meinem Bruder gegangen. Hier lag bereits ein anderer Fieberkranker. Geordnete Pflege wäre hier, wo jetzt fortwährend schwere Fälle vorkommen, sehr wünschenswert; an bewohnbaren Räumlichkeiten mangelt es aber vor der Hand gänzlich. In nächster Zeit soll die Zahl der hier stationierten Beamten reduziert werden, auch steht die Abreise der zur Eisenbahnexpedition gehörenden Herren täglich bevor. Dann wird sich wohl für eine Pflegerin und ein gutes Krankenzimmer Platz finden. Einstweilen muß sogar Schwester Rentsch auf Wohnung in Dar-es-Salaam Verzicht leisten, da auch in der Missionswohnung kein Platz ist.

Im übrigen haben sich die jetzigen Bewohner des Hauses ganz idyllisch eingerichtet. Den Mangel an Zimmern ersetzt eine breite, längs des Hauses hinlaufende Veranda, die durch Herrn Leue überdacht worden ist. Diese, in verschiedene Departements geteilt, dient zum allgemeinen Aufenthaltsort während des Tages. Dort fand ich die Nichte des Missionars, eine kräftige blonde Schweizerin, mit dem Rösten von Kaffeebohnen beschäftigt. Ich erkundigte mich nach ihrer Daufahrt und erhielt die Antwort: »Ich hab' zwar oftmals Heimweh, aber auf eine Dau geh ich niemals wieder. Da bleib ich schon lieber mein ganzes Leben in Dar-es-Salaam

Herr Fröhlich, ein bleicher Fieberreconvalescent, saß auch auf der Veranda und spielte auf der Cither Tyroler Volkslieder.

Als es abendlich kühl wurde, führte mich mein Bruder in den Garten und auf das Feld. Wir gingen an Ananaspflanzungen vorüber, sahen Tomaten als Unkraut wuchern, ebenso wie Rhicinus und kamen sogar an ein kleines Reisfeld. Mein Bruder nannte mir die Namen der bemerkenswerten Pflanzen und belehrte mich über ihren Bau. Ich habe aber die Lection schon wieder vergessen.

Herr Consul O'Swald hatte mittlerweile mehrere Aufnahmen gemacht, auch von einem Teil des Zeltlagers mit der eigenartig gestalteten Ruine eines arabischen Steinhauses im Hintergrund, und meinen Bruder sowie den Regierungsbaumeister Wolf inmitten ihrer Gerätschaften als Staffage. Das ist ein hübsches Bild geworden.

Die untergehende Sonne sah uns Alle wieder an Bord der Barawa, wo wir bei unserem zwiebelgewürzten Abendessen die Gläser klingen ließen auf das Wachstum Deutschlands in Afrika.

Am Morgen des 23. ging es Herrn von Hake zum Glück besser, was jedenfalls seinem Umzug ins Haus und der Sorgfalt der Schwester Rentsch zu danken ist. Am vorigen Abend glaubte niemand, daß er aufkommen würde. Das Thermometer zeigte am 23. neun Uhr morgens nur 16° C., so daß ich fror, als ich in leichtem Anzug an Deck kam. Herr Dr. Peters war schon bei Tagesanbruch an Land gefahren, um geschäftliche Anordnungen zu treffen. Wir Anderen saßen unterdessen sehr gemütlich auf dem Promenadendeck und tranken in Gesellschaft des edlen Mohamed bin Salim unseren Thee.

Herr Dr. Peters behauptet, die Gegenwart von Damen sei den Muhamedanern eine Widerwärtigkeit. Hierin irrt er sich aber. Bei aller Frömmigkeit wissen die Herren Araber die Gesellschaft von Europäerinnen recht wohl zu schätzen. Mohamed bin Salim ließ das Licht seiner Liebenswürdigkeit über uns leuchten. Er fand wahrscheinlich, daß unsere gerösteten Weißbrodschnitte, mit Büchsenbutter bestrichen, zu geringe Kost für seine Ehrengäste seien, denn er winkte uns verheißungsvoll zu, ein wenig zu warten und ließ aus seinem Privatmundvorrat einen Teller voll runder Zwiebacke holen. Natürlich that ich, als seien diese ein seltener Leckerbissen, und da er mit vornehm wohlwollender Handbewegung immer wieder einlud zuzulangen, leistete ich wahrhaft achtungswertes im Zwiebackessen.

Im übrigen verging dieser Tag entsprechend dem vorherigen. Herr Dr. Peters verhandelte mit den Arabern um den einzigen der aus Said Madjid's Zeit stammenden Paläste, der sich als noch bewohnbar erwies, um den Stationsbeamten bessere Wohnungsverhältnisse zu schaffen. Die Herren Schroeder und Flemming fuhren den Hafen hinauf, um an der seichten Flußmündung Nilpferden nachzustellen. Ich unternahm mit meinem Bruder eine Bootfahrt, bei welcher wir mit einer Dau in Collision gerieten und beinah verunglückten.

Unterdessen waren die schwarzen Unterthanen des Sultans (alles Sclaven,) Tag und Nacht damit beschäftigt, die Barawa mit Kokosnüssen zu befrachten. Dreißig bis vierzig Frauen trugen diese Früchte nach der nahe dem Ufer liegenden Dau, wobei sie bis an die Schultern, die Kleineren bis an den Hals im Wasser waten mußten. Ihre Lasten tragen diese Weiber immer auf dem Kopf, was ihnen durchweg eine Haltung giebt, um die sie manche hübsche Europäerin beneiden könnte. War eine Dau mit Nüssen angefüllt, so segelte sie nach der Barawa und hier waren zahlreiche Jünglinge, schwarz, braun und gelb von Farbe, beschäftigt, die Früchte in den geöffneten Warenraum des Schiffes hinabzuwerfen. Dabei zählten sie teils arabisch teils Suaheli singend bis fünfzig, bei jeder Zahl je zwei Nüsse werfend. Bei fünfzig angekommen, wurde ein Knoten in einen langen Strick gemacht. Soviel Knoten dann das Seil zeigte, so viel Hunderte von Kokosnüssen waren verladen worden. Dieser gewaltige Vorrat ist für ein Pilgerschiff bestimmt, welches der fromme Bargash ben Said zur Fahrt nach Mecca ausrüstet.

d. 27. Juli.

Am 25. fuhren wir um zehn Uhr morgens von Dar-es-Salaam ab und waren, da wir diesmal vor dem Winde fuhren, bereits um zwei Uhr nachmittags im Hafen von Zanzibar, hatten also nur vier Stunden gebraucht. Hier fanden wir zur großen Freude der Herren die Möwe liegen.

Gestern besuchte mich Herr Kapitänlieutnant Vüllers von der Möwe, dessen junge Frau eine Kindheitsgespielin von mir aus Thüringen ist. Da gab es freilich viel zu erzählen.

Diese Nacht habe ich, um Bertha abzulösen, bei der kranken Östreicherin gewacht, der es gar nicht gut geht. Aber auch Bertha, die ich gestern zu einem weiten Spaziergang abholte, macht mich bedenklich. Sie ist von einer Gereiztheit und Nervosität, die ich nicht an ihr kenne und die zu ihrer robusten Natur auch gar nicht paßt.

d. 28. Juli.

Heute erhielt ich den Besuch einiger Offiziere von der Möwe, darunter der Schiffsarzt Dr. Koch, der mit auf meine Fragen einige nützliche Winke die Einrichtung von Pflegestationen betreffend erteilte.

Der Lärm der Matrosenkneipe beeinträchtigt die Nachtruhe unserer kranken Östreicherin zu sehr. Sie ist darum heute nach dem Hospital zurücktransportiert worden. Wenn nur Bertha sich nicht ein Fieber geholt hat! Sie weint ohne jede Veranlassung.

d. 29. Juli.

Ich habe den französischen Arzt, Dr. Marseille, consultiert. Er verordnete meiner Bertha eine gewaltige Dosis Ipepacuanha. Ohne dies Mittel, sagte er, könne leicht ein Gallenfieber entstehen. Die Ärmste hat einen üblen Vormittag gehabt! Heute Nachmittag ging es ihr besser.

d. 30. Juli.

Hatte heute Besuch von dem Kommandanten der Möwe, Herrn Korvetten-Kapitän Böters. Bertha ist, Gott sei Dank, ganz munter. Die Pferdekur hat wenigstens geholfen. Wir sind zu heute Nachmittag von der Offiziermesse auf die Möwe eingeladen.

d. 31. Juli.

Gestern Nachmittag haben wir an Bord des Kriegsschiffs Kaffee getrunken. Das Hinterdeck war rings mit Flaggen behängt, die Tische auf das anmutigste mit Grün und Blumen geschmückt. Schmucke Matrosen bedienten uns und reichten zitternd Sahne, Zucker etc. herum. Ich frug den Kapitänlieutenant, ob Matrosen denn auch nervös werden könnten. Er versicherte mir aber beruhigend, diese zitternden Hände seien der ehrfurchtsvollen Scheu zuzuschreiben, mit welcher das nur in ganz seltenen Fällen hervorgeholte beste Porzellan gehandhabt würde. Dazu spielte die Schiffskapelle deutsche Weisen.

Die Möwe fährt Mitte August nach Süden und Herr Korvettenkapitän Böters hat mir versprochen, uns mitsamt unseren Sachen bis Dar-es-Salaam zu bringen, wenn dort Aufenthalt gemacht werden soll, was er nicht genau weiß. Er riet mir übrigens dringend, nicht gleich in Dar-es-Salaam, sondern erst in Zanzibar selbst, wo mir ärztliche und materielle Hülfe zu Gebote stände, mit dem Krankenpflegen anzufangen. Zanzibar wird allerdings noch für längere Zeit unser Centralpunkt bleiben, aber ich hoffe bei genügender Unterstützung, von hier aus nicht nur in Dar-es-Salaam, sondern nach und nach auch an den anderen Vertragshäfen Pflegestationen einrichten zu können.

d. 2. August 1887.

Heute hatte unsere Hotelwirthin, Madame Chabot, Besuch von drei vornehmen Araberinnen. Diese hatten ihr Kommen rechtzeitig ankündigen lassen und die entsprechenden Vorkehrungen wurden mit peinlicher Sorgfalt getroffen. Die Franzosen boten sich an spazieren zu gehen; Herr Schröder, der ermüdet war und einen Mittagsschlaf zu thun gedachte, ließ sich gutwillig in seinem Zimmer einriegeln; der Herr des Hauses, Mr. Chabot, faßte unten in der Hausthüre Posto, um jedem etwa eindringenden Wesen männlichen Geschlechts den Weg zu weisen. Am Ende der viel erwähnten Gallerie ist ein fast immer verriegeltes Pförtchen und dies communiciert mit der nicht zum Hotel gemachten Hälfte des Palastes, in dem die Araberinnen wohnen. Nachdem nun also das Terrain von den gefährlichen Europäern gesäubert war, – die Schwarzen durften als Wesen untergeordneter Art gegenwärtig bleiben – öffnete sich das geheimnisvolle Pförtchen und es erschien ein ganzer Zug von Frauen. Voran die drei reichgekleideten noch jungen Damen in Begleitung einer lebhaften kleinen Alten, die eine Art Ehrendame zu sein schien und gefolgt von einer großen Zahl schwarzer Sklavinnen in arabischer Tracht. Die Damen stelzten langsam daher auf zwei Zoll hohen perlmuttereingelegten Holzschuhen, die sie nur mit zwei Fußzehen mittelst eines dazu angebrachten Griffes am Fuße festhielten. Sie entledigten sich dieses Fußgestelles sowie sie im Salon Platz nahmen. Wir saßen um einen runden Tisch den Araberinnen gegenüber, tranken Mandelmilch und unterhielten uns so gut es ging. Die hölzernen mit Perlmutter eingelegten Masken behielten die Damen vor dem Gesicht, so daß man bis auf die schönen Augen von den Gesichtszügen nicht urteilen konnte. Ihre mit schwerem Goldschmuck beladenen Arme und Beine, – letztere nur bis an die Knöchel von seidenen Beinkleidern bedeckt – waren schön geformt, Hände und Füße reizend, die Bewegungen langsam und vornehm. Im übrigen sahen die Damen mit ihren sanften, schwermütigen Augen aus, als ob sie geistig schliefen, was sie vermutlich auch thaten. Nach einer halbstündigen sehr primitiven Unterhaltung bestiegen die Schönen wieder ihr Schuhwerk, drückten uns der Reihe nach mit verbindlichem Abschiedsgruß die Hand und wanderten in feierlicher Prozession nach dem Mauerpförtchen zurück. Der Riegel von Herrn Schröder's Stubenthür wurde fortgeschoben und das Hotel stand den Gästen wieder offen.

d. 3. August.

Heute kam Ramassan und brachte mir ein Billet von Herrn Dr. Peters, das sichtlich in starker Erregung abgefaßt worden und diesen Inhalt hat:

»Eben läuft die Nachricht ein, daß Baumeister Wolf am Fieber gestorben und Sonnabend beerdigt ist. Es ist, als ob die Gottheit anfinge, gegen uns Front zu machen.«

C. P.

Hoffentlich komme ich endlich nach Dar-es-Salaam! Ich glaube, daß sich durch Vorbeugungsmittel und vernünftige Vorsichtsmaßregeln viel Unheil verhüten läßt. Das ist wieder einmal ein schwerer Verlust und wir haben das Vorwärtsschreiten so nötig! –

Lindi, an Bord der Barawa.
d. 19. August 1887.

In den ersten Tagen dieses Monats schon erfuhren wir, daß die Möwe bei ihrer, Mitte August anzutretenden Reise Dar-es-Salaam nicht berühren würde. Dagegen hatte Seine Hoheit der Sultan seinen Dampfer Barawa Herrn Dr. Peters abermals zur Verfügung gestellt und zwar zu einer Besichtigungsfahrt nach den von ihm und Dr. Peters ins Auge gefaßten zukünftigen Vertragshäfen, von Zanzibar südwärts bis zum Rowuma und Cap Delgado. Ich war froh, als Herr Dr. Peters sich bereit erklärte, uns mitsamt unseren Sachen mitzunehmen, um uns auf der Heimreise in Dar-es-Salaam abzusetzen. Es interessierte mich sehr, die für die Zukunft unserer Kolonie gewiß in erster Linie wichtigen und auch für meine besondere Aufgabe in Frage kommenden Hafenorte kennen zu lernen. Daneben durfte ich von der Ozonluft auf offener See für meine Gefährtin Bertha eine sehr wünschenswerte Auffrischung ihrer Lebensgeister erwarten. Wir konnten mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, bis zu unserem auf Tag und Stunde voraus bestimmten Eintreffen in Dar-es-Salaam Quartier für uns bereit zu finden.

Am Abend des 5. August begaben wir uns begleitet von Baron Gravenreuth und Herrn Schröder beim Glanz der Sterne nach der Barawa, die am 6. in aller Frühe abdampfen sollte. Bei unserem ansehnlichen Gepäck befand sich auch unser Äffchen Hassan, ein langgeschwänzter Nachtaffe Mukki, den ich von Herrn O'Swald zum Geschenk erhalten, und ein meiner Bertha gehörendes junges Hündchen, namens August. Auf der Barawa fanden wir den goanesischen Küchenmeister Seiner Hoheit, mit seinem ganzen Rüstzeug an Eßvorrat, Silber, Porzellan und braunschwarzen Goa-Kellnern unserer harrend. Außer uns Deutschen war der Statthalter (Wali) von Kiloa mit drei Frauen und zwei Sklavinnen an Bord.

Nach etwa sechsunddreißigstündiger ununterbrochener Fahrt, während welcher der weibliche Teil der Passagiere, Deutsche, Araberinnen und Suahelidamen unterschiedslos an heftiger Seekrankheit festlag, fuhr die Barawa in Kiloa Kisuindji ein. Der Wali von Kiloa, ein auffallend großer Araber mit schönen Zügen und langem, braunen, in zwei Zipfeln bis auf den Gürtel herabhängenden Bart, hatte während dieser Fahrt nicht nur sehr eifrig für seine in die, der unseren gegenüber befindlichen Kabine gepferchten Frauen gesorgt, sondern er bot auch mir und Bertha, sobald wir uns sehen ließen, Orangen und Konfekt an und versäumte keine Gelegenheit sich teilnehmend nach meinem Befinden zu erkundigen. Auch seine Hauptfrau, die Araberin, rief uns »jambo Bibi, jambo!« zu und wagte sogar einen Moment in der offenen Thür meiner Kabine zu erscheinen, um mich zu begrüßen. Bertha, die sich eher als ich erholte, stattete dafür den Nachbarinnen einen Besuch ab.

In Kiloa Kisuindje hatte der Wali sein, Reiseziel erreicht und fuhr mit unseren Herren, die er im Auftrag des Sultans geleiten mußte, ans Land.

Herr Dr. Peters war begleitet von den Herren Flemming und Baron St. Paul. Auch hatte sich ihnen Herr Dr. Kling, ein junger deutscher Gelehrter, der aus dem uneigennützigsten Interesse für die Entwickelung unserer Kolonie hier einen Aufenthalt macht, angeschlossen. Herr von St. Paul hat die zwei Jahre seines Hierseins ausgenützt, um die Suahelisprache gründlich zu studieren. Er gehört zu den wenigen Europäern, die dieses weichklingende und an Formen reiche Idiom nicht nur verständlich, sondern auch grammatikalisch richtig sprechen, »ein klassisches Suaheli,« wie Herr Dr. Peters sich ausdrückt. Baron von St. Paul macht bei wichtigen Auseinandersetzungen den Dolmetscher bis auf die Fälle, wo zum äußersten Erstaunen der Bevölkerung Herr Flemming für ihn eintritt. Letzterer hat sich zwanzig Jahre lang in Indien mit Baumwolle beschäftigt, und ist in Folge dessen des Hindostanischen mächtig. Da nun an dieser Küste der Handel in den Händen der Indier und Banjanen ist, so kann es sich unter Umständen als sehr günstig erweisen, die Sprache dieser Erzschwindler zu kennen.

Während die Herren am Lande hohe Politik trieben, wurden an Bord der Barawa in umständlicher Weise die Frauen des Wali sammt ihren geschmückten Sclavinnen auf eine Dau gebracht, um ans Land zu segeln. Den besten Platz auf der Dau erhielt die Araberin, die mit ihrer Maske in feine schwarze Schleier gehüllt zart und vornehm aussah. Sie nickte mir im Fortfahren immer wieder freundlich zu. Sehr verschieden von ihr waren die beiden reichgekleideten aber unmaskierten Suahelifrauen. Den schwarzen Schönen geht es wie unseren Landmädchen. Sie sehen am besten aus in ihrer Volkstracht, bestehend aus einem oft in malerische Falten drapierten bunten Tuch, das dicht unter den Schultern befestigt, Hals und Arme freiläßt, während es den Körper eng umschließt und bis auf die Knöchel herabfällt. Ein trauriges Verdienst haben sich dabei freilich die Engländer erworben, indem sie als speculative Kaufleute, um dem ungebildeten Geschmack der Negerinnen möglichst entgegenzukommen, die denkbar geschmacklosesten, haarsträubend häßlichen Muster für deren Kleiderstoffe eingeführt haben. Sind die Suahelifrauen dagegen europäisch gekleidet, oder wie die Weiber des Wali von Kiloa in arabischem Putz, so sind sie meist ein lächerlicher Anblick.

Da Wind und Strömung dem Landen ungünstig waren, verzichtete ich auf Herrn Elson's, des Kapitäns, Rat darauf, die Barawa zu verlassen. Am Morgen des zehnten August dampften wir weiter, und fuhren schon gegen Mittag in die reizende Bucht von Kiloa Kisuani. Baron St. Paul, Dr. Kling und ich versuchten vom Schiffe aus die Küste, deren waldige Ufer sich rechts und links wie Kulissen voreinander schoben, zu scizzieren; aber da der Wind unser Schiff an der Ankerkette in fortwährender Drehung erhielt, unser Modell sich also beständig verschob, wollte das Zeichnen nicht recht gelingen. Daß der Mitwelt dadurch ein bedeutender Verlust geworden, glaube ich nicht, unbeschadet der Achtung, die ich vor den Talenten meiner verehrten Reisegefährten habe, denn unmöglich kann die beste Bleistiftzeichnung eine Landschaft wiedergeben, deren Zauber fast ausschließlich in Farbe und Licht besteht. Das Meer im Vordergrunde, kleine Inselchen mit blendend grünem Mangrovedickicht bewachsen, waldige Landzungen, ferne Berge und darüber der reine Himmel, alles blau in blau harmonisch abgestimmt, vor uns im Sonnenglanz blitzend die beständige Bewegung des ruhelosen Wassers, das war ein ebenso eigenartiges als entzückendes Landschaftsbild. Herr Dr. Peters hatte sich, sowie wir vor Anker lagen mit Herrn Flemming an Land begeben, um das Terrain dort auf seine Brauchbarkeit für Tabacks- und Baumwollenplantagen zu prüfen. Wir Anderen fuhren erst später an Land, um uns umzusehen. Wir landeten an einer halbzerfallenen Burgfeste aus der Portugiesenzeit, die mit ihren Türmen und Thoren ganz mittelalterlich auf einem Felsen am Meere steht. Während wir die malerische Ruine von allen Seiten betrachteten, photographierten und scizzierten, versammelten sich die Dorfbewohner um uns, und ich fand mich plötzlich ganz umringt von den Mädchen des Ortes. Ich hatte eine gelbe Blume abgepflückt. Die jungen Mädchen, die sich ersichtlich bewogen fühlten die Honeurs ihrer Küste zu machen, bedeuteten mir durch Worte und Zeichen, ich möchte die Blume fortwerfen. Dieselbe sei nichts wert, denn sie habe keinen Duft. Sie gaben mir dafür einige süßduftende aber stiellose Jasminblüten.

Während wir uns noch lebhaft unterhielten, traten aus einem geschlängelten, in Gesträuch versteckten Seitenpfad Herr Dr. Peters und Herr Flemming, gefolgt von schwarzen Jünglingen und Knaben, die in Körben oder auf den Köpfen Proben von Gestein und Erde trugen. Nachdem wir uns lachend begrüßt, gingen wir jedoch wieder in verschiedenen Richtungen auseinander. Während Herr Dr. Peters und Herr Flemming mit ihren Gefolgen ihren Rundgang im Geschwindschritt fortsetzten, durchschritten wir Anderen, nämlich Herr Kapitän Elson, Herr Dr. Kling, Baron v. St. Paul, meine Gefährtin und ich das Negerdorf. Dabei gaben uns die gesamten schwarzen Jungfrauen, sowie eine Menge Knaben und kleiner Mädchen das Geleite. Ein junges Mädchen hatte sich mir besonders angeschlossen und wich mir von Anfang an nicht von der Seite. Wir sahen wilde Baumwollstauden und Bananen, vor allem aber freute uns der Viehreichtum. Auf einer schlammbedeckten Niederung am Meere, die zur Regenzeit jedenfalls unter Wasser steht, weidete eine große Rinderherde. Auf den Ruinen kletterten Ziegen wie Gemsen zwischen Felsblöcken und Trümmern und in den bambusumzäunten Höfen trieben Büffelkälber und Schafe ihr Wesen, nicht zu vergessen des Federviehs.

Überaus befriedigt von unseren Entdeckungen kehrten wir nach Sonnenuntergang auf unsere Barawa zurück, wohin auch eine halbe Stunde später die unermüdlichen Herren Dr. Peters und Flemming gerudert kamen. Man hatte »rote Erde mit Humus vermischt auf Kalk lagernd« vorgefunden, der Mtama und Baumwolle trug.

Am folgenden Morgen in aller Frühe segelten Herr Dr. Peters und Herr Flemming in die kanalartigen Arme eines in den Hafen von Kiloa Kisuani (= Kiloa auf der Insel) mündenden Flusses, um das Bergland nach Norden zu besichtigen. Auch hofften sie dabei Nilpferde zu erlegen.

Uns ging es indessen wie gestern. Schon am Strande begrüßte uns die Schar der Mädchen und Frauen, die heute noch vollzähliger erschienen waren. Meine besondere Freundin, sie nannte mir als ihren Namen »Mawua«, entfernte sich eilends und kam zurück mit einem an Zwirn aufgenähten dichten Kranz von Jasminblüten, den sie mir mit einem wirklich reizenden Lächeln einhändigte. Das Mädchen interessierte mich und gefiel mir. Sie schien im Dorfe eine Rolle zu spielen, grade wie man es überall findet, wo ein hervorragend selbstbewußtes und eigenartiges Individuum auftritt. Mawua hatte etwas Überlegenes, im Verkehr mit den Männern geradezu Stolzes an sich. Dabei war sie, obwohl sie mir auch heute beharrlich zur Seite blieb, weder zudringlich noch geräuschvoll. Sie bewachte meine Bewegungen mit der Aufmerksamkeit eines klugen Hundes und gab sich sichtlich große Mühe mein gebrochenes Suaheli zu verstehen. Übrigens ist dies der einzige Fall, in dem mir wirkliche Intelligenz bei einer Negerin in diesem Landstrich bis jetzt vorgekommen ist.

In dem grünüberwucherten Burghof einer riesigen portugiesischen Schloßruine lagerten wir uns um den Rand einer Cisterne. Baron St. Pauls Diener, Mbaruku, dessen stolze Livree in einem zerrissenen Winterüberzieher seines Herrn besteht, hatte Mundvorräte mitgebracht und wir ließen uns das Frühstück schmecken. Die Schwarzen, die uns in immer größer werdenden Haufen umstanden und stillvergnügt zusahen, erhielten die leeren Bierflaschen zum Geschenk. Meiner liebenswürdigen Freundin versprach ich aber ein »sawadi nsuri« (schönes Geschenk), und brachte ihr, als wir uns Nachmittags wieder ans Land begaben, einen mir aus Berlin geschickten Fächer mit, der eine komplizierte Mechanik zum Auseinanderklappen und lange rosa Atlasschleifen hatte. Die schwarze Dame nahm nach Art ihres Volkes diesen in Kiloa noch nie dagewesenen Gegenstand mit feierlichem Ernst entgegen und blieb, während die Gefährtinnen sie neugierig umringten, den ganzen Nachmittag in ernst gehobener Stimmung.

Während ich in den gestrüppüberwucherten Hallen einer uralten Moschee zeichnete, von andächtigen Zuschauern, die übrigens von der wackeren Mawua stets in einer gemessenen Entfernung gehalten wurden, umstanden, ging Bertha mit der gleichfalls intelligenten Schwester der Mawua nach der Lagune und ließ dort eine der Büffelkühe melken. Triumphierend brachte sie dann die frische, fette Milch in einer Porzellanschale. Das schmeckte einmal! Lange hatte uns kein Trunk gemundet wie dieser.

Später als gestern begaben wir uns auf das Schiff zurück. Es dunkelte bereits und die Sterne flammten auf, aber von dem Segel unserer Kibokojäger ließ sich nichts sehen. Statt wie sonst um sieben Uhr zu dinieren, setzten wir uns in den kleinen Schiffssalon, und einer unserer Schwarzen hockte auf dem Fußboden vor uns und drehte unausgesetzt den mitgenommenen schadhaften Leierkasten, während Herr von St. Paul erbauliche Betrachtungen über das Gemütsleben einiger über unseren Häuptern balancierenden Kockerutschen anstellte. Es wurde darüber acht und halb neun. Wir mußten in Rücksicht auf unseren gediegenen Hunger das Warten aufgegeben und begaben uns schließlich, um unsere Touristen ernstlich besorgt, zur Ruhe. Gegen zwei Uhr Nachts jedoch wurden wir durch die kräftige Stimme des Herrn Dr. Peters aus dem Schlaf gerüttelt. Er war dabei, den verschlafenen Goanesen Anordnungen in Betreff eines Nachtessens zu erteilen. Beruhigt und froh versammelten wir uns noch einmal in dem Eßzimmer und nahmen den Bericht der Herumstreicher entgegen. Die Herren waren erschöpft und hungrig. Dr. Peters hatte seit zwölf Stunden ununterbrochen das Steuer in der Hand gehabt, aber das Segeln und Kreuzen in den mangroveumstandenen, sumpfigen Flußarmen war äußerst beschwerlich gewesen.

Am frühen Morgen dampften wir weiter. Ich bin leider immer krank so lange wir fahren und verlasse meine Koje erst, wenn der Anker geworfen wird. Wir langten übrigens schon Mittags in Kiswere an, dessen schöne Bucht von mehreren größeren Dörfern umgeben ist. Als ich an Deck kam, waren die Herren alle schon fort, doch hatte uns Herr Dr. Peters zu etwaiger Bedeckung zwei Diener dagelassen. Wir begaben uns unter dem Schutze des Ober-Ingenieurs, Herrn Ungemach, an das Ufer, und kletterten durch wilde Waldung und Steppengras den Hügel hinan, der sich dicht am Meer ziemlich steil erhebt. Obwohl wir durch Gras von mehr als zweifacher Mannshöhe schritten, und uns oft nur mühsam aus der Umklammerung der Dornen und Lianen befreiten, kam uns weder eine Schlange noch sonstiges tropisches Ungeziefer in den Weg. Wir erfreuten uns dagegen an dem Gurren wilder Tauben und dem Zirpen der Grillen, Laute, die an die Heimat erinnerten. Um uns her wucherten die baumhohen Ähren der Negerhirse, dazwischen blühende Baumwollsträucher, kandelaberähnliche Kakteen, Ricinus mit seinen eleganten Blättern, feingefiederte Akazien, Gummibäume und dichte Aloegruppen. Hier und da starrte uns auch der elephantenähnliche Koloß eines tausendjährigen Affenbrodbaums entgegen. Die Sonne war noch hoch und die Hitze machte sich sehr bemerklich. Dafür trugen die Diener kühlendes Bier sowie Brot, Büchsenbutter und Metwurst hinter uns her. Bei den nächsten Hütten, die wir erreichten, machten wir Halt. Der Herr der kleinen Niederlassung, ein Araber, ließ uns sofort eine Kitanda*) herbeitragen und seine beste Matte darüber breiten. So setzten wir uns in den Schatten seines Vordachs und freuten uns des köstlichen Mahles. Unter dem Vordach des Frauenhauses standen die schwarzen Gemahlinnen mit den Kleinen auf den Armen. Uns dicht gegenüber hatte der Herr des Hauses Platz genommen nebst seinem Freunde, einem Kleiderkünstler; hinter ihnen standen die Sklaven. Alle sahen uns schweigend zu und wir versuchten mit dem Gastfreund eine Unterhaltung in Suaheli zu führen, was auch ziemlich gelang. Der erwähnte Kleiderkünstler bestickte eine rot und weiß karrierte Jacke mit kunstreichen Stichen in weißer Baumwolle. Als wir aufbrachen, gaben uns die Schwarzen, wie gewöhnlich, das Geleit bis zu dem Boot. Unsere Ruderer waren diesmal Herrn Ungemach's Maschinisten, ein indisches Brüderpaar, mit weichlichen Zügen und den feuchten, schmachtenden Augen dieses Volkes. Sie trugen uns zu Ehren ihre besten weißen Anzüge und golddurchwirkte Käppchen auf dem dunklen Haar. Die beiden schwarzen Diener, die uns Dr. Peters zur Verfügung gestellt, bildeten in ihren hellblauen silberverschnürten Jacken und roten Mützen zu jenen den vollendetsten Gegensatz.

*)Kitanden sind die geflochtenen Negerbettstellen, die gelegentlich auch zum Sitz oder Feldtisch der Europäer dienen müssen.

Am folgenden Tage hielten wir in der Mchinga-Bay. Herr Dr. Peters fragte, ob es mich nicht interessieren würde, einmal mit anzusehen, wie die angesessenen Araber die Ankündigung der deutschen Verwaltung aufnähmen. Ich bejahte natürlich und kletterte schleunigst die schwankende Schiffstreppe hinab in den bereits gefüllten Kahn, um die Herren über die hochgehenden Wogen an's Ufer zu begleiten. Der Himmel war mit schwarzem Gewölk umzogen, die Landschaft erschien fahl und düster. Geleitet von dem arabischen Offizier der Barawa, begaben wir uns ungesäumt nach dem Hause des Wali. Zu beschaulichen Reflexionen und gemütlichen Unterhaltungen kommt es nicht, wenn Dr. Peters führt. Dieser geniale Mann scheint nur rastlos vorwärts eilen zu können, ohne Rücksicht auf das, was rechts und links vom Wege sich bieten mag:

»Der eignen Bahn
nachgehend grad' und unverrückt.«

Der Wali von Mchinga, ein ehrwürdiger Greis mit langem weißen Barte und edlen Zügen, empfing uns mit den üblichen Begrüßungsformen und ließ Kitanden in seine Vorhalle bringen, auf denen wir mit ernster Würde Platz nahmen. Dann begann das Pourparler. Herr Dr. Peters, dessen Gesicht während der ganzen Verhandlung unerschütterlichsten Ernst zur Schau trug, wandte sich in deutscher Sprache mit ungefähr folgenden Worten an Baron St. Paul: »Unser Freund, der Sultan Bargash ben Said wird uns laut Vertrag seine Rechte und Befugnisse, was die Verwaltung dieses Hafens anbetrifft, überlassen. Du wirst in Zukunft also mir und denen, die ich Dir hierher sende, zu gehorchen haben.«

Baron St. Paul übertrug diese Worte in's Kisuaheli und der Offizier des Sultans wiederum in's Arabische. Der alte Herr folgte den Sprechern der Reihe nach mit aufmerksamen Blicken. Dabei nahmen die großen Augen unter den geschwungenen Brauen mehr und mehr den Ausdruck der Angst an. Die arabische Übertragung des Barawa-Offiziers nahm, verziert durch die gebräuchlichen Redeblumen, mindestens dreimal die Zeit des deutschen Wortlauts in Anspruch. Dann sagte der ehrwürdige Wali: »Hast Du ausgeredet?« Der Offizier antwortete: »Ich habe geredet.« Nun begann erst der Alte seine Erwiderung: »Sage Deinem Herrn, ich sei der Mann des Sejid, nicht sein Sklave. Die Freunde des Sejid seien auch meine Freunde und ich werde ihre Worte so hoch halten, wie die des Sejid selbst.«

Herr Dr. Peters ließ ihm versichern, er sei ein Freund aller Araber, also auch der seinige. Er würde ihn deshalb in keiner Weise schädigen, oder sich Rechte nehmen, die ihm nicht zukämen. Er sei weit davon entfernt, in ihm, dem Wali, einem Sklaven zu sehen, mit dessen Eigentum man nach Belieben schalten könne, vielmehr achte er in ihm einen treuen Beamten des Sejid (Seyd = Herrscher) Bargash bin Said, seines Freundes, und er hoffe nur, daß der Wali ihm und den deutschen Herren ebenso redlich dienen werde, wie er es dem Sultan gethan.

Der Alte sah tief ergriffen aus. Das Neue der Situation schien ihn zu überwältigen. Indessen erneuerte er die Versicherungen seiner gänzlichen Ergebenheit und war sofort bereit, der Aufforderung des Herrn Dr. Peters Folge zu leisten und uns das umliegende Ackerland zu zeigen. Wir erhoben uns also und zogen geleitet von dem Wali und von seinen Leuten gefolgt in langem Zuge nach den Feldern. Die freundlich gesinnten, zutraulichen Schwarzen beeiferten sich mir die nach ihrem Geschmack schönsten Blumen abzubrechen, während wir im Geschwindschritt eine Niederung am Fuße bewaldeter Hügel durchwanderten. Die Herren ließen hier und da Erde umgraben, um Proben mitzunehmen. Dies Vornehmen umstanden die Schwarzen stets mit ehrerbietiger Scheu. Sie mochten eine symbolische Handlung darin sehen. Dem alten Wali traten Thränen in die Augen, so daß Herr Dr. Peters sich veranlaßt sah, ihm wieder und wieder zu versichern, falls die Deutschen sich hier anbauen sollten, würden sie kein Stückchen Land in Besitz nehmen, das der betreffende Eigentümer nicht herzugeben willig sei. Herr Flemming untersuchte die Qualität der in zahlreichen Büschen wild wachsenden Baumwolle, die sich wie feine weiße Watte aus den abgewelkten Blüten ziehen ließ. Dabei regnete es.

Als wir endlich, die meisten von uns recht ermüdet, an den Strand zurückkehrten, hatten sich die Wolken zerteilt, und die sinkende Sonne zauberte Farben von ganz eigentümlicher Schönheit an den westlichen Himmel, über welchem in seinem stillen und reinen Glanze der Abendstern erschien. Eine ganze Weile standen wir in Anschauen versunken schweigend am Strande, während das von der Barawa für uns ausgesandte Boot sich mühsam durch die Sturzwellen der Brandung arbeitete. Auf den Schultern der Schwarzen gelangten wir endlich in das schwankende Fahrzeug und es dunkelte stark, als wir die Schiffstreppe hinanstiegen.

Am folgenden Tage gelangten wir in den vielgepriesenen Hafen von Lindi. Die Formen der Küste und der waldigen Berge rings um die tiefeinschneidende Bucht bieten allerdings ein schönes Landschaftsbild. Es ist nur tot, denn »das Gebild von Menschenhand« fehlt. Dem Menschen hat es Gott verliehen, der schönen Natur den Stempel seines bewußt strebenden Geistes aufzudrücken; das drängt sich dem Beschauer dieser ostafrikanischen Landschaften immer wieder auf. Sie tragen Reichtum und blühendes Leben in sich verschlossen und scheinen erwartungsvoll dem Herrn der Erde entgegenzusehen, daß er die edlen Keime aus dem lange Schlaf erwecke und an's Licht ziehe.

In die Bucht mündet ein breiter Fluß, der Lindi oder Mtale, der zahlreiche Arme in die Wildnis an seinen Ufern entsendet und in schön gewundener Linie eine Reihe waldiger Bergkuppen durchbricht. Man erinnert sich an den Rhein zwischen Bonn und Koblenz, an das Siebengebirge. Aber es fehlen eben die Städte und Burgen, die Kirchlein und freundlichen Villen. Hier herrscht noch die Einsamkeit. Weißköpfige Flußadler sitzen auf den knorrigen Strünken am Ufer und der gellende Schrei eines wilden Affen tönt von Zeit zu Zeit durch die Wildnis.

Der Wali von Lindi, ein Greis mit blöden Augen und einem Spitzbubengesicht, bewohnt die Ruine eines portugiesischen Forts. Ein Kanonenrohr aus alter Zeit steht dräuend vor dem Portale aufgepflanzt. Der Salon des Alten in den halbverfallenen Bogenhallen schien mir direkt in einen der mittelalterlichen Romane Walter Scott's zu gehören. Kostbare Waffen schmücken die Wände. Auf den Gesimsen der Wandpfeiler lag der Koran und der sonstige Bücherschatz des Hausherrn. Auf der Erde hockten junge Asikari, (= Soldaten des Sultans), malerisch gekleidet, reich bewaffnet und von meist edlem Gesichtsschnitt. In der dunklen Halle, die durch Säulen und Bogen von dem luftigeren Hauptraume getrennt war, brannte ein Holzfeuerchen, um welches einige Schwarze beschäftigt waren. Der listig dreinschauende Wali ließ uns Kokosnüsse bringen, »Madafu«, deren Saft wir austranken. Er ließ uns dann durch einen jungen Sohn in dem weiten Gemäuer, das übrigens nichts Interessantes mehr bot, umherführen.

Auf der dem Orte Lindi gegenüberliegenden Seite der Bucht gehen wir mit Vorliebe spazieren. Zerrissene Felsblöcke von den barocksten Formen, in die das Wasser tausende von Rinnen und Becken gewaschen hat, bedecken den Strand. Unmittelbar hinter ihnen steigt der bewaldete Hügel auf. Herr Dr. Kling scizzierte, und Bertha machte, während sie zwischen dem wilden Gestein Muscheln suchte, zum erstenmal die Bekanntschaft einer Schlange, die sich indessen in ihrem Felsloch in Gesellschaft kleinerer Eidechsen liegend, ganz passiv verhielt. Herr von St. Paul und ich klommen, begleitet von Mbaruku den Hügel hinan. Wir arbeiteten uns tapfer durch das Gestrüpp, den Spuren der Nilpferde nachgehend, die durch das mannshohe Gras ganz gangbare Pfade getrampelt hatten. Auch Raubtierspuren zeigte mir der Baron und Löcher, die eine Hyäne gescharrt hatte. Wir kletterten in eine tiefe und enge Schlucht hinunter, durch welche den wilden Gesteinmassen nach, zur Regenzeit ein starkes Wasser in Kaskaden stürzen muß. Hier herrschte erquickende Kühle und tiefer Waldesschatten. Die Schlucht war von uralten Bäumen und Schlingpflanzen völlig überdacht. Mbaruku im langen Winterpaletot, der stets den photographischen Apparat hinter seinem Herrn herträgt, mußte denselben aufstellen, und Baron von St. Paul versuchte zu photographieren. Aber es fehlte an Licht, und war ein gar zu wildes Durcheinander von Laubwerk und Gestein. Mbaruku entstammt dem Innern. Als Baron St. Paul seine Station Madimola verließ, lief ihm dieser Schwarze nebst einem Dutzend seiner Stammesgenossen nach Bagamoyo nach und sie flehten ihn an, sie in seinen Diensten zu behalten. »Bana St. Paul« steht bei den Schwarzen in dem Ruf ein »sehr guter Herr« zu sein. Mbaruku folgt ihm wie ein treuer Hund und sein grundhäßliches Angesicht strahlt beständig im Glanze inniger Glückseligkeit. Nebenbei gesagt, ist Herr von St. Paul auch unter den Europäern rühmlichst bekannt durch seinen unverwüstlichen Humor und seine unerschütterliche Gemütsruhe.

Wir versuchten in unserer Schlucht weiter zu gehen, aber die Lianen umklammerten uns, Dornen hakten sich in mein dünnes Kleid und Äste verbarrikadierten uns den Weg, so daß wir wieder die ziemlich steile Wand zum Tageslicht emporkletterten. Als wir den Gipfel des Berghanges erreichten, lagen Hafen und Flußthal als herrliches Panorama uns zu Füßen. Freilich strahlte dort oben auch die Mittagssonne eine solche Glut aus, daß meine Phantasie sich lebhaft mit der Eventualität eines Hitzschlags zu beschäftigen begann. Eilends suchten wir trotz der schönen Aussicht wieder den Schutz des Dickichts.

Am Abend desselben Tages entdeckten wir während des gemeinsamen Spaziergangs eine Quelle, die in einer dichten Wildnis von Papyrus glucksend und murmelnd zu Thale lief und ganz nahe dem Meere von den Landleuten in einer gemauerten Rinne gefaßt und in ein größeres Steinbecken geleitet worden war. Wir tranken aus Kokosnußschalen von dem Wasser und fanden es zwar sehr weich aber rein von Geschmack. Schwarze Männer waren, auf dem Rande des Bassins stehend, mit Waschen ihrer Kleidungsstücke beschäftigt. Vor uns stand ein kleines Steinhaus, umgeben von einer Gruppe hoher Kokosnußpalmen. Vom Meere war es nur durch eine mit leuchtend grünen Mangroven bedeckte Lagune getrennt.

Wir hatten uns vorgenommen dem Lauf der Quelle nachzugehen und führten dies am Nachmittag des folgenden Tages aus. Auf schmalen Waldpfaden gingen wir bergan, immer dem Quell entlang und kamen an ein noch im Bau begriffenes Dorf in einem prachtvollen Hain uralter Kokospalmen auf der Berghalde gelegen. Die Dorfbewohner schleppten uns sogleich ihre Kitanden herbei, dann wurde eine der Palmen erstiegen und wir erhielten frisch vom Baum gepflückte Nüsse, die wir mit Behagen austranken. Die Leute dieses Dorfes, dessen Hütten zum Teil erst als geschickt geflochtenes Gerüst standen, waren eifrig bei der Arbeit und unterbrachen diese nicht einmal, um uns anzugaffen. Ein Mann spann Baumwolle. Er ging dabei umher und drehte die Spindel, wie man es auf Bildwerken der alten Griechen sieht. Andere schnitzten oder schälten Stäbe zum Hüttenbau, oder banden das lange strohartige Gras, das sie zum Dachdecken brauchen, in Garben.

Ich bin überzeugt, daß die vielbeklagte Trägheit der Schwarzen nicht Anlage ist, sondern Gewohnheit. Dafür spricht einmal ihre Beweglichkeit, die Geschmeidigkeit der Gliedmaßen und die geschickten Bewegungen, dann auch der allgemein anerkannte Umstand, daß die Kinder fleißig und tüchtig sind. Die Schwarzen arbeiten eben nicht, so lange sie es nicht nötig haben, und das ist einfach gesunder Menschenverstand. Der Naturanlage nach scheinen mir die weichlichen, zur Fettsucht neigenden Indier weit träger zu sein als die Schwarzen.

Herr Dr. Peters hat mit Herrn Flemming, den Dienern und einigen Pagazi eine Expedition den Fluß hinauf unternommen, zur Besichtigung des Hinterlandes. Vorgestern sind die Herren in einer gemieteten Dau den Mtale hinaufgesegelt. Baron von St. Paul und Herr Dr. Kling, die sich gern der Expedition angeschlossen hätten, durften aus Rücksicht auf ihre angegriffene Gesundheit gegenwärtig nicht wagen, sich den unvermeidlichen Strapazen einer solchen Tour auszusetzen. Während gestern unsere Barawa-Bote den ganzen Tag damit zu thun hatten, Quellwasser an Bord zu schaffen, mietete Herr Dr. Kling in Lindi eine Dau und wir segelten mit vollem Winde in die Flußmündung hinein. Nachdem wir so etwa eine Stunde lang gefahren waren, landeten wir bei der schloßartigen Besitzung eines reichen Arabers. Dieser hat seinen Komplex von hübschen Steinhäusern mit einem undurchdringlichen Dornenwall umgeben auf den drei nicht durch den Fluß geschützten Seiten. An den äußersten Ecken dieses Walles hat er (oder einer seiner Ahnen) mit Zinnen gekrönte Türme gebaut, teils rund, teil viereckig. Durch diese führen Thorwege. Vor dem Wohnhause befindet sich ein schöner sauberer Platz, eine Art Gartenterrasse mit schattenspendenden Bäumen bestanden. Unter den Bäumen steht eine überdachte Gartenhalle, zu deren etwas erhöhtem Boden Treppenstufen führen. Dort saß der Burgherr mit gekreuzten Beinen. Vor ihm lag auf perlmuttereingelegtem Gestell ein Foliant in rotem Ledereinband, vermutlich der Koran. Neben sich auf der Matte hatte er einen mit indischem Schnitzwerk verzierten Kasten stehen mit Schreibtischeinrichtung; den Schlüssel dazu trug er an einer Kette um den Hals. Während er uns, – wir waren auf Sitze in selbiger Halle genötigt worden, – nach Landesbrauch Kokosnuswasser reichen ließ, schloß er seine Schatulle mehrmals auf, nahm zusammengefaltete Papiere heraus, die er auseinanderbreitete, mit wichtiger Miene betrachtete und an ihren Platz zurücklegte. Wahrscheinlich waren es Briefe und der Burgherr wollte uns durch das Lesen derselben auf seine Bildung aufmerksam machen.

Eigentlich hatte es garnicht in unserer Absicht gelegen, den alten Herrn zu besuchen, aber er kam uns, sobald wir landeten, an das Ufer entgegengeeilt und nötigte uns zu sich hinauf. Auch bei der Abfahrt gab er uns mit seinem ganzen Gefolge das Geleit. Stattlich sah er aus, unter seinen zahlreichen Kindern, Sklavinnen und Dienern stehend mit langem weißen Gewande, gelblichweißem wallenden Bart, buntem Turban und den Herrscherstab in der Hand – ein ostafrikanischer Landedelmann.

Unsere Rückfahrt dauerte, da wir diesmal keinen Wind zum Segeln hatten, volle drei Stunden. Vier Schwarze aus Lindi, die außer dem Schurz nicht durch Kleidung beschwert waren, ruderten, begleitet und angefeuert von dem rhythmischen Geheul ihrer originellen Wechselgesänge; die ganze Fahrt über plärrten sie ohne Unterbrechung, so daß ich die Leistungsfähigkeit ihrer Lungen anstaunte. Ich durfte steuern, saß oben auf dem erhöhten Hinterdeck der Dau und konnte mir einbilden, das schwerfällige Fahrzeug mit seinen vierzehn Insassen nach meinem Belieben zu lenken. Dabei geriet ich aber bald rechts bald links den Mangroven zu nahe und fuhr schließlich im Hafen auf eine der heimtückisch lauernden Korallenbänke. Zum Glück kamen wir, ohne Schiffbruch zu erleiden, wieder los. Schön war es, als bei einbrechender Nacht das Meerwasser am Kiel und unter den Rudern phosphoreszierte.

Rowuma-Bai, d. 23. August 1887.

Wir sind am Ziel der Fahrt nach Süden angelangt. Rasch will ich diesem Bericht noch einige Zeilen hinzufügen, denn so lange das Schiff in Bewegung ist, vermag ich nicht einmal zu lesen, geschweige denn zu schreiben. Morgen früh aber werden die Anker gelichtet und wir fahren vor dem Winde direkt nach Dar-es-Salaam.

Sobald Herr Dr. Peters von seiner Expedition landeinwärts zurückgekehrt, verließen wir die liebliche Bucht von Lindi. Am Morgen vor unserer Abfahrt kam ein kranker Indier an Bord und bat uns ihn zu heilen, denn die Nachricht, daß wir uns hiermit befaßten, war mit bekannter Schnelligkeit uns vorausgeeilt. Kaum hatte ich den Fuß auf festen Grund gesetzt, so brachte man mir Patienten. Am lebhaftesten war der Andrang in dem schönen Hafenorte Mikindani, vor dem wir vorgestern ankerten. Wir hatten dort in Gesellschaft der Herren einen weiten Weg durch parkartige, in der üppigsten Vegetation prangende Landschaft gemacht, hatten aber vor jenen an den Landungsplatz zurückkehren müssen, da wir sehr müde geworden waren. Während wir nun in der Nähe unseres Bootes unter dem Schutz zweier Diener die Herren erwarteten, brachte man kranke Kinder herbeigeschleppt; Männer mit schlimmen Fußübeln kamen gehinkt und gekrochen, ein älterer Araber wollte sogar von seinem Magenleiden befreit werden. Wir gaben allen Rat, den wir wußten und verordneten nach der Schwierigkeit feuchte Umschläge, Waschungen und Abreibungen. Man kann hier wirklich sagen:

»Es ist ihr ewig Weh und ach,
So tausendfach,
Aus einem Punkte zu kurieren.«

Der eine Punkt ist: Wasser. Diejenigen, die untersucht und verbunden werden konnten, bestellten wir nach der Barawa. Da kam denn am andern Morgen in aller Frühe eine ganze Bootsladung voll Patienten, so daß wir in dem kleinen Schiffssalon eine Art Klinik einrichteten, allerdings zum geringen Vergnügen der Herren. Bertha war so beglückt, einmal wieder nach Herzenslust ihres Amtes walten zu können, daß sie es mir beinahe verargte, wenn ich die Behandlung des einen oder anderen Patienten für mich beanspruchte. Hoffentlich hilft den Leuten ihr Glaube. Unsere stets wiederholten Ermahnungen, sich etwas mehr der Reinlichkeit zu befleißigen, werden der Macht der Gewohnheit gegenüber kaum von Wirkung sein.

Heute haben Herr Dr. Peters und Herr v. St. Paul ein gefährliches Experiment gemacht, nämlich die Einfahrt in den Rowuma »forciert«, noch dazu mit dem kleinen Barawa-Boot, das einen ganz flachen Kiel hat. Der jähe Übergang von einer bedeutenden Meerestiefe unmittelbar vor der Flußmündung zu der geringen Tiefe des durch Schutt und Sandbänke verbarrikadierten Flusses verursacht, wie der »African Pilot« sagt, sehr gefährliche Brecher und dadurch eine Brandung, die einem Boote nur unter bestimmten günstigen Bedingungen von Wind und Strömung die Durchfahrt möglich machen. Da wir das tragische Ende des Lieutenant Günther in der Jub-Mündung noch in frischer Erinnerung hatten, sahen wir Zurückbleibenden die kühnen Männer nicht ohne die ernsteste Besorgnis hinausfahren. Als das kleine weiße Boot in dem dunstigen Morgen verschwand, fürchteten wir schon, seine Insassen zum letzten Mal gesehen zu haben. Um so größer war die Freude, als sie schon gegen ein Uhr Mittags wohlbehalten und in bester Stimmung zurückkehrten. Sie hatten die gefährliche Brandung beide Male sehr glücklich überwunden und waren fünf Seemeilen landeinwärts gesegelt. Dabei hatten sie zahlreiche Kibokos getroffen und Baron St. Paul konnte garnicht genug die Schönheit der durchfahrenen Landschaft rühmen.

Dar-es-Salaam, d. 27. August 1887.

Gestern Abend um elf Uhr nahmen Bertha und ich auf der Barawa Abschied von den Reisegefährten und begaben uns unter des Stationschefs Schutz an Land. Hier begrüßte uns ein fürchterlicher Lärm, denn auf Anregung Herrn Leues hatten die Einwohner zu Ehren des deutschen Besuchs eine große »ngoma« (Musik und Tanz) veranstaltet. Solch eine ngoma organisirt sich folgendermaßen: Wer ein Musikinstrument spielt, sei es Trommel, Pfeife, Kuhhorn oder auch nur eine Art von Castagnetten, der stellt sich irgendwo auf der Gemeindewiese hin, allein oder mit seinem Freund und beginnt seine lockende Weise. So sehr primitiv diese ist, so zieht sie doch die Bevölkerung an wie die Flöte des Rattenfängers von Hameln. Es dauert nicht zehn Minuten, so hat sich um den Künstler ein Kreis gebildet, der lavinenartig anwächst. Wird er stattlich genug befunden, so beginnen einzelne den volkstümlichen Tanz, der mit seinem Vor- und Rückwärtshüpfen, Chassieren, compliments aux dames etc. entfernte Verwandtschaft mit unserer Française zu haben scheint. Wir blieben bei einem jeden solchen Tanzkreis, an welchem unser Weg vorbeiführte, pflichtschuldig stehen, um unsere wohlwollende Anerkennung kund zu geben. Dadurch fühlten sich Tänzer, Musiker und Publikum sehr geehrt und der Volkshaufe wuchs während unserer Anwesenheit noch mehr. Es ist nicht zu beschreiben, wie eitel, kokett und lächerlich die schwarzen Tänzerinnen herumschwänzeln. Das beste aber erwartete uns noch. Vor dem Hause des Wali hatten die Araber einen Schwertertanz veranstaltet, den sie mit entsetzlicher Musik und Flintengeknatter begleiteten. Dazu leuchteten ihnen Magnesiafackeln, die Herr Leue zu ihrer großen Erbauung gestiftet hatte. Ich war so ermüdet von all dem Toben und Schreien, daß ich ganz bescheiden anfragte, ob ich mich nunmehr nicht zurückziehen dürfe? Aber da kam ich bei unserem verehrten Stationschef schön an! Ein solcher Verstoß gegen die Etikette! Der Wali ließ ja eben Sessel auf die Straße tragen und zog sein Schwert aus der Scheide, um in höchst eigener Person vor uns zu tanzen! Wir setzten uns also andachtsvoll auf die rohrgeflochtenen Armstühle vor das mit Marmorplatten ausgelegte Palais des verstorbenen Sejid Madjid und bestaunten die immer wilder werdenden Bewegungen der über ihre blanken Schwerter springenden Wüstensöhne. Etwa zehn, Seite an Seite gedrängte, beständig sich in den Hüften wiegende Araber mit hochgehobenen Schwertern übten einen überaus einförmigen, aber desto gellenderen Gesang aus. Vor den Sängern schlugen zwei Musiker wie besessen auf große Trommeln, bald stehend, bald kniend, bald gar am Boden liegend. Diese regsamen Trommler dirigieren seltsamer Weise sowohl Gesang als Tanz. Die Übrigen, die um die Schwertertänzer in weitem Halbkreis Spalier bildeten, trugen durch fleißiges Abfeuern ihrer Gewehre das ihrige zu der Feier bei. Bertha war trotz des Höllenlärmes in ihrem Sessel eingeschlafen. Freilich war die Mitternachtsstunde auch bereits vorüber.

Als ich heute gegen acht Uhr aus schwerem Schlaf erwachte, war das erste, was ich zu meinem Schrecken hörte, die gräuliche Tanzmusik mit begleitendem Gekreische. Ich frug etwas kleinlaut, ob heute eine Nachfeier stattfände; aber man belehrte mich, daß die Tänzer noch von gestern her beisammen seien.

d. 28. August.

Am Strande unter prächtigen Mangobäumen liegt das Grab des Regierungsbaumeisters Wolf, von Palmzweigen überdeckt. Bertha liebt es, gegen Sonnenuntergang dorthin zu pilgern und einen Kranz von frischgrünen Ranken auf dem Hügel niederzulegen in treuem Gedenken an den freundlichen Reisegefährten.

Die bösen, bösen Zelte! Sämtliche Herren haben das Wohnen in ihnen teuer bezahlen müssen. Mein Bruder liegt schwer krank in Zanzibar. Es ist mir hart angekommen, nicht gleich dorthin zu fahren, um bei ihm sein zu können; denn er ist in Lebensgefahr. Nur die Überlegung, daß er im Hospital der Schwestern vom heiligen Geist die beste Pflege hat und daß sich für mich vielleicht nicht sobald wieder eine Reisegelegenheit nach Dar-es-Salaam finden würde, hat mich bewogen, hier zu bleiben. Ich bin in Angst um Albrecht und weiß nicht, ob ich recht gethan habe. Nun, wir stehen Alle in Gottes Hand! –

Dar-es-Salaam ist eine Ruinenstadt. Von den durch Sejid Madjid errichteten Steinpalästen sind zwei noch bewohnbar, der eine ist des Wali Residenz, den anderen hat Herr Dr. Peters für die Gesellschaftsbeamten gemietet. Eine schöne breite Steintreppe führt von der Hausthüre den Uferhang zum Meere hinab. Die Herren glauben durch geringe Ausbesserungsarbeiten hier die bequemste Landungsstelle schaffen zu können.

Die Stadt besteht aus drei Quartieren. Im Halbkreis um den Hafen stehn die arabischen Ruinen, unter welchen der zum Harem bestimmte schloßartige Bau noch immer sehr stattlich aussieht. Er ist leider innen so verfallen, daß man ihn nicht einmal ohne Lebensgefahr besehen kann. Nach dem Lande zu haben die speculativen Indier ihre Handelsstraßen angelegt und in jedem ihrer aneinanderklebenden kleinen Häuser einen Kramladen errichtet. Hier kaufen die Europäer für schweres Geld, was sie unter der aufgestapelten Lumpenware etwa brauchbares finden; in den meisten Fällen freilich finden sie überhaupt nichts. Rechts und links vom Hafen schließen sich die Negervorstädte an, die sich, wie fast überall durch Sauberkeit und Geräumigkeit (was Wege und Plätze anbelangt,) auszeichnen.

Der Hafen gleicht fast einem Landsee, da die schmale Verbindung mit dem Meere durch die mit Palmen, Bananen und Affenbrotbäumen bestandenen Landvorsprünge dem Auge meist entzogen ist. Dagegen schneidet er tief in das Land ein. Unser mit vier Ruderern bemanntes Boot brauchte anderthalb Stunden, um bis dahin zu kommen, wo ein seichtes Flüßchen seine Gewässer mit der Salzflut vermischt. Dort hausen zahlreiche Nilpferde. Auch Affen und Papageien amüsieren sich an den waldigen Hängen, die den Hafen umschließen.

Dar-es-Salaam, d. 29. August.

Unsere Wohnung besteht, wie ich schon in meinem Tagebuch erwähnt, aus einer Reihe kleiner Inderhäuser, deren Wände durchbrochen und mit Thüren versehen sind, die auf die Veranda führen, welche also die einzelnen Wohnungen (je ein Zimmer) verbindet. In dem ersten dieser Zimmer wohnt und schläft Herr Greiner mit seiner Frau, das zweite, welches Herrn Leue's Dominium ist, dient zugleich als Salon und Eßzimmer. No. 3, Herrn Tschepe's Gemach, gleicht einer Werkstatt und Rüstkammer. Dann kommt viertens ein Zimmer, in dem die deutsche Haushälterin mit der Nichte des Missionars schläft, und endlich dasjenige, welches Bertha und mir überlassen worden. Glasfenster, verschließbare Thüren, Schränke etc. sind Luxusgegenstände, die Dar-es-Salaam vorläufig nicht kennt. Ich kann aber in Wahrheit versichern, daß ich mich, so weit meine Erinnerung reicht, noch nie so frisch und geistig wohl befunden habe, wie hier in diesen ganz primitiven Verhältnissen. Frei und leicht wird es dem geplagten Kulturmenschen zu Mute, wenn er einige Dutzende der Sclavenketten, die wir »Bedürfnisse« nennen, abzuwerfen genötigt ist.

d. 30. August. 1887.

Wir haben ein zwölfjähriges Negermädchen in Dienst genommen, eine von der englischen Mission getaufte Christin. Die Engländer nannten sie Alice, ich habe aber als gute Deutsche »Liese« daraus gemacht. Die kleine Liese bringt mir Morgens ein Glas frischer Kuhmilch ans Bett, die herrlich mundet. Dann stehe ich auf und finde die Hausgenossen gewöhnlich schon auf der Veranda. Dort steht auch der Frühstückstisch und darauf, was des verwöhnten Menschen Herz begehren kann: einheimischer Honig, Eier, hausbackenes Schwarzbrot und englische Zwiebacke. Sowie ich meinen Platz einnehme, erscheint der aufmerksame Mandoa und schenkt aus indischer Porzellankanne den Kaffee ein. Mandoa ist ein ehrgeiziger und strebsamer Jüngling, der ungeachtet seiner schwarzen Hautfarbe errötet, wenn er in spöttischer Weise auf eine Ungeschicklichkeit aufmerksam gemacht wird. Er ist sogar stolz und trotzig und weint Thränen bitteren Ärgers, wenn er sich gekränkt fühlt, oder ungerecht behandelt glaubt. Mandoa ist der Diener des Stationschefs und thut sich auf diesen Vorzug viel zu gute.

Während ich frühstücke, wartet auf mich gewöhnlich schon mein Lieblingspatient, ein Sultanssklave, der vor kurzem in sein Messer gefallen ist, wodurch er sich eine tiefe Wunde in der Seite zugezogen hat. Herr Leue hat ihn vor dem Verbluten gerettet. Hätte er nur krumme Nadeln gehabt und antiseptischen Faden, um die Wunde zu nähen, so würde sie nicht mehr klaffen, wie sie es thut. Im übrigen scheint Faradi, so heißt der junge Mann, eine gesunde Heilhaut zu haben. Heute Morgen brachte er mir als Zeichen seiner Dankbarkeit fünf Kokosnüsse.

d. 31. August.

Jetzt haben die Schwarzen ihr Neujahrsfest gehabt, ein sikukuu (siku = Tag, kuu = groß, im Sinne von vornehm) oder vielmehr zwei solche nach einander. Der Wali schickte einen Botschafter zu Herrn Leue, der das Fest feierlich ankündigte, und die sämtlichen auf der Station beschäftigten Arbeiter und Diener zu einem Festmahle einlud. Herr Leue nahm diese Nachricht in der landesüblichen Weise, nämlich mit ernster Würde und höflichen Phrasen entgegen und kündigte dem Wali an, er würde am zweiten Feiertage seinerseits die Leute desselben bewirten. Das ist das verhängnisvolle der arabischen Ehrengeschenke etc., daß sie stets eine gleichwertige Gegengabe erfordern. Es ist des Landes Brauch. – Am ersten Morgen des Festes kamen die sämtlichen Arbeiter der Station um sich ihr »Sikukuu«, d. h. diesmal »Festagstrinkgeld«, zu erbitten. Herr Leue ließ sie der Reihe nach zur Musterung antreten: die Garten- und Feldarbeiter, die Maurer, den Schneider, den Wäscher, die Wasserträgerinnen und den Viehhirten, der den klangvollen Namen Marindila führt. Herr Leue, der sehr auf adrettes Aussehen seiner Leute hält, tadelte mit spöttischen Bemerkungen diejenigen, deren Aufzug zerlumpt oder unsauber war. Die Schwarzen, die bekanntlich durchweg eitel sind, zeigen eine große Empfänglichkeit für derartige Auszeichnungen. – Tagsüber wurde geschossen und getanzt. Am zweiten Festtag fanden Tanz und Spiel mit besonderem Pomp vor unsern Fenstern statt. Die Araberjünglinge sprangen wieder wie die Rasenden durcheinander. Dazu wurde unablässig getrommelt und gesungen. Da unsere Zimmer keine Glasscheiben in den Fenstern haben, waren sie bald von dem Pulverdampf der knatternden Gewehrsalven erfüllt. Leider hatte die Nichte des Missionars einen, wenn auch an sich leichten Fieberanfall, der indessen bei diesem barbarischen Lärm bösartiger zu werden drohte. Ich bat daher den Chef sehr dringend, die Herrn Araber zu veranlassen, ihre Spiele in einiger Entfernung fortzusetzen. Herr Leue meinte, eine derartige Verletzung der Sitte könne von den Arabern sehr übel aufgefaßt werden, da sie gerade uns zu Ehren hier tanzten. Ein Abbrechen unsererseits müsse daher unterbleiben. Ich beharrte nichts destoweniger auf meinen Wunsch, da mir Leben und Gesundheit der Unseren ungleich wichtiger erscheint, als die mehr oder minder gnädige Gesinnung der Araber. Diese müssen sich ja doch schließlich nach uns richten. Herr Leue ließ sich, wenn auch ungern, herbei, einen Parlamentär hinunterzuschicken. Herr Missionar Greiner, der des Arabischen mächtig ist, bot sich an, den heiklen Auftrag zu übernehmen. Er sprach den Anführern in schönen Phrasen den Dank des Stationschefs für die uns gewordene Aufmerksamkeit aus, was sofort richtig aufgefaßt wurde, nämlich als Verabschiedung. Zu meiner großen Befriedigung zog die Horde ohne weiteres ab, und das kranke Mädchen, dessen Temperatur mit beängstigender Geschwindigkeit stieg, fühlte sich ungemein erleichtert.

d. 1. September 1887.

Wir haben Besuch gehabt von dem Bischof von Zanzibar, Monseigneur de Courmont, und dem berühmten Père Étienne Baur aus Bagamoyo. Die Herren brachten mir Nachrichten von meinem Bruder. Derselbe war totkrank nach Bagamoyo gebracht worden. Dort lag grade ein östreichisches Kriegsschiff, und der Arzt desselben übernahm die Behandlung. Als indessen nach den angewandten Mitteln das Fieber sich ungeschwächt wieder einstellte, sagte der Marinearzt zum Pater Baur, nun könne er nichts mehr machen und wolle ihm den seiner Ansicht nach hoffnungslosen Patienten überlassen. Père Étienne hat seine bewährten Kraftmittel angewandt, nämlich riesige Gaben Chinin, denen aber jedesmal entsprechende Brechmittel vorausgeschickt werden, um den Magen auszufegen und dem Chinin volle Wirksamkeit zu geben. Es gehört allerdings eine kräftige Konstitution dazu, um eine solche Kur des öfteren durchzumachen. Albrecht hat einen derartigen schweren Anfall von Gallenfieber jetzt bereits zum drittenmale überstanden. Sobald er transportfähig war, hat man ihn nach Zanzibar geschickt, wo er nun im Hospital liegt; doch versicherten mir beide Herren, er sei jetzt außer Gefahr, ich möchte mich seinetwegen völlig beruhigen. Père Étienne kennt meinen Bruder, seit er hier ist, was nun bald drei Jahre sind, und mag ihn sehr gern. Vornehmlich bewundert er aufrichtig Albrecht's spartanische Härte gegen sich selbst, wovon er mir manches zu erzählen wußte. Père Étienne steht seit 26 Jahren der Missionsniederlassung in Bagamoyo vor und gilt als der erfahrenste und sicherste Berater in allen möglichen Dingen. Er ist Elsässer und spricht mit uns nur deutsch. Monseigneur de Courmont, der ein vornehmer Franzose ist und seinen Manieren nach mehr im Salon zu Hause ist, als in der afrikanischen Einöde, versteht dagegen kein Wort deutsch. Wir (die Haushälterin und ich) haben ein für afrikanische Verhältnisse recht annehmbares Diner zu stande gebracht; beim Kaffee freilich fungierte als Sahnengießer ein alter Tassenkopf, doch nimmt man das bei uns nicht so genau. Übernachten mußten die liebenswürdigen Gäste auf ihrer Missionsdau, deren Segel durch ein aufgenähtes großes schwarzes Kreuz schon von weitem kenntlich ist.

Herr Leue läßt soeben seine Asikari vor dem Hause Übungen machen, was schon recht gut geht. Wie bei uns zu Hause, sind die Rekruten auch hier stets von Neugierigen umringt. Anfangs haben die Leute von Dar-es-Salaam gelacht; seitdem Herr Leue aber die Spötter mit einigem Nachdruck hat weitergehen heißen, steht alles andachtsvoll in ehrerbietiger Entfernung.

Fräulein Marie, die Nichte des Missionars, ist wieder wohlauf und singt wie ein Vogel.

d. 3. September 1887.

Es regnet täglich einige Stunden, die kleine Regenzeit (September, October) scheint also pünktlich einzutreten. Die Veranda, auf der ich schreibe, steht augenblicklich unter Wasser, da etliche Dachrinnen sich auf sie ergießen. Der Himmel ist ein grauer Sack. Die Veranda beherbergt neben uns eine ganze Menagerie. Da wohnen auf Ständern, die Herr Tschepe angefertigt hat, vier zahme grüne Papageien, Moses, Heraklit, Männchen und Elias geheißen. Männchen ist so zahm, daß er auf Herrn Leue's Ruf anspaziert kommt und allerhand Kunststückchen macht, z. B. sich auf der flachen Hand seines Herrn »tot« stellt. Die Vögel sprechen nicht, noch schreien sie, was für unsere jeweiligen Fieberpatienten sehr vorteilhaft ist. Die ausgelassensten der Tierbande sind zwei Freunde sehr verschiedener Abstammung, der junge Hund »Kescho« und die Manguste. Letztere, bei uns unter dem Namen Ichneumon bekannt, erscheint mir wie ein Mittelding zwischen Affe und Ratte. Das Tierchen ist so unschön als möglich, aber zahm und zutraulich. Es liegt wie ein Schooßhund am liebsten auf dem Ende meines Kleides, und so oft es von diesem Platz fortgejagt wird, so oft kommt es wieder. Furcht kennt es gar nicht. Neulich stand unsere Tischglocke auf dem Fußboden. Da ging die Manguste hin und untersuchte den unbekannten Gegenstand mit den Pfötchen. Ich dachte: warte nur, wenn es klingelt, wirst Du schon Reißaus nehmen! Aber keineswegs! Das Klingeln schien ihr vielmehr Vergnügen zu machen und sie bewegte fröhlich den Metallklöppel, bis ich die Glocke ihren unbefugten Pfötchen entriß. Die eigentlichen Clowns der Gesellschaft sind aber auch hier die kleinen Affen.

Morgen ist Sonntag. Da räumen wir unsere Veranda zur Kirche um und versammeln Alles, was sich zum Christentum bekennt, zu einem Morgengottesdienst. Der Kawaß Abdallah, der Araber und Mohamedaner ist, aber bedingungslos thut, was sein Herr von ihm verlangt, wird von diesem auch zur Kirche kommandiert. Abdallah freut sich über das Ceremonielle und Feierliche des Vorgangs, das Übrige ist ihm, da er nichts versteht, ganz gleichgültig.

Dar-es-Salaam, d. 5. Sept.

Vieles entbehre ich gern, aber ungern das Wasser. Unser gutes deutsches Mineralwasser ist am Ende, und der Wein geht auf die Neige. Was ist aber auch Wein für einen wirklich Durstigen! Das hiesige Wasser giebt Fieber, darf also nicht getrunken werden. Nach zweimaliger Abkochung ist es zwar unschädlich, hat aber einen so widerlichen Geruch, daß ich dann doch das weichliche Kokosnuswasser vorziehe.

Dar-es-Salaam, d. 7. Sept.

Herr Tschepe leidet an einer Entzündung der Augen, die ihn zu momentaner Untätigkeit verurteilt. Darüber ist der Arme ganz melancholisch. Wir müssen ihn gewaltsam nötigen, im verdunkelten Zimmer zu verweilen. Ich lese ihm jetzt aus Keller's ›Leuten von Seldwyla‹ vor; aber sonderbarer Weise wirkt hier diese Lectüre gar nicht erheiternd, wahrscheinlich weil man sich von den Vorgängen und Anschauungen der deutschen Kleinstadt zu sehr abgetrennt fühlt. Daheim habe ich Thränen gelacht über diese Geschichten.

Dar-es-Salaam, d. 8. Sept.

Die Station besitzt vier Esel, von denen drei zum Lasttragen benutzt werden; der vierte, ein weißer Maskatesel, dient als Reitpferd.

Eines der hübschesten Negerdörfer von Zanzibar bis zum Rowuma ist das zwanzig Minuten von Dar-es-Salaam entfernte Bagamoyo (nicht die bekannte Stadt gleichen Namens). Der Weg dorthin ist wie ein Parkweg, breit und ziemlich gradlinig mit einer Einfassung von Ananasstauden umgeben, führt er durch Wiesen, auf denen die Rinderherden der reichen Indier friedlich grasen. Aus schilfumgebenen Wassertümpeln, dem idyllischen Wohnort giftiger Schlangen, tönt das Quaken des Ochsenfrosches und vereint sich zur friedlichen Abendsymphonie mit dem tausendfachen Gezirpe der Grillen. Rechts und links vom Wege ist die Wiese geschmückt mit prachtvollen Mangobäumen, deren compakte Laubkronen fast den Rasen berühren. Gelbe Blüten umspinnen das dunkle Grün jetzt wie mit Goldfiligran und ein Duft entsteigt ihnen ähnlich dem unserer Lindenblüte. Aus kleinen Vertiefungen ragen die riesigen Sammetblätter saftgrüner Bananen. Blühende Baumwollsträucher, Granaten, Orangen und über diese ragend Gruppen schlanker Kokospalmen vervollständigen das Bild dieser wilden Parklandschaft, wie ich sie ähnlich nur in Mikindani gesehen.

Hier reite ich zuweilen gegen Sonnenuntergang auf dem Maskatesel. Ich belausche dabei gewöhnlich einen frommen Muselmann, der in wallendem, weißen Gewand auf dem Dach seines Hauses steht und unter vielen Verneigungen Koranverse absingt. Dann bildet der rotgoldene Abendhimmel mit den scharfen Silhouetten einzelner Palmen und dem Aufblitzen des hier und da durchschimmernden Meeres einen Hintergrund, der an die Heiligenbilder auf den bunten Glasfenstern der Kathedralen erinnert. Es ist wirklich märchenhaft.

Dar-es-Salaam, d. 10. Sept.

Ich habe auf der Station den regelmäßigen Gebrauch von Eno's Fruchtsalz eingeführt, als Vorbeugungsmittel gegen die Gallenbeschwerden, mit denen wir hier beständig zu kämpfen haben. Das Schwierige ist auch hier der Mangel an Trinkwasser. Wir helfen uns mit dem wasserklaren Saft der Kokosnüsse, von denen Herr Leue anfangs zwar nichts wissen wollte, aber Not lehrt beten. Er hat sich rasch bekehrt. Der Kokosnußsaft schmeckt wie Zuckerwasser mit einem Nußbeigeschmack, anfangs fade, aber erfrischend, wenn man daran gewöhnt und durstig ist.

Dar-es-Salaam, d. 12. Sept. 1887.

Eben kam einer dieser schwarzen Hanswurste zu mir und bat mit jämmerlicher Miene um »Daua«. Er war in dem leichten Kostüm erschienen, das wir »blouse au naturel« nennen, zeigte auf seine Brust und seufzte kläglich, dieselbe sei »hawesi sana!« (sehr krank). Voll Mitleid ging ich nach der Apotheke, um ihm ein Dover'sches Pulver zu holen. Als ich aber wieder kam, wahrscheinlich früher als der Schwerkranke vermutete, fand ich meinen Ali mit der Dienerschaft lachend und Witze machend, daß der Schlingel sich mit den weißen Zähnen in beide Ohren zu beißen schien. Sowie er mich bemerkte, wurde höchst naiv und ohne jeden Übergang wieder die Duldermiene aufgesetzt.

Gestern trat ein langer, sorgfältig gekleideter Schwarzer bei mir an und überreichte mir einen Brief von meinem Bruder. Albrecht schrieb:

»Ich werde morgen per Sultansdampfer Nyanza nach Bombay fahren und dann in die Berge; denn man hat mir Klimawechsel und Bergluft verordnet. In drei Monaten komme ich wieder. Wird man hier nicht blasiert? Heute hatte ich etwa folgende Unterhaltung mit dem italienischen Consul Filonardi: »Guten Morgen«. – »Wie geht es Ihnen? Besser?« – »Danke; fahre morgen ein bischen nach dem Himalaya.« – »Wollen Sie vorher bei mir frühstücken?« – »Gern; wieviel Uhr?« – »Elf.« – »Werde kommen, adieu.« Ich will Dir Abdallah während meiner Abwesenheit lassen, wenn Du ihn brauchen kannst. Ich habe ihn über ein Jahr in meinem Dienste, und möchte ihn nicht gern verlieren etc.«

Abdallah, der mit seinem äußerst ehrbaren Gesicht wartend vor mir stehen geblieben war, mußte mir von der Abreise seines Herrn erzählen. Er hatte die letzte Nacht an Bord der Nyanza zugebracht; Abdallah wird, so lange er bei mir ist, Carl Schmidt heißen, denn er ist die schwarze Ausgabe eines Jünglings dieses Namens aus meinem Heimatsdorfe Ingersleben. Abdallahs und Abdullahs laufen hier schon zu viel herum.

Dar-es-Salaam, d. 14. Sept.

Täglich kommen Araber, Indier und Schwarze mit allerlei Krankheit behaftet und verlangen Heilung, vor allem aber »Daua« d. h. Medicin. Mit den einfachen Hülfsmitteln von Diät, Luft und Wasser (äußerlich angewandt!) ist bei diesen Leuten nichts zu machen. Sie bringen Glauben und verlangen Wunder. Ein von Unreinlichkeit strotzendes und darum mit Ausschlag behaftetes Indierkind wusch ich vor den Augen des zärtlichen Vaters mit warmem Wasser und in Ermangelung von anderer, mit meiner eigenen Waschseife. Darauf empfahl ich dem Vater dringend, diese Waschungen mit beliebiger Seife täglich, womöglich zweimal vorzunehmen. Der gute Mann ließ sich aber nicht davon abbringen, die Heilkraft allein in der von mir gebrauchten Seife zu suchen und ließ mir keine Ruhe, so daß ich endlich, um ihn nur los zu werden, ein Stück von meiner armen Seife abschnitt und ihm mitgab.

Ich gehe fast alle Tage nach dem neuen Haus hinüber, in dem uns ein fünffenstriges, gesund gelegenes Zimmer zum Krankenzimmer und ein Turmstübchen zur Apotheke überlassen worden ist. Leider gehen die Reparaturen nur langsam vorwärts. Viel zu thun ist hier nicht für uns; denn seit wir hier sind, ist bis auf leichte, sich regelmäßig wiederholende Fieberfälle, Gott sei Dank Alles gesund. Eine Pflegerin wird, solange Frau und Nichte des Missionars zu gelegentlicher Aushülfe bereit sind, in Dar-es-Salaam völlig ausreichend sein.

Dar-es-Salaam, d. 16. Sept.

Gestern ließ Herr Leue durch Ali Amadi, den gebildeten Diener, der mit Herrn Paul Reichardt in Berlin gewesen ist, den Wali nebst seinem Secretär Abdullah zum Abendessen einladen. Die Herrn Araber, die das Ehrende einer solchen Einladung voll zu würdigen wußten, erschienen im vollen Waffenschmuck ihrer malerischen Tracht, fühlten sich aber nichts weniger als behaglich. Herr Leue bat Herrn Missionar Greiner, den Herren auf arabisch zu sagen, sie möchten thun, als ob sie zu Hause wären, und sich nicht um Gabel und Messer kümmern. Da lächelten die Gäste würdevoll und griffen mit den Fingern in das Hühnerragout. Während wir Wein tranken, wurde ihnen Kokosnußwasser eingeschenkt. Herr Leue sprach ihnen sein Bedauern darüber aus, daß sie sich einen so herzerfreuenden Genuß, wie den des Weines, entgehen lassen müßten, und fragte, warum ihnen dies Verbot gegeben worden sei? Der Wali antwortete: »Wein in Mäßigkeit genossen erheitert zwar des Menschen Gemüt; aber der Prophet, dessen Name gelobt sei, wußte, daß wir zu schwach sind, um Maß zu halten und daß wir in der Unmäßigkeit den Tieren gleich werden.«

Da Abdullah, ein intelligenter junger Mann, noch in derselben Nacht nach Zanzibar abreist, gaben wir ihm Briefe und Grüße mit. Abdullah hat uns häufig abends besucht, teils mit, teils ohne Freund, um sich Daua zu erbitten. Merkwürdiger Weise sind die Bewohner von Dar-es-Salaam vielfach brustleidend. Der Wali und sein Secretär husten um die Wette.

Sobald wir Kaffee getrunken hatten, baten die Herren Araber sich empfehlen zu dürfen. Das Souper war für sie eine beschwerliche Ceremonie gewesen und sie dankten gewiß ihrem Gott, als sie es überstanden hatten.

Heute kam ein Araber aus Bagamoyo (der Stadt), und reclamierte einen der Feldarbeiter der Station als seinen Sclaven. Derselbe sei ihm vor drei Jahren entlaufen und nun auf einmal hier aufgetaucht. Herr Leue ließ den Burschen holen und fragte ihn, ob sich die Sache so verhielte, wie der Araber behauptete. Der junge Mann, ein bescheidener anständiger Mensch und guter Arbeiter, gab zu unserem Bedauern ohne weiteres alles zu. Herr Leue hatte wenig Lust, den armen Burschen auszuliefern und entschied sich dahin, den Fall vor den Wali zu bringen. Der Wali ließ sagen, er werde sich sofort einfinden und erschien, während wir beim Essen saßen, mit seinem Begleiter. Der Entlaufene, der bis dahin bewacht worden war, wurde vorgeführt. Der Wali unterzog ihn einem kurzen Verhör. Mir gefiel die natürliche Würde des Arabers, der seine Fragen in leisem, sanften Ton stellte und dabei, ohne streng zu thun, durch seine Unbeweglichkeit Respect hervorrief. Er erkundigte sich nach des Burschen Herkunft, seiner Heimat, seinen Verwandten etc. Der junge Mann antwortete präcis und wie Einer, der nichts zu verheimlichen sucht. Er erlaubte sich sogar einmal eine scherzhafte Bemerkung, die den Wali und seinen Begleiter zu wohlwollendem Lächeln veranlaßte. Darauf wurde der Angeklagte wieder abgeführt und Herr Leue frug den Wali, was er zu diesem Fall denke? Dieser sagte, da Vater und Mutter des Burschen freie Leute seien, so könne auch er nicht Sclave von Geburt sein, sondern wahrscheinlich sei er geraubt worden, was er auch selbst sage. Herr Leue antwortete, es sei natürlich seine Absicht Gerechtigkeit walten zu lassen und er wolle Niemand sein rechtmäßiges Eigentum vorenthalten. Wenn aber der Wali feststellen könne, daß der in Frage stehende Jüngling nicht Sclave sei, so geschähe ihm damit ein großer Gefallen etc. Da meinte der Wali, der Ausgang dieser Angelegenheit würde wesentlich von dem klugen Verhalten des Burschen selbst abhängen. Er werde sofort Leute ausschicken, um die Verwandten aus deren Dorf Mtoni kommen zu lassen und morgen Gerichtssitzung halten.

d. 17. September.

Die Verwandten des Jünglings waren bereits heute Morgen zur Stelle, also muß der Wali seine Boten in der Nacht geschickt haben. Herr Leue hat der großen Gerichtssitzung etwa eine Stunde lang beigewohnt. Er erzählte dann, der Vater sei ein Schafskopf; aber da sei ein Oheim mitgekommen, der habe sich für den Neffen gewaltig ins Zeug gelegt. Der Besitzer des Entflohenen und dessen Freund hätten auf der anderen Seite einen heillosen Lärm gemacht, um zu ihrem Rechte zu gelangen. Der Wali hat die Sache vertagt. Er will zunächst nach Bagamoyo schicken und den Händler herbeischaffen, von dem der Kläger den Burschen gekauft haben will.

Dar-es-Salaam, d. 20. Sept.

Sejid Madjid hat, als er diesen Hafen zu seiner Residenz erkor, hier einen Wald von Kokosnußpalmen anpflanzen lassen, der sich etwa eine Stunde weit in der Ebene hinzieht. Wenn ich in dem mäßigen Waldesschatten auf dem weichen Sandboden gehe, rings um mich her Baumstämme und nichts als Baumstämme, so fühle ich mich in den Grunewald versetzt. Hat unser Maskatesel nichts für die Station zu thun, so reite ich vor dem Morgenkaffee mitunter durch den Wald nach der Schamba. Dies ist eine Oase. Um den durch einen Quell gebildeten, mit Schilfpflanzen und Papyrus angefüllten Weiher, den Lieblingssitz der von den Schwarzen sehr gefürchteten kleinen Giftschlangen, bedeckt üppiges Grün den Sandboden. Ein Stacket umgiebt Weiher und Wiese. Hier weiden die Rinder und Schafe der Station, sowie auch die Eselin »Johanna«.

Heute Morgen machte ich die Erfahrung, daß man das Naturell der Maskatesel nicht unterschätzen darf. Da ein Damensattel selbstverständlich zu den hier unbekannten Gegenständen gehört, reiten wir auf einer Decke, ohne Steigbügel, also ohne jeden Halt. Das ging bis heute ganz vortrefflich und ich hatte nie die geringste Sorge. Heute Morgen nun, als ich von der Schamba zurückkehrend, im Begriff war, in die erste Indergasse Dar-es-Salaam's einzulenken, fing es an zu regnen. Ich ließ den Zügel fallen und machte mir mit beiden Händen an meinem Schirm zu schaffen. Als dieser aber beim raschen Aufspannen etwas krachte, wurde mein Reittier plötzlich wild und that einen jähen Sprung zur Seite. Da ich auf ein derartiges Manöver gänzlich unvorbereitet war, fiel ich sofort hinten über. Es gelang mir eben noch, dieser unfreiwilligen Beugung nach rückwärts so weit nachzuhelfen, daß ich, den aufgespannten Schirm in den Händen, der ganzen Länge nach zwar, aber doch unbeschadet auf die Erde zu liegen kam. Der feurige weiße Renner sauste unterdessen über die Ebene, dem Walde zu, denn sein Herz trieb ihn nach der Schamba, wo Johanna, seine Freundin, graste. Questenberg, der schwarze Stallknecht, der uns auf unseren Spazierritten zu Fuß begleitet, lief, was er laufen konnte, hinter dem Ausreißer her und war, als ich mich aufrichtete, schon in weiter Ferne. Das Schicksal seines Pflegebefohlenen beunruhigte ihn natürlich ungleich mehr, als das meine. Bald verschwanden Beide im Palmenwald. Ich mußte, beschämt über meinen Leichtsinn, mit dem zum Glück unzerbrochenen Übelthäter von Schirm zu Fuß nach Hause pilgern, gelobte aber im Stillen, in Zukunft dem Temperament einer edlen Rasse etwas mehr Rechnung zu tragen.

Zwei Stunden später erst führte Questenberg den endlich eingefangenen Ausreißer in den Stall zurück.

Dar-es-Salaam, d. 22. Sept.

Gegen Abend fahren wir täglich ins offene Meer hinaus, um durch Einatmen der kräftigen Salzluft uns gegen das Fieber widerstandsfähiger zu machen. Mit Kreuzen jeden Windstoß ausnutzend, gelangen wir meist, ohne die Riemen in Bewegung zu setzen, durch die enge Öffnung des Hafens. Schon der Anblick der weiten leuchtenden Wasserfläche wirkt nervenstärkend. Dann schäumen die vom Kiel durchschnittenen Wellen zischend um das Boot, wie Champagner, und die salzigen Wassertropfen fallen wie ein Sprühregen auf uns nieder. Neben Herrn Leue, dem »bana mkubua« von Dar-es-Salaam, der den Sonnenschirm in der einen, das Steuer in der anderen Hand hält, sitzt der zierliche Mandoa, die geladene Büchse schußbereit. Regt sich etwas im Gestrüpp am Strande, oder blinkt zwischen dem Gezweig die weiße Brust eines Wasservogels, so gerät Mandoa in Aufregung wie ein guter Jagdhund und sieht seinen Herrn herausfordernd an, bis dieser zum Gewehr greift. Dann knattert ein Schuß oder zwei und von den Hügeln schallt das Echo zurück, oder wenn der Schuß einem Tümmler galt, springt die Kugel wie ein Gummiball wieder und wieder aufschlagend auf dem Wasser hin. Sämtliche Asikari, die, während Segel und Wind sie vom Rudern dispensieren, plaudernd umhersitzen, verfolgen mit lebhafter Teilnahme den Vorgang.

Am Horizont sieht man als eine Zackenlinie die schaumgekrönte Dünung der hohen See. Zuweilen erscheint dort ein schneeweißer Punkt, der langsam größer wird und endlich als leuchtendes Segel sich scharf vom Himmel abhebt. Dann fragen wir jedesmal: »Kommt die Dau von Zanzibar?«, worauf die Asikari antworten: »von Zanzibar« (suaheli = ja Ungudja). Oder sie sagen: »Es ist ein Fischerboot.« In Zweifel sind sie eigentümlicher Weise nie. Das Fischerboot läßt uns gleichgültig; ist es aber eine Dau von Zanzibar, so segeln wir ihr entgegen, weit hinaus, wenn Wind und Wellen es erlauben. Bald hört man ein dumpfes Trommeln, das ist die »ngoma«, mit der sich die Schifffahrer die Zeit vertreiben. Der Trommelwirbel ist schon aus weiter Ferne vernehmlich und klingt fast unheimlich; die begleitende Pfeife hört man erst viel später. Haben wir die Dau erreicht, so rufen wir dem Kapitän zu, ob er eine »Post« für uns habe? Zuweilen reicht man dann ein mit Bindfaden umwickeltes Packetchen ins Boot hinüber, über dessen Inhalt wir uns gierig hermachen. Ist nichts für uns da, so verachten wir die Dau und fahren resigniert weiter. Dann geht die Sonne unter. Wir nehmen die Flagge ab und wickeln sie zusammen. Das Rot am westlichen Himmel erlischt rasch und der Wind legt sich vollständig. Das Segel wird gerefft und die Ruder, die in sicherem Takt das Wasser teilen, wirbeln mit jedem Schlage tausend diamantgleiche Funken auf. Zuweilen springt in unserer Nähe ein Delphin hoch in die Luft und senkrecht ins Meer zurück. Diese Tiere scheinen die Zeit nach Sonnenuntergang gymnastischen Übungen zu widmen.

Zanzibar, d. 1. Okt. 1887.

Da mir die Herren der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft in der zuvorkommendsten Weise geholfen haben, ist es mir gelungen, ein nicht weit von der Stadt am Meere gelegenes Haus zu mieten. Es ist umgeben von herrlichen Bäumen, schattig und still, also für Kranke und Erholungsbedürftige der geeignetste Aufenthalt. Ich werde dort, wenn ich von Deutschland aus genügende Unterstützung erhalte, eine Apotheke einrichten, um die einzelnen Stationen stets mit den notwendigen Medicamenten etc. versorgen zu können. Nach und nach können wir hoffentlich auf jede der Küstenstationen eine oder zwei Pflegerinnen setzen und ihnen die Ausrüstung für ein den sanitären Anforderungen nach Möglichkeit entsprechendes Krankenzimmer mitgeben. Auch hier sollen mehrere Zimmer für Kranke oder Reconvalescenten bereit gehalten werden.

Unsere Östreicherin hat inzwischen einen kleinen Jungen bekommen und befindet sich unter der Obhut der Hospitalschwestern ganz wohl. Es ist ein anmuthiges Bild, wenn die kleine, zarte »mère supérieure« das winzige Wickelkind auf den Armen hält und mit zärtlichem Stolz in den großen Augen auf das dumme Gesichtchen niedersieht. Ein so junger Pflegling mag selten ihrer Hut vertraut werden! Der Naturforscher ist auf einige Wochen hier gewesen, um seinen Sohn kennen zu lernen; aber zum Leidwesen der jungen Frau ist er wieder auf den Continent zurück. Er hat sie freilich samt dem Kindchen in die Wildnis mitnehmen wollen; – man weiß nicht, soll man solchen absoluten Idealismus bewundern oder ihn belächeln! Die Missionen, beide, die katholische und die englische, haben diesen zuversichtlichen Jünger der Wissenschaft fast mit Gewalt von diesem Vorhaben abgebracht. Die hiesigen Damen sind übrigens ganz erstaunt, daß ich bei dem wiederholten Küstenwechsel doch noch nicht den üblichen Tribut an Fieber gezahlt habe. Sie meinen, innerhalb elf Tagen solle ich mit Bestimmtheit auf einen Anfall rechnen. Ich glaube aber nach allem, was ich bis jetzt unangefochten durchgemacht habe, daß ich außerordentlich wenig zum Fieber disponiere.

d. 5. October 1887.

Bei dem hier stets nur zwölf Stunden dauernden Tag und der Hitze während desselben ist es ratsam, die Morgenstunden zu benutzen, was die Freunde auch stets thun. Es ist vorgekommen, daß Ramassan um sechs Uhr morgens schon an meine Thüre klopft mit der Meldung, die Herren säßen unten im Boot und ließen fragen, ob ich nicht Lust hätte, mich an der Fahrt zu beteiligen. Diese Botschaft weckt mich aus tiefem Schlaf; das Frühaufstehen war immer meine schwächste Seite. Ich halte indessen Fahren auf dem Meer für das beste Vorbeugungsmittel gegen Fieberzustände und versäume deshalb nicht gern eine Gelegenheit dazu, trotzdem ich selbst im Boot nicht vor Anwandelungen des leidigen Seeübels sicher bin. Am angenehmsten ist die Fahrt, wenn Herr Consul O'Swald den Kapitän macht; denn er ist ein halber Seemann, kennt jeden Fleck im Hafen und ist ebenso gewandt wie ruhig und besonnen. Regiert dagegen Herr Dr. Peters das Segel, so mache ich mich jedesmal auf ein unfreiwilliges Wellenbad mit zweifelhaftem Ausgang gefaßt. Dann pflegt unser kleines Boot ganz auf der Seite zu liegen und macht bei Wendungen und beim Manövrieren mit dem Segel bedenkenerregende Bewegungen. Vor dem Ertrinken fürchte ich mich nicht sehr, ich kann sogar ein wenig schwimmen, dagegen denke ich es mir sehr unangenehm, von Haifischen aufgefressen zu werden. Die Offiziere des Nautilus behaupten allerdings, es befänden sich zur Zeit nur zwei Haifische im Hafen, Karl und Anton geheißen. Die seien mit dem letzten von Arabien heimkehrenden Pilgerschiff hereingekommen. Anton sei gutartig, Karl habe dagegen erst vor Kurzem einen Neger aufgefressen.

Thatsache ist, daß die Haifische sich den von Norden kommenden Pilgerschiffen anschließen. Der fromme Sultan Bargasch ben Said giebt so viel Pilgern, wie das Schiff aufnehmen kann, freie Überfahrt nach Arabien und läßt an Reis und Kokosnüssen so viel an Bord schaffen, daß die Gläubigen eine ganze Weile davon leben können. Da der Sultan bis auf einen Araber lauter deutsche Kapitäne hat, so werden auch diese Pilgerschiffe meist von einem Deutschen commandiert. Herr Kapitän Jürgensen erzählte mir Schauerliches von der Rückfahrt eines solchen Schiffes. Die Gläubigen, die sich als Deckpassagiere durch hervorragende Unsauberkeit auszeichnen sollen, haben auf der Reise vom Hafen nach Mecca und zurück gewöhnlich, was sie an Geld und Mundvorrat noch besaßen, aufgezehrt. Dann entstehen an Bord Hunger und Epidemien. Die über Bord geworfenen Leichen ziehen die Haifische an, und diese ungemütlichen Tiere halten mit den überlebenden Pilgern ihren Einzug im Hafen von Zanzibar.

d. 12. October.

Fieber habe ich bis jetzt nach Ablauf der kritischen elf Tage noch nicht bekommen, obwol ich den Rat der Hospitalschwestern, am neunten und zehnten Tage nach meinem Eintreffen hier Chinin zu nehmen, in dem allmälig gewonnenen Gefühl der Sicherheit nicht befolgte. Heute aber habe ich vor Ungeduld und Ärger geweint. Man braucht nur etwas Dringendes vorzuhaben, wobei man auf hiesige Zwischenhändler angewiesen ist, so lernt man ein Lied von der Unzuverlässigkeit und unbesiegbaren Indolenz dieser Orientalen singen! Mir liegt so viel daran, bald in die gemietete Schamba überzusiedeln und ich komme nicht mit den vorbereitenden Arbeiten von der Stelle.

d. 15. October.

Mohamed ben Salim ist gestorben. Dieser Premierminister des Sultans war erst ein Dreißiger und sein plötzliches Ende giebt zu allerhand dunklen Mutmaßungen Anlaß. Er soll sich die Ungnade seines Herrn zugezogen haben. Er hat einen Tag vor seinem Ende an Herrn Dr. Peters eine Botschaft geschickt mit der Bitte, dieser möge sich persönlich zu ihm bemühen, er habe ihm etwas mitzuteilen. Herr Dr. Peters verschob den Besuch auf den nächsten Tag; inzwischen war aber der Araber gestorben. Im Volke war der Verstorbene gefürchtet und beliebt. Der lange Abdallah (Karl Schmidt), ein Juwel von einem Diener, der sonst kein überflüssiges Wort redet, blieb heute beim Spaziergang plötzlich vor mir stehen, wandte sich nach mir um und sagte mit düsterem Ernst: »Bibi! Mohamed ben Salim kaputto«. Das letzte Wort haben sich die Schwarzen von uns angeeignet und gebrauchen es mit Vorliebe. Auch unser »ja« gefällt ihnen so gut, daß sie es nicht nur im Verkehr mit uns, sondern auch unter einander anwenden.

Insel Zanzibar. Schamba,
d. 25. October.

Gott sei Dank, ich bin in meinem Hause und mit der Einrichtung desselben so ziemlich fertig! Die neugeflochtenen Matten liegen auf den Stubenböden, die Möbel stehen an ihrem Ort, Wäsche und Verbandzeug, säuberlich geordnet, füllt in großen Haufen die Schränke; sogar die Fenstervorhänge sind genäht und aufgesteckt. Das an sich sehr hübsche Haus sieht nun so sauber und freundlich aus, daß es eine Freude ist, darin umherzugehen. Die vielen großen Kisten mit Wäschegegenständen und Küchenutensilien, die mit dem letzten Schiff von Berlin geschickt worden, sind auf den Schultern schwarzer Pagazi zu mir hinausgewandert; man hörte den tactmäßigen Gesang schon von weiter Ferne und bald unterschied ich an der Art des Atemholens zwischen dem Singen, sowie am Tempo, ob eine schwerere Last zu erwarten war, oder eine leichtere. Je schwerer die Last, desto schneller und abgebrochener tönte der Gesang. Hier angekommen, speculierten die meist nur mit dem Lendentuch bekleideten Jünglinge auf meine Gutmütigkeit und stellten sich, als ob sie heftige Leibschmerzen hätten. Ich hatte nämlich einem unter ihnen, der wirklich Magenschmerzen zu haben schien, etwas Cognac verabreicht. Auf eine sofort ausgebrochene Epidemie konnte ich mich natürlich nicht einlassen, ich gab jedoch den Hanswursten, um sie zu trösten, pro Mann zwei der aus Berlin erhaltenen Pfeffernüsse, und das befriedigte sie auch.

Beim Auspacken der Kisten, was auf der unteren Veranda vorgenommen wurde, umstanden uns die Diener voll Neugierde und äußerten naive Bewunderung für jeden unbekannten Gegenstand aus »Uleija« (Europa). Auch das Füllen der Bettkissen mit Kokosnusfasern haben wir auf der zu ebener Erde gelegenen Veranda besorgt.

Mit dem Kisuaheli, das hier überall die vermittelnde Sprache bildet, komme ich freilich noch nicht weit. Die feuchte Hitze, diese wahre Treibhaustemperatur, wirkt so erschlaffend, daß man sich wenig zu Sprachstudien aufgelegt fühlt. Freilich würde mich die Notwendigkeit zwingen, endlich ernsthaft zu lernen, wenn ich nicht eine Haushälterin hätte, die nach jeder Richtung hin ein Wertobject ist. Ich habe sie sowol wie den Diener Boheti und den Küchenjungen Hamed der Station Dar-es-Salaam ausgeführt. Frau Glühmann ist von Geburt Griechin. In dem deutschen Waisenhaus der Kaiserswerther Diakonissen in Jerusalem »Talitha Kumi« hat sie ihre Erziehung erhalten und ist dann in Kairo als Köchin bei dem dortigen evangelischen Geistlichen gewesen. Dort und wol auch schon in Jerusalem hat sie arabisch gelernt, was sie fließend spricht, wenn auch in anderem Dialect als die Araber hier. In Kairo hat sie ein Deutscher, Namens Glühmann, der als Krankenwärter am dortigen deutschen Hospital angestellt war, geheiratet. Das junge Paar hörte von der hiesigen Kolonie, und von dieser alles Heil erwartend, verließen sie Kairo und kamen mit ihren Ersparnissen nach Zanzibar. Hier wollte sich indessen eine ihren Wünschen entsprechende Stellung nicht finden, vielmehr mußten sie dem ungewohnten Klima, das ebenso feucht ist, wie Ägypten trocken, reichlichen Tribut zahlen. Die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft nahm sich ihrer an, soweit sie konnte. Ich kaufte ihnen zur Einrichtung unserer Pflegestation in Dar-es-Salaam ab, was sie an Hausgerät und Betten besaßen. Da mir sowol Baron Gravenreuth wie auch Herr Missionar Greiner die Leute warm empfahlen, habe ich sie immer im Auge behalten. Jetzt haben sie sich in den Parterre-Zimmern meines Hauses wohnlich eingerichtet und die Frau unterstützt mich aufs Beste. Sie führt die Wirtschaft, beaufsichtigt das Kochen, wobei sie den als Küchenjungen fungierenden Schwarzen, Namens Hamed, zum Koch anlernt, und da sie sich mittlerweile auch mit der Suaheli-Sprache vertraut gemacht hat, vermittelt sie den Verkehr zwischen mir und der hiesigen Bevölkerung. Sie hat alle vierzehn Tage Fieber, welches jedoch selten länger als einen Tag dauert und nicht mit Heftigkeit auftritt. Ihren Mann hat Herr Dr. Peters zunächst als Krankenwärter für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft angestellt, doch soll er hier wohnen. Er kann auf diese Weise mit seiner Frau zusammensein und wir haben in unserer einsam gelegenen Schamba den Schutz eines Europäers. Glühmann ist nach Pangani gereist, um den dort schwer erkrankten Dr. Spuhn zu holen.

d. 1. Nov. 1887.

Glühmann ist zu unserem Schmerz allein zurückgekehrt. Als er nach Pangani kam, war Herr Dr. Spuhn bereits seinen Leiden erlegen. Der Kranke hatte, wie das grade bei den Deutschen öfters vorkommt, hartnäckig das ihm gebotene Chinin zurückgewiesen, grade wie seinerzeit Herr Regierungsbaumeister Wolff. Neulich besuchte mich der Vorsteher der hiesigen katholischen Mission, Père Acker, und ihm sprach ich über die Bedenken, die von deutscher Seite so häufig gegen das Chinin erhoben werden. Er teilte sie nicht und meinte, die organischen Veränderungen, die wir dem Chiningenuß zuschreiben, seien eine Folge des Fiebers, nicht des Chinins. »Ich habe schon Manchen am Fieber sterben sehen,« sagte er, »aber noch Keinen am Chinin.«

Ein Herr Julius Hensel, »Lehrer der angewandten, organischen Chemie«, hat mir eine Kiste mit Salzen geschickt (biammonium phosphat, Hämolin-Eisen und calcium magnesium) und dieselben in einem ausführlichen Begleitschreiben als bewährtes, dem Chinin weit vorzuziehendes Mittel gegen das Malariafieber empfohlen.

Bis jetzt habe ich mit diesen Henselschen Salzen bei den Europäern freilich nichts ausgerichtet. Herr Missionar Greiner, dem ich in Dar-es-Salaam während eines mit Schüttelfrost verbundenen Fieberanfalls anriet, das jedenfalls unschädliche »Nervensalz« (biammonium phosphat) einmal zu probieren, wies diese Zumutung mit Entrüstung zurück! »Hebe Dich von mir, Satanas!« Hier, wo es sich so oft um Leben und Tod handelt, fühlt man sich im Allgemeinen zum Experimentieren nicht aufgelegt. Die in unserem an Gedankenarbeit reichen Vaterland gemachten Entdeckungen in die Praxis zu übertragen, das müssen wir einem vertrauenswürdigen deutschen Arzt überlassen. Hoffentlich schickt man uns bald einen solchen.

Meine leichten Fieberfälle behandle ich so: der Patient muß schwitzen, je mehr, desto besser. Dabei sinkt die Temperatur fast immer und er erhält ein Gramm Chinin. Am nächsten Tag, wenn die Blutwärme normal ist, erhält er noch ein halbes Gramm. Wer die Anfälle regelmäßig bekommt, wie Frau Glühmann und die Familie Greiner, muß, solange er meiner Obhut anvertraut ist, täglich ein Glas Chinawein trinken. Bei Galligkeit ist Eno's Fruchtsalz das Universalmittel.

d. 2. Nov. 1887.

Ich habe hier von allen Seiten den Blick ins Grüne. Eine wahre Wildnis von Mangobäumen und Palmen umgiebt mich. Rechts vom Hause ist der Hühnerhof, in welchem zur Zeit siebenunddreißig Hühner des Gebraten-, bez. Gekochtwerdens warten. Wir essen selten ein anderes als Hühnerfleisch und nur seine Zubereitung bietet Variationen. Daneben haben wir rohen Schinken, der sich zu meiner Verwunderung recht gut hält. Links liegt der Gemüsegarten, in den wir bereits Salat und Radieschen ausgesäet haben. Dort wachsen Melonen und Gurken, Papaïs und rote Pfefferschoten. Sogar ein Weinstock schlingt seine Reben um ein Gelände. Wenn die Regenzeit vorüber ist, will ich den von Berlin erhaltenen Blumen- und Gemüsesamen aussäen. Garten und Hof sind auf drei Seiten von dem Ackerland der Schamba umgeben, welches mit Maniok bestanden ist. Ananasstauden bilden die Einfassung des Ackers und der Beete, während eine Reihe dicht nebeneinanderstehender Bananen das Gartenland von den angrenzenden Wiesen trennt. Im Garten und auf dem Felde wachsen zahlreiche junge Orangenbäume, deren gelbgrünes Laub gegen das dunkle der riesigen Mangobäume und das saftgrüne der Bananen lebhaft kontrastiert. Die dichte, niedrige Hecke trennt meine Schamba von einem lang gedehnten Wiesenstreifen, der sich zwischen dem Meer und der Mnasimodja bis nach Zanzibar erstreckt. Vor der Stadt liegt die große Kaserne. Auf der erwähnten Wiese hält General Mathew Truppenrevue ab. Fast allmorgendlich werden dort militärische Übungen vorgenommen, und wenn ich noch halb im Schlafe liege, glaube ich mich beim Hören der kriegerischen Musik und der energischen Kommandorufe nach Berlin versetzt.

Hinter meinem Haus wirft das Meer seine Schaumwellen gegen zackige Korallenklippen. Auf einem vorspringenden Riff liegt so malerisch als möglich eine Station der englischen Mission, Kiungani. Es ist dies meine nächste europäische Nachbarschaft. Morgens, mittags und abends läßt das Glöckchen der dortigen Kapelle sein helles Läuten zu uns herüberklingen. Am Fuße des Kiungani-Felsens unmittelbar am Meere, das hier ziemlich starke Brandung hat, steht ein eigentümlicher langgestreckter Steinbau. Das ist Sr. Hoheit des Sultans Pulvermagazin.

Mein kleiner, zahmer Nachtaffe, Mucki, springt känguruhartig, die lächerlichen Händchen mit den langen Fingern in die Luft streckend, durch die Zimmer. Klapp, klapp, geht es immer, wenn die Hinterfüßchen nach weitem Luftsprung den Boden berühren. Mucki ist sehr zutraulich. Am liebsten klettert er mir auf die Schulter und jetzt beißt er grade ganz frech am Federhalter, mit dem ich schreibe.

d. 4. November 1887.

Heute besuchten mich zwölf Banjaninnen mit etlichen Kindern. Der etwa fünfzehnjährige Sohn meines Hauswirtes, Djeta Vali, geleitete die Damen hierher. Bei solchen Visiten macht Frau Glühmann den Dragoman. Mein großes Empfangszimmer füllt sich an mit zierlichen gelbbraunen Indierinnen. Es dauert eine geraume Weile, bis ich Allen in Erwiderung des schmeichelnden »Jambo, bibi, jambo!« die Hand gegeben habe. Abdallah und Boheti schleppen Stühle herbei und Alle nehmen Platz. Nun beginnt die Unterhaltung. Die anmutigste der jungen Frauen erzählt mir in harmloser Anschaulichkeit eine Krankheitsgeschichte, deren Details von Frau Glühmann übersetzt werden. Dabei hilft der junge Sohn des Djeta, der ein bischen englisch versteht. Dinge, über die bei uns der wohlerzogene Arzt seine Patientin im Flüsterton befragt, werden hier laut im Salon verhandelt, ohne daß es jemandem einfiele, verlegen zu werden. Diese naive Offenheit erinnert wirklich an das Altgriechische. – Ich hole der schönen Dame Arznei und gebe ihr nach meinem besten Verstehen Rat. In Wirklichkeit weiß ich gar nicht Bescheid bei ihrem Leiden, was mich sehr verdrießt, was ich aber nicht merken lassen darf. Die Patientin nimmt voll Dankbarkeit meine Hand und führt sie an Stirn und Augen. Um mein Gewissen zu erleichtern, empfehle ich ihr, den als sehr tüchtig geltenden persischen Arzt zu consultieren; aber sie schüttelt traurig den Kopf. Von einem Mann läßt sie sich nicht behandeln.

Die Banjaninnen tragen kurze, mit handbreiten, glatt anliegenden Ärmelchen versehene Jäckchen in den leuchtendsten Seidenstoffen, die sich der Form des Körpers eng anschließen. Die Oberarme sind mit schweren Goldreifen geziert, davon einige wol zwölf Centimeter breit sind. Sie tragen ferner, wie die Araberinnen, enge, bis auf die Knöchel reichende Beinkleider und um die Fußgelenke ebenfalls schweren Silber- und Goldschmuck. Über diesen unteren Kleidungsstücken befindet sich ein mehr oder minder geschmackvoll drappierter Überwurf von rotbuntem, persischen Muster, der schleierartig den Hinterkopf bedeckt, wie bei der sixtinischen Madonna. Das Vorschieben und Zurückwerfen dieser Umhüllung scheint zu den Lieblingsgesten zu gehören; es wird dabei viel Schalkhaftigkeit und Anmut entwickelt. Die Gesichter, deren Schönheit in den überaus sanften, träumerischen Augen besteht, haben die Damen nach Art der Schönheitspflästerchen aus der Rococcozeit mit Gold- und Silbersternchen beklebt; zwischen den Augenbrauen malen sie einen kreisrunden, zinnoberroten Fleck. Auf meine Frage, was dieser zu bedeuten habe, sagten sie: »dasturi«, d. h. es ist Brauch oder Sitte.

d. 7. November 1887.

Djeta Vali, der Besitzer meiner Schamba, ein reicher Indier, mohamedanischen Glaubens, besucht mich häufig. Er hält das ersichtlich für seine Pflicht als mein Hauswirt. Der würdige Herr, der, wenn er sich zu mir bemüht, stets sein wallendes Staatsgewand trägt, – (er besitzt deren zwei, ein burgunderrotes und ein königsblaues) – schreitet mit feierlichem Gesicht durch alle Zimmer und betrachtet die Einrichtung genau. Dann sagt er: »ah! ngema sana!« und seufzt dazu, denn er denkt wahrscheinlich, für diese jetzt »sehr gut« aussehende Wohnung hätte er mehr Mietgeld verlangen können. Im Empfangszimmer, wo Herr Djeta Platz nimmt, hängen zwei vorzügliche Bilder des Kaisers und des Kronprinzen. Während dem Gast der übliche Scherbet gereicht wird, fühlt er sich veranlaßt, die über diese Bilder erhaltene Lection zu recapitulieren. Er sagt dann: »Dies ist der Sultan der Deutschen und dies ist sein einziger Sohn. Euer Sultan ist 91 Jahre alt und sein Sohn 54.« Ich freue mich, daß er sich Alles gut gemerkt hat und füge als stehende Redewendung hinzu: »unser Sultan ist ein sehr guter Mann.« Darauf sagt Djeta: »Das hast Du gar nicht nötig noch zu sagen. Wenn er 91 Jahre alt ist, kann er gar nichts anderes sein; denn nur einen sehr guten Mann läßt Gott so alt werden.«

Dies ist einmal ausnahmsweise keine Phrase, sondern bei den Mohamedanern innigste Überzeugung. Der Sultan Bargasch ben Said machte vor Kurzem ganz dieselbe Bemerkung in einem Gespräch mit Herrn Dr. Peters.

d. 10. November 1887.

Unser geräumigstes im ersten Stock gelegenes Krankenzimmer ist zum Lazaret umgewandelt. Die Fellachen, die von Ägypten aus herbeigeschafft wurden, um den Tabaksbau auf den deutschen Stationen zu leiten, haben sich als dem Klima viel weniger gewachsen herausgestellt als unsere deutschen Herren, während man gerade das Gegenteil erwartet hatte. Jetzt liegen die armen Menschen hier vom Fieber geschüttelt. Ihr Führer, ein wohlhabender Araber und Tabakspflanzer aus Ismaïla, leidet schon seit Monaten an Dyssenterie und sein Zustand scheint hoffnungslos. Leider habe ich ihn zu spät in die Hände bekommen. Die anderen drei Kranken befinden sich in den fieberfreien Stunden sehr wohl hier. In ihren feuerroten, von unseren Berliner Damen genähten Hemden, sitzen sie mit kreuzweise untergeschlagenen Beinen auf ihren Betten und lachen mich so freundlich an, wenn ich mich nach ihnen umsehe. Sprechen kann ich nicht zu ihnen, denn sie verstehen nur arabisch. Nachdem aber, was ich durch Frau Glühmann höre, ist ihre Ausdrucksweise echt orientalisch. Einer beschwerte sich unwillig, als ihm während des Fiebers kein Brot verabreicht wurde. Als aber der Anfall vorüber war, dankte er in überschwenglichen Redewendungen für die gegen ihn ausgeübte Strenge und gipfelte in den Worten: »wenn Du mir nun sagst, Du wollest mir die Kehle durchschneiden, so soll es mir auch recht sein.«

d. 16. November.

Eben fuhr seine Hoheit der Sultan Bargasch ben Said an dem geöffnet stehenden Thor meines Gartens vorbei. Das ist immer ein glänzender Zug. Voran vier Paar rotuniformierte Vorreiter, dann zwei Offiziere der Leibwache in Schwarz und Gold, alle auf prachtvollen arabischen Pferden. Darauf folgt die geschlossene Equipage des Fürsten von vier schneeweißen Rossen gezogen, dann eine zweite Equipage, in welcher sich vermutlich einige Sultaninnen befinden. Den Schluß machen wieder zwei Paar feuerrote Reiter. Der ganze Zug bewegt sich in sausendem Galopp und ist verschwunden, kaum daß man einen Blick darauf geworfen hat. Der Sultan soll in letzter Zeit sehr alt geworden sein.

Vor Kurzem habe ich mit den Herren Baron Gravenreuth und Baron St. Paul einige reiche Indierinnen besucht, deren Ehemänner sehr darum gebeten hatten. Man tritt von der engen Straße aus in den Laden dieser Großhändler und Millionäre, in einen engen, düsteren Raum. In einer Ecke liegt ein Haufen gewaltiger Elephantenzähne, der nach wenig aussieht, denn die Zähne sind schwärzlich und unsauber, der aber einen ansehnlichen Wert repräsentiert. Die Comptoiristen hocken auf dem Fußboden und haben vor sich auf niederen, in Indien geschnitzten Holzschemeln die Kontobücher liegen, Folianten, in rotem, dem Aussehen nach kostbaren Stoff gebunden. Der Hausherr, der sich jedesmal sehr geehrt fühlte, führte uns dunkle und steile Treppen hinauf nach seinem Salon, der ungefähr aussah wie der Warenraum eines unserer kleinen Kaufleute. Glasschränke mit indischen Luxusartikeln rings an den Wänden; in den Nischen eine Menge Porcellan auf Wandbrettern, meist ein aus deutscher Fabrik stammendes blumiges Muster, wie man es bei uns auf den Dörfern findet. Nun wurden die »Bibis« herbeigerufen. Die Frauen des Djeta Wali kamen auch; aber die des Sewa Hadchi konnten sich nicht entschließen. Sewa, ein höchst intelligenter aber ebenso intriganter Herr, der für europäische Reisende die Karavanen auszurüsten pflegt, hielt uns in Folge dessen einen erbaulichen Vortrag über den himmelweiten Unterschied zwischen europäischen Frauen und Orientalinnen. Eine derartige Visite bietet im Allgemeinen nichts Interessantes, giebt aber den Indiern den Eindruck, daß wir Deutschen es gut mit ihnen meinen.

d. 18. Nov. 1887.

Gute Nachrichten von Dar-es-Salaam. Bertha hat meine Sendung erhalten. Sie hat täglich schwarze, arabische und indische Patienten; daneben beaufsichtigt sie die Küche der Station. Die Herren Leue und Tschepe sowie Herr Missionar Greiner und seine Damen sind Gott sei Dank alle wohlauf.

Herr Dr. Bley aus Usungula und Herr Schroeder von der Plantagengesellschaft sind auf kurzen Urlaub in Zanzibar gewesen. Beide arbeiten mit wahrem Fanatismus daran, ihre Niederlassungen zu Musterstationen zu machen.

Herr Dr. Bley hat von Usungula einen Baumstamm mitgebracht, dessen ebenholzschwarzes, festes Holz ihm der Beachtung wert scheint. Mein Bruder ist auf dem Rückweg von Indien hierher begriffen, hat aber in Magadoxa den Dampfer gewechselt, um die dem Sultan tributpflichtigen Häfen der Somaliküste zu besichtigen.

Es ist eine wahre Genugthuung für deutsches Nationalgefühl, das einmütige Schaffen und das energische, ernste Vorwärtsstreben unserer Kolonialbeamten zu beobachten. Man sagt im Allgemeinen: wo drei Deutsche sind, da sind auch drei auseinandergehende Meinungen. Die Beamtenschaft unserer Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft bietet gegenwärtig, Gott sei Dank, ein entgegengesetztes Bild. Es sind da ja so ziemlich alle deutschen Gaue vertreten: Lauenburger und Hamburger, Ostpreußen, Mecklenburger, Schlesier, Berliner, Sachsen, Thüringer, Baiern und Würtemberger. Alle stehen aber für einen Mann. Dieser musterhafte Corpsgeist erweckt begründeter Weise bei den Außenstehenden ein Gefühl von Unbehagen, das bei den uns auf Schritt und Tritt mit Argusaugen bewachenden Engländern täglich zu wachsen scheint.

d. 20. Nov. 1887.

Ardili Effendi ist gestorben. Ich habe nichts versäumt, um den armen Mann seiner in Ismaïla zurückgelassenen Familie zu erhalten und der gute Dr. Marseille hat, obwol er wußte, daß die Mühe vergeblich war, täglich den weiten Weg zu uns hinaus gemacht. Glühmann hat sich während der sehr schweren Pflege musterhaft benommen.

Ardili Effendi hat während seiner dreimonatlichen Krankheit nach Aussage seiner Untergebenen alles gegessen, was ihm in den Weg kam, insonderheit Mangos und andere, schon Gesunden nicht sehr heilsame Früchte. Mit etwas mehr Vorsicht hätte die eiserne Natur des Ägypters ohne Zweifel über die Krankheit den Sieg davongetragen. Sein Grab ist am Strande des Meeres, in der Nähe meines Gartens.

d. 22. November.

Wenn mich des Nachts die Hitze einmal nicht schlafen läßt, habe ich, wie das in letzter Nacht der Fall war, eine Reihe von eigenartigen Concerten. Um Mitternacht ungefähr erhebt ein frommer Muselmann, der eine Hütte am Ende meines Gartens bewohnt, seine Stimme zu lautem Gesang. In eintöniger, mir bereits vertrauter Melodie sendet er seine Koranverse in die Nacht hinaus. Es ist eine junge, klangvolle Stimme. Leise secundiert ein anderer Gläubiger aus der Entfernung. Sein Organ klingt greisenhaft. Die mitternächtige Andacht dauert vielleicht eine Viertelstunde. – Dann ertönt das heisere Gebell eines Hundes; einer seiner Freunde beantwortet es, und nach wenig Minuten hallt es ringsum wieder von wehmütigem, vielstimmigen Geheul der schakalartigen wilden Hunde. Es ist, als suche immer einer den anderen an Jammer zu überbieten – eine schauerliche Fuge! Aber auch diese Sänger verstummen wieder, »ihren Gram begrabend in der untersten Tiefe.« Ich freue mich darüber und schlafe endlich ein. – In wundervollem rötlichen Gold sieht mir durch die offenen Fenster der Himmel entgegen, wenn ich morgens erwache. Das erste Aufleuchten des Tages ist von wunderbarer Schönheit hier. Die Papaïs und Palmenwedel schimmern feucht in dem von den ersten Sonnenstrahlen berührten Nachttau und auf der Schlucht am Kiungani-Felsen lagern blauweiße Nebel. Plötzlich erschallt vielstimmiger Männergesang, so frisch und kräftig und so melodisch dabei, daß ich mir sofort sage: da marschieren Deutsche und singen ein deutsches Lied. Und so ist es auch. Die fröhlichen Sänger sind die Matrosen des »Nautilus«, die in der Morgenkühle am Meeresstrand Übungen machen.

Eben kommen Herr Konsul O'Swald und Herr Dr. Peters durch das Thor gefahren.

d. 23. Nov. 1887.

Als ich gestern Abend mit Herrn Dr. Peters und Herrn Konsul O'Swald beim Abendessen in der Halle saß, meldete Abdallah einen Boten aus der Tabaksplantage »Olga«. Dieser brachte für Herrn O'Swald ein Briefchen. Mein Herr Nachbar durchlas es und machte ein bedenkliches Gesicht. Sein Vertreter auf der Plantage schrieb, der Aufseher (ein Thüringer, namens Frey) sei plötzlich schwer am Fieber erkrankt. Er habe eine Temperatur von 40 Grad, sei äußerst deprimiert und glaube sein Ende gekommen. Herr O'Swald möchte doch so gut sein, den Kranken so rasch als möglich per Wagen nach Zanzibar schaffen zu lassen.

Soweit der Inhalt des Briefes, mit dem der Bote natürlich zuerst in Zanzibar gewesen, mithin schon eine geraume Zeit unterwegs war. Ich schlug Herrn O'Swald vor, den Kranken hierher zu bringen und mir zu überlassen. Dies war eine wesentliche Kürzung der in keinem Falle einem Fieberkranken förderlichen Nachtfahrt, denn meine Schamba liegt gerade auf halbem Wege zwischen Zanzibar und der Plantage »Olga«. Herr O'Swald, dem die bedeutende Vereinfachung der Sache auch einleuchtete, ging sehr gerne auf diesen Vorschlag ein. Wir trugen rasch Decken und Plaids herbei und, da der Wagen unten stand, konnte er ungesäumt nach der Plantage fahren.

Frau Glühmann und ich ließen es uns unterdessen angelegen sein, das Krankenzimmer im oberen Stock in Bereitschaft zu setzen. Herr und Frau Glühmann liefen geschäftig treppauf, treppab. Sie überboten einander an Eifer, denn diesmal galt es, einem Landsmann Hülfe zu schaffen. Als ich im befriedigenden Bewußtsein, daß Alles in Ordnung, zu meinem allein gebliebenen Gast in die Halle zurückkehrte, sagte Herr Dr. Peters mit ironischem Lächeln: »Sie freuen sich wol ordentlich, wenn jemand wieder krank geworden ist?« Herr Dr. Peters denkt über das Krankwerden wie die mère supérieure vom Hospital vom heiligen Geist und vom heiligen Herzen Mariä. Auch er meint, daß man in den meisten Fällen im Stande sei, durch Kraft des Willens eine Krankheit im Entstehen niederzukämpfen.

Nach kaum dreiviertelstündigem Ausbleiben kam mein wackerer Nachbar mit seinem Kranken, den er nach Möglichkeit eingepackt hatte und mit einem Arm festhielt, während er den anderen zum Handhaben der Zügel brauchte, zurück. Der Kranke klapperte trotzdem in heftigem Schüttelfrost und wurde schleunigst zu Bett gebracht. Glühmann hat nachts bei ihm gewacht.

Heute Morgen kam, von Herrn Konsul O'Swald geschickt, der gute Dr. Marseille, der den Kranken bat, sich vollständig zu beruhigen und im übrigen mit unseren Einrichtungen sehr einverstanden war. Ich habe nach dem Muster derjenigen im Augusta-Hospital Temperaturbögen angefertigt. Diese befestige ich an der Wand, so daß der Arzt sie bequem übersehen kann, und bezeichne mit Rotstift dreimal täglich die Blutwärme des Patienten, solange sie nicht normal ist. »Voilà ce qui est bien!« sagte Dr. Marseille, als er dies bei dem verstorbenen Ardili Effendi zum ersten Mal sah, »on voit ce qui se passe

d. 24. Nov. 1887.

Gestern ist mein Bruder angekommen. Körperlich und geistig erfrischt durch die ihm in Indien und auf der Reise gewordenen heiteren Eindrücke. Er ist in Bombay von Sr. Königl. Hoheit dem Herzog von Connaught sowie von dem Gouverneur der Hauptstadt, Lord Ray, sehr freundlich empfangen worden, hat überhaupt weit mehr gesellige Vergnügungen gefunden, als er erwartete. Während seines vorübergehenden Aufenthalts in Zanzibar wohnt er bei mir auf der Schamba, was meinem Haus für mich eine ganz heimatliche Färbung verleiht. Herrn Frey's Fieber scheint normal zu verlaufen. Heute haben wir auch Omar Abdallah, den letzten unserer Ägypter, als geheilt entlassen können.

d. 28. Nov. 1887

Die Regenzeit ist in diesem Jahre spät eingetreten und dauert lang. Dabei herrscht eine Hitze, die selbst für Zanzibar ungewöhnlich sein soll. Dr. Marseille erzählt, es sei in der Stadt jetzt fast in jedem Hause Fieber. –

Aus Berlin schreibt man mir, ich solle meinen Haushalt hier sofort auflösen, mich mit den Sachen direkt nach Pangani begeben und dort an die Einrichtung einer Pflegestation gehen. In Zanzibar werde die evangelische Missionsgesellschaft ein Krankenhaus einrichten und ich solle ihr die Thätigkeit hier allein überlassen.

Ich sprach mit den hiesigen Autoritäten über eine eventuelle Reise per Dau nach Pangani und über die Quartierverhältnisse dort. Da der herrschende Nordostmonsum das Segeln nach dem nördlich von Zanzibar gelegenen Pangani äußerst schwierig macht, und da in Pangani überdies gegenwärtig nicht der bescheidenste Raum für uns vorhanden ist, muß ich die Reise dorthin bis zum April oder Mai aufschieben. Vorderhand bin ich auch durch meinen Kranken ans Haus gefesselt.

d. 2. Dec. 1887

Wir haben wieder einen Kranken aufgenommen, und es ist diesmal ein ernster Fall. Herr Stephens, ein junger Hamburger, der in Angelegenheiten des Hauses Ww. O'Swald und Comp. die Somaliküste bereist hat und auf demselben Schiff wie mein Bruder hierher zurückgekehrt ist, erkrankte bereits unterwegs, ohne daß der Kapitän, ein Graf Pfeil, oder mein Bruder die Ursache seines Leidens zu erkennen vermochten. Heute Morgen ist er auf einer Krankentrage hierher gebracht worden. Da die evangelische Missionsgesellschaft noch kein Haus gemietet hat, also ihre Thätigkeit hier noch nicht beginnen kann, durfte ich ruhig den Patienten aufnehmen, ohne mir den Vorwurf zuzuziehen, in die Rechte jener eingegriffen zu haben. Herr Dr. Marseille erklärt das Leiden für ein bösartiges Geschwür im Unterleib. Der Kranke hat Tag und Nacht heftige Schmerzen und kann es in liegender Stellung kaum aushalten. Dabei ist er ein Muster an Geduld und Sanftmut. Ich habe noch kein Wort der Klage aus seinem Mund gehört.

d. 4. Dec. 1887

Herr Dr. Peters ist mit dem Nautilus nach Norden gefahren, um den Stationen Pangani, Deutschenhof u. s. w. einen Besuch zu machen. Ich werde dann wol auch die erwünschten Details über die Quartierverhältnisse in Pangani zu hören bekommen. Herr Stephens ist sehr krank. Er hat ununterbrochenes langsam, aber stetig steigendes Fieber, eine Folge der örtlichen Entzündung. Heute habe ich den Marinearzt auf der Möwe, Herrn Dr. Koch, bitten lassen, Herrn Dr. Marseille mit seiner Meinung zu unterstützen, da es sich um Leben und Tod handelt. Beide Herren Ärzte kamen in dem O'Swald'schen Wagen bei strömendem Regen angefahren, so daß, als sie eintraten, die langen Mäntel trieften. Herr Dr. Koch fragte den Kranken aus und besprach sich längere Zeit mit dem Pariser. Er ist der Ansicht, daß nur eine Operation den Patienten retten kann. Herr Dr. Marseille stimmte bei, gab aber zu bedenken, daß diese Operation selbst gefährlich sei. Herr Dr. Koch, der ebenso entschieden ist, wie der Andere vorsichtig, zuckte die Achseln und sagte: »wir haben keine Wahl.« Nachmittags kam Herr Dr. Koch noch einmal allein, untersuchte den Kranken aufmerksam und ersuchte mich, einige ihm wichtig scheinende Änderungen in betreff der Behandlung vorzunehmen.

Herr Frey ist sein Fieber glücklich los und durfte schon im Garten umherspazieren zu seiner großen Freude. Wir glaubten ihn bald entlassen zu können, statt dem stellte sich ein anderes Leiden bei ihm ein, was ihn vermutlich noch einige Wochen ans Bett fesseln wird. Es ist eine Leistengeschwulst, unter der die Europäer hier vielfach zu leiden haben, und die, wie ich glaube, durch zu rasches Gehen verursacht wird. Ohne bedenklich zu sein, kann das Leiden recht schmerzhaft werden und erfordert meist einen operativen Eingriff. Herr von St. Paul, mein Bruder, Herr Lieutnant Giese und Andere haben viel damit zu thun gehabt.

d. 8. December 1887

Erfreulicher Weise ist von dem Moment an, daß Herr Dr. Koch sich meines Kranken annahm, eine ganz auffallende Besserung in dessen Zustand eingetreten, was niemand freudiger anerkennt als der arme Herr Stephens selbst. Das Fieber sinkt allmählich und die Schmerzen haben unter den verordneten Eiscompressen ebenfalls abgenommen. Der Patient, der heute seine Hühnersuppe mit Appetit verzehrte, sagte mir ganz erfreut: »Sowie ich das Gesicht von Herrn Dr. Koch vor mir sah, ist mir Hoffnung und Lebensmut zurückgekommen!« Der Kranke ist so geduldig und liebenswürdig, daß er auch meines Bruders Teilnahme in hohem Grade erweckt hat. Herr Consul O'Swald läßt übrigens auch keinen Tag vergehen, ohne sich nach ihm umzusehen und ihm Mut zuzusprechen. Herr Dr. Koch, der leider demnächst mit der Möwe fortfährt, meint, mit der ins Auge gefaßten Operation könne in Folge dieser unerwartet günstigen Wendung gewartet werden.

Mein Bruder und Baron Gravenreuth machen mir ernstliche Vorstellungen darüber, daß ich mir nicht genügend Bewegung schaffe und gar nicht mehr in's Freie komme. Ich gehe dafür im Haus treppauf, treppab; das muß genügen. Abends, wenn ich mit meinem Bruder in der Halle beim Essen sitze, treiben wir Insectologie. Jeder Teller und der ganze Eßtisch wimmelt von kleinen, größeren und ganz großen geflügelten und ungeflügelten Ameisen. Zwischen diesen flinken Gästen spazieren Käfer von mancherlei Gestalt und Farbe. Laut brummend und mit den Flügeln klappernd, umschwirren »langbeinige Cikaden« unsere Lampen; andere drehen sich wie ein Brummkreisel auf dem Tisch und summen dazu wie ein Kessel, der Dampf ausläßt. Neulich fing Abdallah auf dem Büffet ein Fledermäuschen und brachte es uns. Er hielt das Tierchen an den Enden der ausgespannten, durchsichtig weißen Flügel, der Körper war mit einem weißen Fellchen bekleidet, das Köpfchen hellbraun. Unter den nach vorne gerichteten braunen Öhrchen hervor sahen uns ein paar erschrockene Äuglein an. Wenn ich das niedliche Tierchen streichelnd berührte, zuckte es ängstlich zusammen. Wir ließen es bald wieder in die Dunkelheit hinausfliegen. Zuweilen hören wir ein lautes Aufklopfen, einmal auf dem Stubenboden, einmal auf dem Tisch in rascher Folge. Dann bemerken wir einen hüpfenden braunen Körper, der sich bei näherem Hinsehen als Maulwurfsgrille kennzeichnet. Es hilft nun nichts, wir müssen uns schon mit diesem zudringlichen Volk befreunden.

Unangenehmer ist es, daß hier Rost und Schimmel ihr Wesen mit einer geradezu unheimlichen Geschäftigkeit treiben. Jedes Stückchen Leder, jeder Schuh, jedes Futteral, jedes Buch präsentiert sich, wenn man es drei oder vier Tage vertrauensvoll sich selbst überlassen hat, mit dichten grünen Schimmelwaldungen überwachsen. Jedes Stückchen Metall hüllt sich in Rostbraun. Erfolglos hantiere ich mit Öl, Vasseline und Abwischtüchern herum, die Natur arbeitet hier gar zu eifrig. Man ist zuweilen versucht, die Hände zusammenzulegen und sich für überwunden zu erklären.

»Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke!
Hilflos sieht er seine Werke,
Und bewundernd, untergeh'n.«

d. 9. Dezember 1887.

Heute mußte sich nun auch mein Bruder legen. Die Leistenanschwellung, die er bis jetzt mit Gewalt ignoriert hat, ist sehr schmerzhaft geworden und wird demnächst geschnitten werden müssen. Ich selbst kann ein Gefühl des Unbehagens nicht recht abschütteln und fange an, zu glauben, daß die Herren Recht haben, wenn sie mich drängen, spazieren zu gehen. Ich werde mich auch dazu aufraffen. Heute habe ich mich den Herren Flemming und Baron Gravenreuth zu einem schönen Spaziergang durch Wiesen und Reisfelder angeschlossen. Auf den Korallenklippen längs des Meeres hin unterhalb des Kiungani-Felsens und am Pulvermagazin vorbei, kehrten wir zurück. Den Kranken geht es verhältnißmäßig gut.

d. 11. Dez. 1887.

Den Nachmittagskaffee oder Thee nehmen wir jetzt in dem kleinen Zimmer meines Bruders, an dessen Bett, ein, und das ist stets die heiterste Stunde des Tages. Heute, als wir eben beim Theetrinken waren, meldete Abdallah Herrn Dr. Koch. Dieser hatte sich bereits meine anderen Kranken angesehen und trat nun bei uns ein. Meinen Bruder (den ich mit feuchten Umschlägen behandelt hatte) sehen, ihn untersuchen und nach einem scharfen Messer verlangen, war eins. Ich hatte mein chirurgisches Besteck zur Hand. Im Handumdrehen verschwand das Theeservice und die Bisquitkiste. An deren Platz wurden die Schalen mit Karbollösung etc., Jodoformpulver, Holzwollwatte und was sich sonst gehört, auf das Tischchen gestellt. Der Doktor schnitt, wusch sich die Hände und verabschiedete sich, während ich Verband anlegte. Der ganze Vorgang ging so unbeschreiblich schnell und kam so unvorbereitet, daß mein Bruder und ich, als wir uns besannen, laut und herzlich zu lachen anfingen.

d. 21. Dez. 1887.

So, nun bin endlich auch ich an die Reihe gekommen. Es ging mir wirklich mit dem Fieber wie jener bekannten alten Dame mit dem Diebe, das heißt, nachdem ich es nun seit sechs Monaten erwartet hatte, empfing ich es mit dem Gefühl: »na endlich!« Am zwölften, Abends, bemerkte mein Bruder, als ich nicht essen mochte und etwas aufgeregt sprach, er vermute stark, daß ich Fieber habe. Daraufhin holte ich nicht ohne Neugierde den Fiebermesser, welcher eine Temperatur von 38,5 ergab, also leichtes Fieber. Ich konstatierte dies erstmalige Eintreten desselben mit einer gewissen moralischen Genugthuung, denn warum sollte

»ich allein
unter Leiden glücklich sein?«

Am nächsten Morgen wollte ich nach einer ruhig verschlafenen Nacht wie gewöhnlich aufstehen, aber kaum hatte ich mich aufgerichtet, so erfolgte zu meinem Erstaunen überaus heftiges Gallenerbrechen. Taumelnd legte ich mich zurück und merkte, daß ich liegen bleiben mußte. Die Temperatur schwankte vier Tage lang zwischen 39,5 und 40,5; Pausen gab es gar nicht. Die Gemütsdepression, die ich am meisten fürchtete, trat indessen nicht ein; das objektive Interesse an den Krankheitserscheinungen blieb vorherrschend. Während der drei ersten Tage hatte ich das eigentümliche Gefühl, aus lauter einzelnen, lose aneinander gelegten Stückchen zu bestehen; auch zogen in bunter Reihe unzählige Bilder an mir vorüber, immer mit Musikbegleitung, und ich wunderte mich dabei, daß Bilder und Musik stets überaus anmutig waren, während den Berichten Anderer zufolge Fieberfantasien mehr beunruhigender Natur zu sein pflegen. Mein Bruder, dem ich dies mitteilte, sagte lächelnd: »Du fantasierst ja!«, ich habe aber nicht einen Moment das Bewußtsein verloren.

Viel schlimmer als das Fieber selbst finde ich die nachfolgende Schwäche. Von einem so hohen Grad von Kraftlosigkeit habe ich mir in der That nie einen Begriff gemacht! Ich besinne mich fünf Minuten, ob ich es wagen soll, einmal an's andere Ende des Zimmers zu gehen, denn diese Anstrengung bringt eine Erschöpfung hervor, daß die Knie zittern und der Angstschweiß von der Stirne läuft. Auch jetzt, während ich die Buchstaben langsam male, zittert meine Hand so sehr, daß alles krumm und zackig wird.

d. 23. Dez. 1887.

Herrn Stephens geht es zu meiner nicht geringen Freude von Tag zu Tag besser. Herr Dr. Marseille, der selbst ganz verwundert darüber ist, sagte ihm gestern, als er ihn besuchte: »On peut féliciter, monsieur, vous êtes revenu de bien loin.«

Ich bin übrigens tief gerührt durch die nur von Zanzibar aus gewordene Teilnahme. Während ich noch lag, haben mich sowol die Schwestern vom katholischen Hospital, Albrechts besondere Freundinnen, als auch die von der evangelischen Mission besucht. Fräulein Rentsch konnte natürlich nicht umhin, mich etwas auszulachen. »Sehen Sie wol«, sagte sie, »und wie haben Sie immer das große Wort gehabt!«

d. 25. Dez. 1887.

Alle meine Festpläne sind durch das Fieber vereitelt worden, dessen Folgen sich noch immer in sehr störender Weise bemerklich machen. Frau Glühmann hat aber Pfefferkuchen gebacken und echt deutsche Weihnachtsstollen. Auch bin ich gestern selbst im feuchtheißen Garten gewesen, um ein Orangenbäumchen zum Christbaum auszusuchen. Wir haben es mit buntem Papier, Pfefferkuchenherzen und den schönen, leuchtend roten Pfefferschoten geschmückt.

Gestern Abend holte Herr Konsul O'Swald meinen Bruder und mich in seinem Wagen nach dem Usagara-Haus, wo sämtliche gerade anwesende Beamte der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft zu einem kleinen Diner versammelt waren. Freiherr v. Eberstein, der vor Kurzem erst vom Kilima Ndjaro hierher zurückgekehrt ist (eine Fußreise von 23 Tagen!), hatte Hof- und Treppen-Aufgang geschmackvoll mit Palmenzweigen und bunten Lampions dekoriert. Auf der Tafel prangte aber als Christbaum ein wirkliches Tannenbäumchen, welches der jüngere Herr O'Swald vor einigen Tagen auf seinem Dampfer »Zanzibar« von der Heimat mit herübergebracht hatte. Wir brannten kleine Tannenzweige an, aßen von dem von Frau Glühmann gebackenen Pfefferkuchen und versetzten uns im Geist nach Deutschland. Zu meinem Bedauern mußte ich sehr bald aufbrechen, da ich mir noch nicht die geringste Anstrengung zumuten darf.

d. 26. Dez. 1887.

Frau Glühmann kam heute Vormittag weinend zu mir. Ihr Mann liegt seit gestern Abend an leichtem Fieber, doch da das hier zu den alltäglichen Vorkommnissen gehört, legte ich kein Gewicht darauf. Jetzt berichtete die Frau so bedenkliche Symptome, daß ich annehmen mußte, einen »cas pernicieux«, wie unser Doktor sagt, vor mir zu haben. Ich tröstete die vor Schreck und Aufregung Zitternde, so gut ich konnte, und erlaubte ihr, sofort selbst nach Zanzibar zu gehen. Unterdessen mußte ich freilich, so zerbrochen ich mich auch noch fühlte, meine Kranken und die Küche allein besorgen. Herr Stephens, der bereits aufgestanden ist, versprach aber in der liebenswürdigsten Weise, sich um Herrn Frey zu kümmern, und meine treuen Schwarzen wetteiferten miteinander, mir die Arbeit in der Küche möglichst leicht zu machen. So ging es ganz gut. Frau Glühmann hatte sich indessen zu dem allgemeinen Vertrauensmann, Père Acker, begeben und diesen um Rat gefragt. Père Acker hatte ihr gesagt, sie möchte dem Doktor Marseille ruhig vertrauen. Sie wandte sich nun an diesen und der Doktor kam sofort. Er fürchtete ein perniziöses Gallenfieber, konnte oder wollte indessen noch nichts Bestimmtes sagen. Im Verlauf des Tages wurde der Kranke am ganzen Körper zitronengelb und ebenso färbte sich das Weiße in den Augen. Er warf sich laut stöhnend umher und klagte über unerträgliche innere Hitze. Die arme Frau weinte bitterlich und war nicht zu bewegen, ihren Mann auch nur auf ein Viertelstündchen zu verlassen. Ich schickte nochmals nach dem Arzt, der noch am Abend kam. Seine Befürchtung war eingetroffen. Er suchte seinerseits die verzweiflungsvolle Frau zu beruhigen und verordnete kalte Vollbäder, Eiskompressen und als Nahrung nur Milch und geeisten Champagner. Ich hatte mich tagsüber angestrengt und war bei dem besten Willen nicht im Stande, die Nachtwache zu übernehmen. Ebensowenig durfte ich sie der Frau überlassen, die der Schmerz halb von Sinnen zu bringen schien. Ich schrieb daher an Fräulein Rentsch, die Krankenpflegerin der evangelischen Mission, und bat sie, mir, wenn möglich, in der bevorstehenden Nacht zu helfen. Schwester Rentsch schickte mir ihre Gehilfin, die Diakonissin Schwester Auguste. Diese macht durch ihr ruhiges und festes Auftreten einen wohlthuenden Eindruck. Sie meinte übrigens, der Kranke würde kaum die Nacht überleben.

d. 27. Dez. 1887.

Die Nacht war schlimm, wie Schwester Auguste sagt, doch ist der Zustand des Kranken unverändert. Als wir heute Morgen in der Halle frühstückten, sah mein Bruder durch's Fenster nach dem Hafen und rief: »Da liegt der Nautilus wieder!« Bald darauf – Albrecht und ich standen im unteren Flur unter der Haustür und sahen etwas besorgt nach dem Doktor aus – kamen Herr Dr. Peters und Herr v. Gravenreuth gefahren, um sich nach uns umzusehen. Herr Dr. Peters, der nie an Seekrankheit leidet, dies trübselige Übel überhaupt weder kennt noch anerkennt, ist von der Meerfahrt sehr erfrischt zurückgekehrt und erzählte mancherlei von Pangani, was mich interessierte.

Nachmittags kam die Post. Das war nun diesmal keine Weihnachtsfreude für mich. Man ist in Berlin mit dem, was ich thue, unzufrieden und stellt unausführbare Anforderungen.

Ich thue aber mit Überlegungen und mit Bewußtsein, was ich im gegebenen Fall für das Rechte halte. Natürlich ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß ich irren kann.

d. 28. Dez. 1887.

Das war eine unruhige Nacht! Herr Dr. Peters holte auf seinem gestrigen Nachmittags-Spaziergang meinen Bruder ab und nahm ihn mit nach der Stadt, wo er im Kreise der Kameraden den Abend zubringen wollte. Herr O'Swald kam Nachmittags mit seinem Wagen, um den wieder ganz munteren Herrn Stephens nach Zanzibar zu befördern. Kurz nachdem Alle fortwaren, kam der nach Eis ausgeschickte Bote zurück mit der Nachricht, der Sultan gäbe ein Fest, infolgedessen sei heute kein Eis zu bekommen. Als sie dies erfuhr, geriet Frau Glühmann derartig außer sich, daß es weder Schwester Auguste noch mir gelang, sie auch nur einigermaßen zu besänftigen. Sie wollte durchaus selbst nach der Stadt laufen und dort alles aufbieten, um Eis herbeizuschaffen. Selbstverständlich konnte hieran nicht gedacht werden, denn sie befand sich in einem Zustand von Übermüdung und fieberhafter Aufregung, daß ich jeden Augenblick ein völliges Zusammenbrechen ihrerseits erwartete. Ich schickte einen Boten nach dem Usagara-Haus mit ein paar Zeilen für meinen Bruder, dem ich unsere Not vortrug und ihn bat, sein Möglichstes zu thun. Inzwischen badeten wir den Kranken und machten ihm feuchte Umschläge; aber er jammerte unausgesetzt nach Eis, ohne welches er verbrennen müsse. Es wurde Abend, und ich quartierte Schwester Auguste, die sich tagsüber wenig Ruhe gegönnt hatte, in mein Zimmer ein, wo sie sich auch bald zur Ruhe begab. Frau Glühmann dagegen widerstand all' meinem Drängen, ein Gleiches zu thun. Sie, die sonst die Fügsamkeit selbst war, ist wie ausgetauscht. Ich ließ schließlich ihr Bett in das Krankenzimmer tragen und setzte es durch, daß sie sich hier wenigstens niederlegte. Um zehn Uhr endlich kam die ersehnte Antwort meines Bruders, aber auch er hatte trotz eifriger Bemühungen und trotzdem er einen Boten an den Sultan geschickt, nichts erreichen können.

So groß die Not nun auch war, so fehlte es doch selbst dieser schlimmen Nacht nicht an scherzhaften Momenten. Gegen Mitternacht hörte ich schon in der Ferne das lustige Pfeifen meines Bruders, mit dem er sich die in der Nacht zuweilen lästigen wilden Hunde fern zu halten pflegt. Mit aufmerksamen Ohren verfolgte ich sein Näherkommen. Ich hörte, wie er erst das Gartenpförtchen schloß, dann die Hausthüre auf- und wieder zuschloß, und wie er in gewohntem raschen Schritt die Treppe heraufkam. Aber statt nun, wie ich erwartete, mich im Krankenzimmer aufzusuchen, wandte er sich von dem großen Mittelzimmer aus nach links, wo er gar nichts zu suchen hatte und dann hörte ich ihn zu meinem lebhaften Erstaunen in deutscher Sprache laut sprechen. Plötzlich dämmerte mir ein Licht auf. Eilig ging ich nach meinem Schlafzimmer und richtig, da saß er auf dem Sessel neben meinem Bett, um gewohnter Weise seiner vermeintlichen Schwester Bericht über die Eindrücke des Abends zu erstatten. Wer aber hinter den dichten Musketieren diesen Bericht in tiefem Schweigen entgegennahm, das war die arme Schwester Auguste.

Ich rief: »Aber Albrecht! Wo bist Du denn?!« Das wirkte, und er war schnell genug aus dem Zimmer. Ich sprach der Schwester mein Bedauern über die nächtliche Störung aus, sie zeigte aber zum Glück den besten Humor und versicherte mir, sie werde sogleich wieder einschlafen.

Beruhigt kehrte ich zu meinem Kranken zurück. Dort war inzwischen auch Albrecht angelangt und kündigte mir an, er werde nun die Wache für mich übernehmen. Herr und Frau Glühmann waren unterdessen in ihrer Herzensangst darauf verfallen, daß ein Bote, der um Mitternacht nach der Eisfabrik geschickt würde, möglicher Weise um zwei oder drei Uhr morgens schon Eis bekommen könne und sie flehten mich an, diesen Plan auszuführen. Ich wußte, daß der Versuch vergeblich sein würde, auch waren meine Leute tagsüber so viel nach der Stadt und zurück gelaufen, daß ich nicht Lust hatte, sie auch nachts noch für nichts und wieder nichts herum zu jagen. Dies setzte ich dem Kranken auseinander und redete ihm zu, noch Geduld zu haben, bis der Tag anbräche. Glühmann antwortete in seiner krankhaften Erregung heftig, worauf mein Bruder ihn in strengem Ton zurechtwies, ein Ton, der störrigen Rekruten oder Schwarzen gegenüber besser angebracht sein mochte, als bei einem Schwerkranken, und der jedenfalls nicht einem berufenen Krankenpfleger angehörte. Dies durfte natürlich nicht so weiter gehen und ich bat meinen Bruder dringend, sich schlafen zu legen. Albrecht wollte es aber wenigstens nicht bequemer haben als ich und verstand sich auf mein Zureden nur dazu, sich im Nebenzimmer auf den Fußboden zu legen, wobei er sich zum Schutz gegen die Muskitos mit einem Betttuch zudeckte. Bald hörte ich jedoch an seinen kräftigen und regelmäßigen Atemzügen, daß er schlief.

Um halb sechs Uhr, sobald der Morgen dämmerte, rief ich meinen Bruder und bat ihn, einen der Schwarzen zu wecken und schleunigst nach der Stadt zu schicken. Albrecht ging hinunter und ich öffnete das Fenster, um die kühle, erquickende Morgenluft einzulassen. Auf einmal sah ich eine dunkle, gänzlich unbekleidete Gestalt in großen Sprüngen durch den Garten eilen, der übrigens noch in fahlem Dämmerlicht lag, und im Negerhäuschen am Eingang verschwinden. Gleich darauf kam Albrecht wieder herauf und erzählte lachend, er habe unfreiwillig großen Schrecken erregt. Als er nämlich seiner Meinung nach den ersten besten Schwarzen beim Rockzipfel gepackt habe, um ihn aus dem Schlaf zu rütteln, sei dieser, das Gewand in seiner Hand lassend, in jähem Schrecken aufgesprungen und mit der Schnelligkeit eines Hirsches davongelaufen. Ihm sei nämlich statt des Dieners eine unserer Wasserträgerinnen in die Hände geraten.

Der Richtige hatte sich indessen auf den Weg gemacht und wurde mit Sehnsucht zurückerwartet. Als er aber nach einer Stunde zurückkam, brachte er doch kein Eis! dieses sollte erst um neun Uhr zu haben sein.

Die Verzweiflung meines unglücklichen Patienten über dies verlängerte Warten ist nicht zu beschreiben und meine Kraft, sein Jammern anzuhören, ohne Hülfe schaffen zu können, war vollständig am Ende. Ich erlaubte Frau Glühmann aufzustehen, maß die Temperatur des Kranken, die wunderbarer Weise etwas gesunken war, gab ihm eine Gabe Chinin, die er nur mit großem Widerstreben nahm, und legte mich auf einen Rohrsessel in die nächste leerstehende Stube. Hier schlief ich sofort ein.

Mein Bruder weckte mich, als um neun Uhr der Arzt kam. Dieser war mit dem Zustand des Kranken sehr zufrieden und meinte, das Bedenklichste sei jetzt wirklich sein gänzliches moralisches Zusammenbrechen. Wenn ich ihn dazu bekommen könnte, sich etwas aufzuraffen und Mut zu fassen, so sei ein Besserwerden gar nicht ausgeschlossen. Als bald darauf der Diener das schmerzlich entbehrte Eis brachte, atmete ich auf. Es schien mir, als müsse nun Alles eine Wendung zum Guten nehmen.

Mein Bruder, dessen heitere Stimmung durch die unruhige Nacht durchaus nicht gelitten hatte, erzählte mir fröhlich, er habe vor einer Stunde etwa mit Schwester Auguste zusammen gefrühstückt. Sie sei sehr unterhaltend und liebenswürdig gewesen, also habe sie ihm seinen nächtlichen Überfall wol nicht übel genommen. Sie war, da sie den Kranken wohler gefunden hatte, nach Zanzibar zurückgekehrt.

d. 10. Januar 1888.

Das neue Jahr habe ich in heftigem Fieber angefangen. Mein Bruder ist nach der Station Petershöhe gereist, während ich noch zu Bett lag. Herr Dr. Peters ist heut in Begleitung der Herren Baron St. Paul und Regierungsbaumeister Hörneke auf der Zanzibar abgereist, um sich nach Berlin zu begeben. Mit dem Herrn Regierungsbaumeister Hörneke, der bis jetzt Chef der Station Pangani war, habe ich noch vom Bett aus eingehend über die geplante Einrichtung einer Pflegestation dortselbst sprechen können. Wenn ich Erlaubnis und Mittel zum Bau eines einfachen, auf Pfählen erhöht stehenden Holzhauses erlange, kann ich im Frühjahr, sowie der Südwestmonsum wieder eingesetzt hat, ans Werk gehen. Dazu helfe Gott. – Gegenwärtig bin ich matt, wie eine Fliege im Winter.

d. 12. Januar 1888.

Bertha, meine wackere Gehülfin, ist gleichzeitig mit mir in Dar-es-Salaam schwer krank gewesen. Sie hat sich indessen, Dank ihrer guten Natur, rasch wieder aufgerichtet und soll, sobald sie gute Reisegelegenheit findet, hierherkommen, um sich bei mir auszuruhen und zu erholen.

Glühmann, der schon wieder im Garten spazieren gehen durfte, ist leider aufs neue erkrankt, und zwar an einer Nierenentzündung. Dr. Marseille verordnete täglich ein heißes Bad und die äußerste Vorsicht gegen Zugluft. Genießen darf der Kranke nichts als Milch.

Meine Wasserträgerinnen haben heute gestrikt. Infolge ihrer Arbeitseinstellung wollte Frau Glühmann die männliche Dienerschaft veranlassen, Wasser zu holen. Aber es geht gegen das Ehrgefühl der Schwarzen, eine Weiberbeschäftigung, und als solche gilt das Wassertragen, zu verrichten. Die Schwarzen kamen zu mir, und hielten mir mit lebhaften Gesten und Mienenspiel einen Vortrag darüber, sie seien zum Stuben reinmachen, zum Fegen, Aufwarten bei Tisch, zur Küchenarbeit und zum Botengehen da, aber nicht zum Wassertragen, und das thäten sie nicht. Ich lachte sie aus, was bei den Schwarzen immer von vorzüglicher Wirkung ist, und frug, ob sie denn ebenso unverständig sein wollten, wie die Weiber. Mit jenen wollten wir uns schon auseinandersetzen, oder andere Tagelöhnerinnen mieten. Heute aber sei Wasser nötig, besonders für den Kranken, und ob sie denn wollten, daß Frau Glühmann und ich selber das Wasser aus der Cisterne holen sollten? Im übrigen würde ich jedem, der heute als Freiwilliger fleißig Wasser trüge, einige Pesa schenken. Damit waren die Schlingel zum Glück einverstanden, grinsten mich freundlich an und sagten: »Du hast wohl gesprochen, Bibi, wir werden thun, was Du willst.« Der treffliche Abdallah, der meine Leute musterhaft in Ordnung hielt, ist ernstlich krank. Er fehlt mir überall.

d. 15. Jan. 1888

Herr Leue und Bertha Wilke, unsere Pflegerin, sind über Bagamoyo nach Zanzibar gekommen, um sich hier etwas aufzufrischen. Das durchgemachte schwere Fieber hat weder Bertha noch mich grade verschönert, was ja vorauszusehen war; aber das lebhafte junge Mädchen war, als wir uns wiedersahen, so betroffen über die Veränderung in meinem Aussehen, daß sie in heftiges Weinen ausbrach. Ihre Nerven scheinen einen starken Stoß erlitten zu haben. Ich werde sie nun zunächst in jeder Weise schonen, damit sie sich ganz erholt.

Dagegen geberdet sich der aus Dar-es-Salaam ausgeführte Diener Boheti ganz unsinnig vor Freude, als er seinen »bana Rubwa« wiedersah. Die reine Pudelnatur! Er biß sich beinah in beide Ohren und sein dummes Gesicht strahlte in Seligkeit. Ich bot Herrn Leue, der, um nach meiner Schamba zu kommen, einen heißen Weg gemacht hatte, einen kühlenden Trunk an, deutsches Bier, Limonade oder Sodawasser, was ich alles auf Eis stehen hatte. Aber er verachtete diese Genüsse und fragte: »haben Sie keine Madafu?« Er zog thatsächlich den Saft der Kokosnüsse, der ihm noch vor wenig Monaten Widerwillen erregt hatte, den vaterländischen Getränken vor. Spricht dies nicht für die Fähigkeit des Deutschen sich zu acclimatisieren?! –

Herr Leue hat übrigens jenen entlaufenen Sclaven, für dessen Freilassung er sich seinerzeit beim Wali von Dar-es-Salaam verwendet, schließlich dem Anspruch erhebenden Besitzer abgekauft und als Hausdiener beschäftigt. Ich freue mich für den armen Burschen.

d. 21. Januar 1888.

Bertha erholt sich, Gott sei Dank, von Tag zu Tag und ihr lustiges Lachen und Schwatzen belebt schon wieder unser stilles Haus. Selbst die Niedergeschlagenheit der armen Frau Glühmann, deren Mann noch recht krank ist, hält dieser ungekünstelten Heiterkeit und Lebhaftigkeit nicht immer Stand. –

Mein Aufenthalt in Ost-Afrika naht sich leider seinem Ende. Nach den zwischen mir und meinem Vorstand in Berlin zu Tage getretenen Meinungsverschiedenheiten mußte ich dem letzteren die Alternative stellen, mir, was Einrichten neuer Pflegestationen betrifft, einigermaßen freie Hand zu lassen, oder mich meiner Verpflichtungen zu entheben. Denn ohne eine gewisse Freiheit der Bewegung bin ich bei der Schwerfälligkeit des schriftlichen Verkehrs zwischen Berlin und hier nicht im Stand, mit Aussicht auf Erfolg weiter zu arbeiten. Eine daraufhin in Berlin einberufene Generalversammlung hat, wie mir telegraphisch mitgeteilt worden, einstimmig gegen mich entschieden.

Von ärztlicher Seite wird mir dringend ein baldiger Klimawechsel empfohlen, ich gedenke daher, obwol ich es weit vorziehen würde, bei meinem Bruder zu bleiben, mit dem nächsten Sultansdampfer über Indien nach Europa zurückzukehren, um, so Gott will, in nicht zu ferner Zeit die mir ans Herz gewachsene Thätigkeit hier unter günstigeren Bedingungen wieder aufnehmen zu können.

Ungern freilich lasse ich das kaum erst begonnene Werk im Stich und thue es nur »der Not gehorchend, nicht dem innern Triebe.« – Der Vorpostendienst unserer Landsleute hier, er sei von welcher Art er wolle, scheint mir für die Gewinnung und Festigung deutschen Einflusses von großer Wichtigkeit. Es liegt auf der Hand, daß in diesen ganz unfertigen, in den ersten Anfängen einer gesunden Entwickelung stehenden sozialen Verhältnissen das Einzelwesen noch eine ganz andere Bedeutung hat, als in den Kulturstaaten Europas. Darum möchte man auch nur die Besten der Nation, hier, wo noch jeder Deutsche mehr oder minder als Repräsentant des Deutschthums empfunden wird, beschäftigt sehen. Ich scheide mit dem Wunsch, daß mein Platz im Interesse der Weiterentwickelung unserer Sache nur durch eine wirklich gute Kraft ausgefüllt werden möge. Dann kann und wird aus den von meiner Hand gelegten schwachen Keimen ein segenspendendes Werk emporwachsen zur Ehre der deutschen Nation. Das walte Gott. –

J. S. Preuß, Berlin C., Jerusalemerstr. 21

Hinweise zur Transkription

Das Originalbuch ist in Fraktur gesetzt. Markierung abweichender Schriftarten: gesperrt, Antiqua.

Die Darstellung von Ortsbezeichnungen wie "Dar-es-Salaam", "Ismaïla", "Kiloa", "Kisuani", "Kisuindje", "Kiungani", "Mtoni" sowie von Namens- oder Titelbezeichnungen wie "Dr.", "Madjid", "Père", "Said" bzw. "Sejid" ist im Original teilweise in Antiqua, teilweise in Fraktur, und wurde in dieser Transkription grundsätzlich beibehalten; "Dr." wurde davon abweichend stets ohne gesonderte Markierung wiedergegeben.

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "December" – "Dezember", "Hôtel" – "Hotel", "Kisuindje" – "Kisuindji", "Kockerutschen" – "Kokerutschen", "Kokosnus" – "Kokosnuß", "Lieutenant" – "Lieutnant", "Namens" – "namens", "obwohl" – "obwol", "Sclaven" – "Sklaven", "sowohl" – "sowol",

mit folgenden Ausnahmen,

Seite 6:
"Minenspiel" geändert in "Mienenspiel"
(Ihr Mienenspiel und ihr gebrochenes Englisch)

Seite 11:
"Nichkenner" geändert in "Nichtkenner"
(möchte einen Nichtkenner dieser Delikatessen)

Seite 11:
"," eingefügt
(ebensolchen flatternden Mänteln,)

Seite 15:
"Bot" geändert in "Boot"
(nahte sich ein Boot unter deutscher Flagge)

Seite 30:
"rhytmische" geändert in "rhythmische"
(der bekannte rhythmische Hymnengesang)

Seite 34:
"rythmischem" geändert in "rhythmischem"
(rhythmischem Kriegsgesang und nahmen auf dem Schloßplatz)

Seite 38:
"," entfernt vor "arabischen"
(das Meer absuchen) arabischen Sclavenschiffen weggekapert)

Seite 53:
"veranstatlen" geändert in "veranstalten"
(Heute veranstalten die Indier ein glänzendes Fest)

Seite 59:
"c' est" geändert in "c'est"
c'est la mail!«)

Seite 66:
"Übungen Mnasimodja" geändert in "Mnasimodja Übungen"
(auf der Wiese an der Mnasimodja Übungen machen)

Seite 67:
"Bismark" geändert in "Bismarck"
(das Bild des Fürsten Bismarck)

Seite 68:
"graulichen" geändert in "greulichen"
(in einem greulichen Durcheinander)

Seite 69:
"dorhin" geändert in "dorthin", "übergesiedet" in "übergesiedelt"
(ist dorthin übergesiedelt, aber sofort wieder erkrankt)

Seite 75:
"Rentch" geändert in "Rentsch"
(Einstweilen muß sogar Schwester Rentsch)

Seite 75:
"." geändert in ":"
(und erhielt die Antwort: »Ich hab' zwar)

Seite 76:
"Rentch" geändert in "Rentsch"
(der Sorgfalt der Schwester Rentsch zu danken)

Seite 80:
"fränzöschen" geändert in "französischen"
(den französischen Arzt, Dr. Marseille, consultiert)

Seite 81:
"," eingefügt
(Er riet mir übrigens dringend, nicht gleich in)

Seite 85:
"langeschwänzter" geändert in "langgeschwänzter"
(Äffchen Hassan, ein langgeschwänzter Nachtaffe)

Seite 86:
"Suhaelidamen" geändert in "Suahelidamen"
(Deutsche, Araberinnen und Suahelidamen unterschiedslos)

Seite 87:
"," entfernt hinter "sein"
(hatte der Wali sein Reiseziel erreicht)

Seite 87:
"," eingefügt
(fuhr mit unseren Herren, die er)

Seite 92:
"Schaafe" geändert in "Schafe"
(und Schafe ihr Wesen, nicht zu vergessen)

Seite 96:
"Baumwollsträuche" geändert in "Baumwollsträucher"
(dazwischen blühende Baumwollsträucher, kandelaberähnliche)

Seite 100:
"«" entfernt hinter "gethan."
(wie er es dem Sultan gethan.)

Seite 109:
"," entfernt vor "mit"
(hat er (oder einer seiner Ahnen) mit Zinnen)

Seite 113:
"," eingefügt
(fürchteten wir schon, seine Insassen)

Seite 113:
"," eingefügt
(größer war die Freude, als sie schon)

Seite 114:
"," entfernt vor "veranstaltet"
(eine große »ngoma« (Musik und Tanz) veranstaltet)

Seite 115:
"," eingefügt
(Schwert aus der Scheide, um in höchst eigener)

Seite 117:
"," eingefügt
(hat mich bewogen, hier zu bleiben)

Seite 117:
"," eingefügt
(weiß nicht, ob ich recht gethan habe)

Seite 119:
"," eingefügt
(Dar-es-Salaam, d. 29. August.)

Seite 125:
"," entfernt vor "haben"
(Wir (die Haushälterin und ich) haben ein)

Seite 129:
"Ouaken" geändert in "Quaken"
(das Quaken des Ochsenfrosches)

Seite 139:
"," eingefügt
(als ich mich aufrichtete, schon in weiter Ferne)

Seute 148: "," eingefügt
(Abdallah (Karl Schmidt), ein Juwel von einem Diener)

Seite 152:
"»" eingefügt
(sagte er, »aber noch Keinen am Chinin)

Seite 153:
"Dar-es-Saalam" geändert in "Dar-es-Salaam"
(dem ich in Dar-es-Salaam während eines)

Seite 153:
"Experementieren" geändert in "Experimentieren"
(im Allgemeinen zum Experimentieren nicht aufgelegt)

Seite 164:
"Ismalia" geändert in "Ismaïla"
(seiner in Ismaïla zurückgelassenen Familie zu erhalten)

Seite 167:
"," entfernt hinter "Aufseher" und vor "sei"
(der Aufseher (ein Thüringer, namens Frey) sei plötzlich)

Seite 168:
"," entfernt hinter "Ausbleiben"
(kaum dreiviertelstündigem Ausbleiben kam mein)

Seite 179:
"," eingefügt
(»Du fantasierst ja!«, ich habe aber nicht)

Seite 180:
"ausgewordene" geändert in "aus gewordene"
(von Zanzibar aus gewordene Teilnahme)

Seite 184:
"O'swald" geändert in "O'Swald"
(Herr O'Swald kam Nachmittags mit seinem Wagen)

Seite 193:
"«" eingefügt
(und fragte: »haben Sie keine Madafu?«)

Seite 194:
"Dar-es Salaam" geändert in "Dar-es-Salaam"
(beim Wali von Dar-es-Salaam verwendet)

Seite 194:
"Aufenhalt" geändert in "Aufenthalt"
(Mein Aufenthalt in Ost-Afrika naht sich leider)

Seite 194:
"das" entfernt hinter "ich"
(mußte ich dem letzteren die Alternative stellen)


*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK REISESCIZZEN UND TAGEBUCHBLÄTTER AUS DEUTSCH-OSTAFRIKA ***
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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™
Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life.
Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws.
The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact
Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS.
The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate.
While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate.
International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works
Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support.
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